Interview

Pimco-Stratege Andrew Balls: "Keine Fortschritte in Europa"

30.08.13 13:35 Uhr

Andrew Balls, der Anlagestratege des weltgrößten Anleihemanagers Pimco, über den Kurs der US-Notenbank und die Wachstumsschwäche in Europa.

von Andreas Hohenadl, Euro am Sonntag

Vom Finanzkommentator zum Finanzmarktakteur: Bevor Andrew Balls 2006 zum weltgrößten Anleihemanager Pimco ging, schrieb er für die „Financial Times“. Heute ist der Bruder des ehemaligen britischen Erziehungsministers Ed Balls bei der Allianz-Tochter Mitglied des Investmentkomitees und leitet das europäische Portfoliomanagement. €uro am Sonntag traf den Anlagestrategen bei einem Besuch in München.

€uro am Sonntag: In den vergangen Monaten sind die Renditen für Staatsanleihen — sowohl in den USA als auch in Deutschland — deutlich angestiegen. Nähert sich die Niedrigzinsphase ihrem Ende?
Andrew Balls:
Auf längere Sicht, sprich in den kommenden drei bis fünf Jahren, erwarten wir, dass die Zinsen steigen. Und ich hoffe, dass sie das tun. Denn wenn nicht, heißt das, dass wir uns weiter mit schwachem Wachstum weltweit herumschlagen müssen. Aktuell jedoch stellen wir fest, dass der Zinsanstieg nicht durch den kurzfristigen wirtschaftlichen Ausblick gerechtfertigt ist. Auf Sicht eines Jahres denke ich deshalb, dass wir wieder ein sinkendes Zinsniveau sehen werden.

Wie kommt es Ihrer Ansicht nach zu dem derzeitigen Zinsanstieg?
Zunächst einmal hat die Fed angekündigt, die Anleihekäufe in den nächsten Monaten zurückzufahren. Das war an sich bereits eine bedeutende Aussage, die obendrein in eine Zeit schwacher BIP-Zahlen und niedriger Inflation fiel. Dazu kam die relativ angespannte Liquiditätslage an den Märkten. Investoren, die mit hohem Fremdkapitaleinsatz agieren, hörten nicht auf die Nuancen der Fed-Tonlage. Sie hörten „Rückzug“ und verkauften, um die Risiken zu reduzieren. Die Folgen dieser technischen Reaktion betrafen viele Sektoren, vor allem Schwellenländer.

Welchen Weg wird die Fed in den kommenden Monaten einschlagen?
Zunächst einmal muss man sich fragen, warum die Fed ihre lockere Geldpolitik zurückfahren will. Zum einen denken sie, dass es die fundamentale Stärke der Wirtschaft erfordert. Daneben jedoch sorgen sie sich um die Folgen ihrer Geldpolitik, etwa was Vermögenspreisblasen angeht. Wenn sich die Fed nicht von den Fundamentaldaten leiten lässt, sondern von ihrer Sorge vor den Nebenwirkungen ihrer Politik, tritt sie vermutlich zu früh auf die Bremse. Das ist unsere Sorge.

Wann wird die Fed beginnen, ihre Anleihekäufe zurückzufahren? Schon in den nächsten Monaten?
Sehr wahrscheinlich. Sie wird dabei wohl recht moderat vorgehen. Und sie wird klarzumachen versuchen, dass deshalb eine Zinserhöhung nicht früher als erwartet kommt. Die Märkte rechnen 2014 damit. Wir denken, dass die Zinsanhebung wesentlich später kommen wird.

Wie agieren Sie als Investor derzeit in Europa?
Nach dem Bekenntnis von EZB-Chef Draghi zum Euro haben wir Mitte des vergangenen Jahres Anleihen der Peripherieländer gekauft. Nun sind wir in Spanien und Italien wieder untergewichtet. Das Wachstum dort wird über die kommenden drei bis fünf Jahre schwach bleiben. In den kleineren Peripherieländern sind wir überhaupt nicht engagiert. Wir sind überzeugt: Die Eurokrise ist noch nicht vorbei.

Was macht Sie so skeptisch?
Europas Politiker machen keine wirklichen Fortschritte in Sachen Bankenunion oder gemeinsamer Fiskalpolitik. Und sie haben keine wirkliche Wachstumsstrategie, außer darauf zu hoffen, dass der Rest der Welt wächst und Europa mitzieht. Draghis Versprechen wirkt zwar immer noch als Beruhigungsmittel, aber wir befürchten, dass die Märkte irgendwann wieder stärker auf die Fundamentaldaten blicken.

Was könnte sich nach den Wahlen in Deutschland verändern?
Wir erwarten nicht, dass sich an der grundsätzlichen Haltung der Bundesregierung viel ändert. Vielleicht wird es Fortschritte beim Aufbau einer Bankenunion geben.

Das dürfte nicht ausreichen, oder?
Das grundlegende Problem bleibt: Wenn Deutschland eine Stabilisierung der Eurozone will, muss es zulassen, dass Risiken vergemeinschaftet werden. Eine Währungsunion ohne eine gemeinsame Fiskalpolitik funktioniert nicht. Wir denken, dass es über die kommenden drei bis fünf Jahre eine ­ stärkere Vergemeinschaftung von Risiken geben wird.

Investor-Info

Pimco
Der Anleiheriese

Pacific Investment Management, kurz Pimco, ist der größte Anleiheinvestor der Welt. Ende Juni verwaltete die im kalifornischen Newport Beach ansässige Gesellschaft 1.970 Milliarden US-Dollar an Anlagevermögen. Bekanntester Kopf des Unternehmens, das seit dem Jahr 2000 zum Allianz-Konzern gehört, ist Mitgründer Bill Gross. Er leitet den größten ­Rentenfonds der Welt, den Pimco Total Return, mit ­einem Anlagevermögen von rund 260 Milliarden Dollar. Andrew Balls steht dem europäischen ­Investmentteam in London und München vor.

Pimco Global Advantage Fund
Die etwas andere Weltsicht

Dieser Rentenfonds, den Andrew Balls zusammen mit Mohamed El-Erian und Ramin Touloui managt, orientiert sich am Global Advantage Bond Index (Gladi), den Pimco selbst konstruiert hat. In diesem Index werden Länder und Regionen nach ihrem Brutto­inlandsprodukt gewichtet. Traditionelle Rentenindizes gewichten nach Marktkapitalisierung, weshalb Länder mit hohen ausstehenden Schulden weit vorn rangieren. Konkret heißt das: Im Gladi ­erhalten Schwellenländer ein höheres Gewicht und hoch verschuldete Industrieländer ein geringeres Gewicht als in normalen Rentenindizes. Eine Strategie, mit der Pimco der zunehmenden Bedeutung der aufstrebenden Länder gerecht werden will — aber auch stärker deren Risiken ausgesetzt ist. So fiel der Kursrutsch infolge des Ausverkaufs der Schwellenländerbonds seit Mai etwas heftiger aus als bei den typischen global anlegenden Anleihefonds.