Ex-Starinvestor Bill Miller: Comeback des Querdenkers
Der gefallene Superstar unter den Fondsmanagern will zurück auf die Bühne der Finanzwelt. Das Porträt eines Kämpfers mit kontrovers diskutierbaren Anlageideen.
von Nele Husmann, New York
Bill Miller musste Abschied nehmen von Utopia. Auf der gleichnamigen 70-Meter-Jacht pflegte Miller früher mit seiner Frau und seinen Kindern den Sommer in der Chesapeake-Bucht vor Baltimore zu genießen. Damals war die „Utopia“ die neuntgrößte amerikanische Jacht und Miller einer der erfolgreichsten Fondsmanager der USA. Heute ist er geschieden, das Schiff ist verkauft.
„Jemand sagte mir einmal, dass die Jacht der Grund sei für meine schlechte Performance — dass ich es einfach nicht verdiene, solch ein großes Boot zu besitzen“, erklärt Miller. „Wenn ich es verkaufte, werde meine Performance wieder steigen.“ Und genau so kam es dann. Seit er sich 2009 von dem Schiff getrennt hat, läuft sein Fonds wieder. Nicht dass der gefallene Starfondsmanager abergläubisch ist: „Das war nur ein Zufall“, behauptet er. „Und trotzdem brauche ich keine Jacht.“
Statussymbole spielen für Miller nur eine untergeordnete Rolle. Das Geldanlegen ist für ihn mehr eine intellektuelle Herausforderung — eine, bei der er gut sein will. 15 Jahre in Folge schlug er den amerikanischen Aktienindex S &P 500 — diesen Rekord hält Miller noch immer, auch wenn seine Erfolgssträhne 2006 jäh abriss und drei wirklich schlechte Jahre folgten. Sein früherer Flaggschifffonds Legg Mason Value Trust verlor 2008 55 Prozent an Wert. Die Investoren verließen ihn danach in Scharen — das Fondsvolumen schrumpfte von 20 auf aktuell 2,3 Milliarden Dollar. Seinen Titel als Chefanleger der Fondsgesellschaft musste Miller hergeben, im April 2012 entzog man ihm auch noch das Mandat für den Value Trust.
Zurück auf Los
Jetzt ist er mit seinem Legg Mason Opportunity Trust — ein für amerikanische Verhältnisse kleinerer Fonds mit verwalteten 1,3 Milliarden Dollar — wieder da, wo er als junger Mann angefangen hat. Er gibt sich kämpferisch: „Eine neue Rekordserie ist sicher möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich“, so der Zurückgekehrte. Die bisherigen Ergebnisse des Fonds sind vielversprechend.
Miller glaubt, dass ein neues goldenes Zeitalter für die Aktie begonnen hat. Die aktuellen Hochs seien erst der Anfang, die Aktienmärkte billig. „Geld fließt weiter aus allen Richtungen in Aktien“, so der Fondsmanager. Er sucht querbeet nach Aktien, deren Aussichten der Markt falsch einschätzt. Viele Titel, die er auswählt, sind sogenannte Value Contrarians — Aktien, bei denen die Nachrichtenlage extrem schlecht ist, Werte, die Anleger um jeden Preis aus dem Depot haben wollen. Auch wenn das Risiko bei diesen Titeln groß ist. Doch oft reichen nur wenige positive Nachrichten für große Kurssprünge bei diesen niedrig bewerten Aktien.
So fuhr Bill Miller mit dem Videostreaming-Anbieter Netflix und der Elektronikfachhandelskette Bestbuy große Gewinne ein. Aktuell begeistert er sich für den Computerwert Apple sowie für amerikanische Fluglinien.
Mit dem Aufschwung erholen sich auch Millers eigene Finanzen wieder. Weil er sein Vermögen größtenteils in seinen Fonds und in Legg-Mason-Aktien investiert hatte, verlor er Millionen. Doch um das Geld geht es ihm gar nicht so sehr: „Millers Ziel ist es nicht, der reichste Mann im Raum zu sein, sondern der schlaueste“, sagt Bruce Greenberg, Professor an der für Value-Investing bekannten Columbia University.
Millers jüngste Erfolge zeugen von seiner ungeheuren Kraft, nach einer öffentlich erlittenen Niederlage weiterzumachen: „Wenn 2006, 2007 und 2008 meine ersten drei Jahre im Geschäft gewesen wären, würde ich heute sicher nicht mehr als Fondsmanager arbeiten“, gibt er zu. „Zum Glück ist meine Vorgeschichte lang und gut genug, sodass ich überleben konnte.“ Sein Ego hat dennoch Kratzer abbekommen. In einer Artikelserie mit dem Titel „The Fallen“, übersetzt: „Die Gefallenen“, brachte das „Wall Street Journal“ Miller als einzigen Geldverwalter auf die Titelseite. Dabei gab es viele andere Profis mit ähnlich desaströsen Ergebnissen. „Das war nicht wünschenswert und auch nicht fair“, beschwert sich der derart Gebrandmarkte.
Das Eingeständnis
Miller hat seine Fehler analysiert: „Ich habe übersehen, dass sich die Art, wie Menschen über Risiko und Ertrag oder über Schulden und Kredit denken, in den Jahren 2007 und 2008 völlig verändert hat“, erklärt er. „Ich brauchte definitiv zu lang, um die neue Lage zu verstehen.“ Früher war er sehr tolerant, wenn eine Aktie sich nach dem Einstieg erst einmal negativ entwickelte. Das sieht er heute anders: „ Wenn ich eines aus dem Jahr 2008 gelernt habe, dann dies, dass ich einen großen Verlust vermeiden will — ich kenne meine eigene Psychologie jetzt besser.“
Mit seinem Opportunity Trust erlebte Miller 2011 aber noch einmal herbe Rückschläge. In jenem Jahr verlor der Fonds satte 35 Prozent. Doch dieses Minus traf ihn nicht so sehr, weil er gegen die Marktmeinung am Ende recht behielt: „2011 waren meine Entscheidungen gut, nur der Markt dachte, dass wir 2008 noch einmal durchleben würden — und lag damit falsch“, erklärt Miller. „Erst 2012 hat der Markt verstanden, dass sich die Ungleichgewichte, die den Schock 2008 auslösten, in Luft aufgelöst haben.“
Dass ihm wieder einmal ein Fehler bei der Einschätzung einer Situation unterläuft, kann er nicht ausschließen. Wohl aber, mit wie viel Wagemut er bei der Stange bleibt und gar nachkauft, wenn es gegen ihn läuft. Heute ist er entsprechend konservativer, was die Größe seiner Positionen angeht: „Ich stelle sicher, dass ein Fehler mich heute nicht mehr so umbringen kann wie im Jahr 2008.“
Der Fondsmanager hat in jüngster Zeit ein außerordentlich glückliches Händchen bewiesen. Gleich vier der zehn S & P-500-Aktien, die seit Jahresanfang am besten laufen, liegen in seinem Portfolio, darunter die Spitzenreiter Netflix und Bestbuy.
Heiße Aktien
Seine neueste Investmentidee sind Fluggesellschaften, obwohl Anleger das kapitalintensive Geschäft gern meiden. „Die Branche hat sich hier in den USA nach den vergangenen Fusionen konsolidiert wie nie zuvor“, so Miller. Während früher keine Gesellschaft über zwölf Prozent Marktanteil besaß, kontrollieren jetzt vier Gesellschaften 90 Prozent der Sitzplatzkapazität. Entsprechend schreibt die Branche schon vier Jahre in Folge schwarze Zahlen. „Die Airlineaktien sind noch immer sehr billig — selbst kurzfristig. 50 bis 75 Prozent Kurspotenzial sind für United Continental, US Airways und Delta Airlines drin“, glaubt Miller.
Seine am stärksten kontrovers beurteilte Aktie ist aktuell Apple: „Apple ist jetzt billiger als Hewlett-Packard oder Bestbuy. Das ist bemerkenswert“, sagt Miller. Er begrüßt Apples Aktienrückkauf auf Kredit und geht von einer sehr positiven Wertentwicklung in den kommenden zwölf bis 24 Monaten aus.
Selbst von Finanzaktien, deren freier Fall in der Weltfinanzkrise zu seinem Untergang mit dem Value Trust geführt haben, lässt Miller nicht grundsätzlich die Finger, sondern analysiert sie rational. Derzeit mag er Hypothekarversicherer: „Das ist der letzte Bereich der Finanzindustrie, der sich noch erholen wird — sie hinken dem Zyklus hinterher“, glaubt er. So erwartet er, dass etwa die Aktie der Versicherungsholding MGIC bis 2015 wieder profitabel wird und einen Kurssprung um 50 Prozent schaffen kann.
Auch was den Gesamtmarkt angeht, ist Miller optimistisch: „Die Erträge aus Staatsanleihen sind frustrierend, aus Angst vor einem niedrigeren Yen fließt Geld von Japan weg, und auch der Superzyklus der Rohstoffe ist zu Ende.“ Eine klare Meinung für die Aktie an sich — da ist er wieder, der alte Bill Miller.
Himmel, Hölle
und zurück
Von 1991 bis 2005 war er sogar besser als der S & P 500. Das machte Bill Miller weltberühmt, er wurde mit Preisen überschüttet. Doch 2008 verkannte der Ökonom mit abgebrochenem Philosophiestudium die Tiefe der Finanzkrise, hielt an Bankaktien fest und verlor mit seinem damals 20 Milliarden Dollar schweren Flaggschifffonds Legg Mason Value Trust 55 Prozent. Er musste den Fonds abgeben und verlor den Posten als Chefanlagestratege der Fondsgesellschaft Legg Mason. Heute leitet der inzwischen 62-Jährige den Fonds Legg Mason Opportunity (ISIN: IE00B3FHN413). Nach einem katastrophalen Jahr 2011 legte der Fonds 2012 doppelt so stark zu wie der S & P 500. 2013 stehen hier bereits über 30 Prozent zu Buche, und der Fonds hat mittlerweile ein Volumen von 1,3 Milliarden Dollar.