Euro am Sonntag

Fondsexperte van Hyfte: Kein Schwarz-Weiß-Denken

24.12.18 08:00 Uhr

Fondsexperte van Hyfte: Kein Schwarz-Weiß-Denken | finanzen.net

Nachhaltigkeit: Der Candriam-Experte erklärt, weshalb grüne Fonds manchmal umstrittene Entscheidungen treffen.

von Andreas Höss, Euro am Sonntag

Was suchen Aktien von Minengesellschaften in Ökofonds? Und weshalb investieren nachhaltige Fonds auch in andere dreckige Branchen wie Öl oder Gas ? Wim van Hyfte, der als Chef für nachhaltige Investments bei der Fondsgesellschaft Candriam Fonds wie den SRI Equity World betreut (siehe Fonds im Fokus), über Abwägungen und strittige Positionen in grünen Portfolios.



€uro am Sonntag: Herr van Hyfte, Ökofonds kämpfen oft mit dem Vorwurf, sie seien Mogelpackungen. Auch in Ihren Fonds finden sich zum Beispiel Aktien von Minengesellschaften. Weshalb investieren Sie in solche dreckigen Branchen?
Wim van Hyfte:
Metall- und Bergbauunternehmen stellen Aluminium, Lithium, Kupfer oder Kobalt her. Diese Rohstoffe braucht man für Elektroautos und damit für die Begrenzung der Erderwärmung. Die "dreckigen" Minen sind also Teil einer sauberen Lösung.

Kann man überhaupt mit gutem Gewissen in solche Firmen investieren? Sie fördern in Ländern wie dem Kongo und treten Umweltstandards und Arbeitnehmerrechte oft mit Füßen.
Wir müssten uns weniger rechtfertigen, wenn wir keine Minenaktien kaufen würden. Schwarz-Weiß-Denken wird uns jedoch nicht weit bringen, wir wollen lieber Teil einer pragmatischen Lösung sein. Wenn die Produktionspraktiken eines Minenkonzerns zu schmutzig sind oder das Unternehmen die Grundrechte nicht respektiert, investieren wir nicht. Ist der Konzern relativ sauber und gut geführt, kaufen wir seine Aktien.


Aha, der Best-in-Class-Ansatz.
Der Ansatz bietet ein breites Spektrum an Investitionsmöglichkeiten und führt gleichzeitig zu einer Neudefinition und Verbesserung der Industriestandards in weniger sauberen Sektoren. Er macht Unternehmen einer Branche vergleichbar und hilft beim Abwägen. Genau das müssen wir täglich. Unsere Entscheidungen als Investor verändern die Welt, in der wir leben. Außerdem können wir nur dann positiven Einfluss auf einen Konzern nehmen, wenn wir Teilhaber sind. Als aktive Eigentümer können wir Druck ausüben, um bestimmte Praktiken zu verbessern.

Wie tun Sie das?
Wir nutzen unsere Stimmrechte auf Hauptversammlungen. Und wir diskutieren direkt mit Konzernen über Themen wie Menschenrechte, Arbeitsbedingungen oder Umweltstandards. Mit Rio Tinto haben wir zum Beispiel mehrfach unter anderem über den Umgang mit Arbeitnehmern gesprochen. Wir arbeiten auch mit anderen Aktionären zusammen, um unsere Bedenken zu äußeren und eine stärkere Wirkung zu erzielen.


Wie erfolgreich sind Sie dabei?
Nicht jeder Dialog endet mit ­einem positiven Ergebnis, und manche Konzerne liefern nur Lippenbekenntnisse, ändern aber nichts. Ist das so, müssen wir eben wieder aussteigen.

Es gibt Branchen, in die Sie gar nicht investieren, Kohle und Tabak zum Beispiel. Wieso weiten Sie diese Ausschlüsse nicht auch auf die Ölbranche aus?
Bei Tabak ist ein Ausschluss leicht, denn es gibt keine gesunden Zigaretten. Aber seien wir nicht naiv: Vom Öl kommen wir nicht so schnell los. Bis nur noch Elektroautos unterwegs sind, wird es lange dauern. Außerdem neigen die Menschen dazu, zu vergessen, dass Öl nicht nur ein Energiethema ist. Die chemische und verarbeitende Indus­trie verwendet Öl in ihren Prozessen und Produkten. Oder denken wir an die große Bandbreite an synthetischen Materialien, die auf Öl basieren. Deshalb investieren wir weiter in Ölkonzerne. Aber eben nur in solche, die am besten aufgestellt sind, wie etwa Equinor.

Unternehmen schimpfen oft, dass ein gutes Geschäftsgebaren schlecht für den Geldbeutel sei. Verstehen Sie den Einwand?
Man kann das auch andersherum betrachten, denn nicht alle Geschäftsrisiken erkennt man sofort in den Konzernbilanzen. Der VW-Skandal und die Auto­branche sind da gute Beispiele. Facebook ist ein weiteres Paradebeispiel. Der fragwürdige Umgang mit Kundendaten und Datenschutzrichtlinien hat sich dort bereits gerächt.


Bildquellen: Michel de Bray/Candriam, wk1003mike / Shutterstock.com