Neue Dekade - Serie Teil 3

Die nächste Blase kommt bestimmt

21.01.10 06:00 Uhr

Die Niedrigzinspolitik der Notenbanken befeuert die Finanzmärkte. Anleger ­müssen daher auch in Zukunft mit spekulativen Übertreibungen rechnen.

von Peter Gewalt, Euro am Sonntag

IWF-Chef Jean-Dominique Strauss-Kahn sieht sie kommen, Morgan-Stanley - Investmentstratege Stephen Roach erwartet sie, Allianz-Boss ­Michael Diekmann warnt vor ihr. Nur zwei Jahre nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA ist es nach Meinung vieler Experten nur noch eine Frage der Zeit, bis die nächste spekulative Übertreibung die Finanzmärkte überrollt.

Nur in welchem Markt die Asset Price Bubble auftaucht und wie weit die Bewertungsanomalie schon vorangeschritten ist, darüber herrscht Unsicherheit. Allerdings gelten Rohstoffnotierungen und Schwellen­länderaktien nach ihren aufsehen­erregenden Gewinnen 2009 als potenzielle Kandidaten für ein Überschießen der Bewertungen.

Diese Übertreibungsphasen sind für Anleger ein zweischneidiges Schwert. Das eingesetzte Kapital kann während der Übertreibungsphasen rasant vermehrt, aber ebenso schnell vernichtet werden. So legte die Nasdaq während der Techblase um 170 Prozent zu, danach stürzte der US-Technologieindex um knapp 80 Prozent ab. Beim japanischen Aktienmarkt waren in den 80er-Jahren über 700 Prozent Gewinn möglich. Zwei Jahrzehnte später notiert der Nikkei aber weiterhin 70 Prozent unter dem damaligen Höchststand.

Boom- und Bustphasen sind seit jeher feste Bestandteile der Finanzmärkte. In den vergangenen Jahrzehnten traten Asset Price Bubbles allerdings immer häufiger auf. „Früher sahen Fondsmanager im Lauf ­ihrer Karriere vielleicht eine Blase“, resümiert DWS-Fondsmanager Klaus Kaldemorgen in der Zeitschrift „Das Investment“, „ich bin schon in der vierten.“ Inzwischen wird angenommen, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten eine Blase entwickelt hat, die von Kontinent zu Kontinent, von Vermögensklasse zu Vermögensklasse springt. Von Japans Immo- und Aktienmarktboom hin zu der Asien-Rally in den 90er-Jahren über die Dotcom-Euphorie zur Jahrtausendwende bis zum US-Häusermarkt- und Ölpreisboom 2008. Heute gibt es wieder starke Übertreibungen am asiatischen Immobilienmarkt.

Die Schuldigen der Wanderblase sind schnell ausgemacht. Dank der Politik des billigen Geldes der Zent­ralbanken, allen voran der US-Notenbank Fed, ist es seit Anfang der 80er-Jahre für Investoren kontinuierlich günstiger geworden, sich Geld zu leihen. „Gleichzeitig hat die Globali­sierung mit niedrigen Inflationsraten unter anderem dafür gesorgt, dass sich bei den Anlegern ein Zuviel an Optimismus aufgebaut hat“, sagt ­Andreas Rees, Chefvolkswirt bei der Unicredit.

Laut US-Wirtschaftshistoriker Charles Kindelberger gehört neben dem Herdentrieb der Investoren aufgrund irrationaler Gewinnerwartungen reichlich Liquidität zu den Voraussetzungen einer Blasenentstehung. Ist Kapital im Überfluss vorhanden, sucht es lukrative Anlage­möglichkeiten. Es wird investiert – in Aktien, Immobilien oder Kredit­papiere. Die Nachfrage treibt den Preis hoch, die steigenden Kurse locken neue Investoren an.

Angesichts der aktuellen Nullzinspolitik der westlichen Notenbanken wächst daher die Gefahr eines erneuten Überkochens bestimmter Assetklassen. „Die größten Gefahren für Blasen an den Finanzmärkten gehen gegenwärtig von den niedrigen Zinssätzen aus, zu denen die Notenbanken aufgrund der Finanzkrise gezwungen waren“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank. Und eine generelle Änderung der Notenbankpolitik ist erst einmal nicht zu erwarten, auch wenn die Zinsen in diesem Jahr wohl ein wenig angehoben werden. Schließlich würden zu hohe Zinsen die ohnehin angespannte Finanzsituation vieler Staaten belasten. Gleichzeitig sind kurzfristig keine Inflationsgefahren zu erwarten, ein Dreh an der Zinsschraube ist nicht notwendig. Ein ideales Umfeld für die Aktien- und Anleihemärkte, die sich nach dem Absturz 2008 kräftig erholt haben.

Dass die breiten Aktien- und Anleihemärkte bereits das Blasenstadium erreicht haben, wird mehrheitlich verworfen. „Die Bewertungen, etwa an den Aktienmärkten, lassen sich noch ‚normal‘ damit in Einklang bringen, was die Unternehmen in diesem Jahr an Gewinnen liefern können“, sagt Kater. So haben sich viele Bewertungskriterien wie Kurs-Gewinn-Verhältnis nicht vom historischen Durchschnitt entfernt. Da­rüber hinaus fehlt für eine klassische Finanzmarktblase auch noch eine Reihe von Indikatoren. „Die Kreditvergabe an die private Wirtschaft etwa steigt nicht stark an, sie sinkt sogar. Zudem ist die Risikobereitschaft bei Investoren immer noch sehr gering ausgeprägt“, sagt Kater. David Milleker, Chefvolkswirt von Union Investment, stimmt dem zu. „Aktuell rentiert die überwiegende Zahl von Finanzaktiva auf oder sehr nahe an historischen Durchschnittswerten, eine Überbewertung oder gar eine Blase ist daher nicht zu erkennen.“

Hohe Bewertungen in bestimmten Sektoren wie Rohstoffen oder Schwellenländern lassen bei professionellen Anlegern aber inzwischen die Alarmglocken schrillen. „In Teilmärkten, man denke an Rohöl, fällt es uns schwer, die hohen Preisniveaus mit Fundamentaldaten zu erklären“, meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Inzwischen notiert das Barrel Öl der Sorte Brent wieder über 80 Dollar, obwohl der Einbruch der Weltwirtschaft und hohe Lagerbestände den Preisanstieg stärker hätten dämpfen müssen. Doch neben den ­Ölverbrauchern haben Investoren die Notierung nach oben getrieben, die sich mit Öl gegen die Dollarschwäche absichern und ihr Portfolio diversifizieren wollen. Dieser Trend zur Risikominimierung durch Rohstoffe im Depot wird seit mehreren Jahren von führenden Investmentfirmen pro­pagiert, seither steigt die Zahl speku­lativer Investments. Gleichzeitig fällt bei Anlegern auch die Peak-Oil-­Theorie auf fruchtbaren Boden, die ein Absinken der Ölfördermengen vorhersagt.

Ohnehin erfordern Übertreibun­gen überzeugende Thesen als Grundlage: „Meistens steht am Anfang einer Blase eine Story, die einen gewissen Anstieg der Kurse rechtfertigt“, erklärt Ralph Solveen, stellvertretender Leiter Economic Research bei der Commerzbank. „Zur Blase wird der Kurs- oder Preisanstieg dann, wenn sich dieser Anstieg selbst nährt, das heißt, wenn viele auf den Zug aufspringen, weil die Kurse oder Preise eben steigen.“

Eine gute „Story“ für Anleger bieten auch Goldinvestments. Als Safe-Haven-Investment findet das Edelmetall gerade in Krisenzeiten immer mehr Anhänger. Der deutliche Preisanstieg des Edelmetalls tut sein Übriges, um neue Investoren anzuziehen. Ergebnis: Inzwischen fragen mehr Investoren Gold nach als die Schmuckindustrie, gleichzeitig machen neue Preisziele von bis zu 6000 Dollar je Unze die Runde. Immer weiter steigende Kurserwartungen sind bei Asset Price Bubbles ebenfalls ein häufig zu beobachtendes Phänomen.

Als dritter möglicher Übertreibungskandidat gelten einige Schwellenländer. Auch hier fördern fundamentale Gründe die Investmentnachfrage. Die Schwäche der Industriestaaten und die tatsächlichen Vorteile von Brasilien, China und Indien – etwa die rasante wirtschaftliche Aufholjagd, der Rohstoffreichtum, die demografischen Vorteile – bilden den argumentativen Unterbau für die Anziehungskraft der Schwellenländeraktien. Laut Dieter Wermuth von Wermuth Asset Management ­liegen die Bewertungen der Kurse vieler Börsenindizes zwischen São ­Paulo und Shanghai über ihren langfristigen Trendwerten, was auf eine Übertreibung hinweist. Allein der Wert des brasilianischen Auswahlindex Bovespa hat sich seit dem Jahr 2002 beinahe versiebenfacht.

Diese Rally ist allerdings noch lange kein Grund, sich aus dem Schwellenländerbereich zurückzuziehen. Denn wann eine Blase platzt, ist selbst für Profis schwer vorher­zusagen. „Selbst fundamental un­gerechtfertigte Bewertungen können teilweise jahrelang anhalten“, erklärt Kater. Allerdings sind häufig Zinserhöhungen während einer Boomphase Auslöser eines Kursrutschs. Anleger sollten daher in Wachstumssegmenten unbedingt mit Stoppkursen arbeiten, die regelmäßig angepasst werden. Auf diesem Weg können Gewinne während der Aufschwungphasen eingefahren werden, zudem gelingt bei einem möglichen Absturz der rechtzeitige Ausstieg.

Weiter zur Investor-Info

Investor-Info

Zeichen für eine Blase Irrationale Euphorie

Es gibt mehrere Indikatoren, die auf die Entstehung einer Blase hinweisen. Erstens: Die Medien fokussieren immer stärker auf eine bestimmte Assetklasse wie etwa Öl. Die ersten Bücher zum Thema kommen auf den Markt. Zweitens: Jeder scheint sich auszukennen, es gibt immer mehr Experten zu diesem Thema, die Möglichkeit einer Blasenbildung wird mit scheinbar rationalen Argumenten von allen entschieden verworfen. Der irrationale Überschwang bewirkt, dass die Investoren die tatsächlichen ­Risiken nicht mehr wahrnehmen. Drittens: Die Preise schießen ohne tatsächliche fundamentale Änderung von Angebot und Nachfrage immer weiter nach oben. Viertens: Erste Hinweise auf ein Platzen der Blase ergeben sich, wenn institutionelle Investoren immer stärker auf einen Preisverfall wetten.

HI Varengold CTA Hedge Der Trendfolger für alle Lagen

Managed-Future-Portfolios können von Blasen profitieren, da sie mithilfe von Derivaten sowohl auf starke Aufwärts- als auch Abwärtstrends setzen können. Diese Hedgefondsstrategie hat daher besonders im Krisenjahr 2008 gut funktioniert, als es zu starken Bewegungen auf den Rohstoff- und Aktienmärkten kam. Der Managed-­Future-Dachfonds HI Varengold CTA Hedge ist ein ideales ­Investment zur Depotbeimischung.

Goldman-Sachs-BRICs-Portfolio Gewinnen mit Emerging Markets

Die Märkte in Brasilien, Indien, China und Russland laufen seit 2009 wieder hervorragend. Aufgrund der niedrigen Zinsen in den westlichen Staaten fließt derzeit viel Kapital an die Börsen der aufstrebenden Nationen. Zwar sind die Bewertungen teils ambitioniert, ein weiteres ­Anziehen der Kurse aber durchaus möglich. An­leger sollten unbedingt mit Stoppkursen arbeiten, um bei einem ­möglichen Rückschlag ­Gewinne abzusichern.

Goldinvestments Aktive und passive Fonds

2009 haben Goldinvestoren laut Branchendienst GFMS das erste Mal seit 30 Jahren mehr Gold gekauft als die Schmuckindustrie. Dabei investieren Anleger ­einerseits direkt in Barren und Münzen, andererseits in Gold-ETCs, die eine Art besicherte Schuldverschreibung sind. Diese Papiere bewegen sich in der Regel 1 : 1 mit dem Goldpreis. Einer der größten Anbieter ist das britische Unternehmen ETF Securities mit dem ETFS Gold (ISIN: DE 000  A0K RJZ 9), der in den vergangenen zwölf Monaten um über 22 Prozent zugelegt hat. Für Anleger ebenfalls inte­ressant sind aktiv gemanagte Fonds, die auf Gold­förder­unternehmen setzen. Diese profitieren überproportional von einem Anstieg der Notierungen. Denn jeder Dollar über den Förder­kosten, die derzeit im Schnitt bei rund 700 Dollar je Unze liegen, fließt beinahe vollständig in den Gewinn. Als einer der besten Fonds gilt der BGF World Gold mit der FondsNote 1, der von Evy Hambro gemanagt wird. Der Manager setzt stark auf große Unternehmen wie Newcrest Mining.