Afrika weckt Kursfantasie: Was wirklich dran ist
Nigeria, Ägypten und Südafrika sind die größten Volkswirtschaften des Schwarzen Kontinents. Ölpreis, Reformen und China bieten neue Chancen - doch Risiken sind weiterhin vorhanden.
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von Jörg Billina, Euro am Sonntag
Keine Stadt auf der Welt wächst schneller als Lagos City. 20 Millionen Menschen leben bereits in der Wirtschaftsmetropole Nigerias. Jährlich steigt die Zahl um mehr als 700.000. Doch die Infrastruktur ist nur auf
acht Millionen Einwohner ausgerichtet. Strom und Wasser sind knapp. Zwei Drittel der Bewohner leben in Slums.
Die Finanzelite Nigerias residiert dagegen auf der zu Lagos gehörenden Insel Victoria Island. Dort hat auch Aliko Dangote sein Domizil. Mit einem Vermögen von 14 Milliarden Dollar ist er der reichste Mann Nigerias. Eine ganze Reihe der zum Dangote-Imperium zählenden Unternehmen ist an der Börse gelistet. Sie bringen es auf ein Drittel der gesamten Marktkapitalisierung der Nigeria Stock Exchange.
Im Handelsraum an der Customs Road herrscht endlich wieder bessere Stimmung. Die Kurse sind angesprungen. Nicht nur lokale, auch ausländische Investoren kommen zurück. Der in New York gelistete Nigeria-ETF war in den vergangenen Tagen stark gesucht. Die ökonomischen Perspektiven hellen sich auf. Die Ratingagentur Moody’s hält im laufenden Jahr ein Wachstum von zwei und 2018 von vier Prozent für möglich. Im Vergleich zu früheren Jahren ist das wenig. 2010 legte das Bruttoinlandsprodukt um elf Prozent zu. Ein wenig Optimismus löst die Moody’s-Prognose dennoch aus.
Ölpreisverfall drückt Börse
Gut für Dangote und Nigeria-Investoren. Sie haben seit Juni viel Geld verloren. Ausgelöst wurde die Börsentalfahrt durch den Ölpreisverfall. Der schwarze Rohstoff macht 95 Prozent der Exporterlöse aus. 2016 rutschte Nigeria zum ersten Mal seit 1987 in eine Rezession. Die Wirtschaftsleistung fiel um 1,5 Prozent, das Haushaltsdefizit erreichte knapp fünf Prozent. Reiche Nigerianer fürchteten um ihr Kapital und schafften es außer Landes. Nigerias Währung, der Naira, schwächte sich gegenüber dem US-Dollar um 40 Prozent ab, die Inflation stieg auf mehr als 18 Prozent. Nigerias Notenbank musste handeln: Sie hob den Leitzins auf 14 Prozent an. Inzwischen haben sich Naira und Ölpreis wieder etwas erholt.
Geheimdienst hortet Geld
Doch das reicht nicht. Die dramatische Entwicklung hat Nigerias Regierung einmal mehr vor Augen geführt, wie dringlich Reformen sind. Ihr im März veröffentlichter Economic and Recovery Plan geht in die richtige Richtung. Die Wirtschaft soll diversifiziert, die Infrastruktur ausgebaut, die Steuerbasis erweitert und privates Unternehmertum gefördert werden. Wird der Maßnahmenkatalog umgesetzt, dürften Afrika-Fondsmanager den Nigeria-Anteil in ihren Portfolios erhöhen. Noch aber sind sie vorsichtig.
Dennoch gibt es ermutigende Zeichen. Der Wirtschaftsplan sieht einen verstärkten Kampf gegen Korruption vor. In den vergangenen Monaten wurde viel veruntreutes Geld sichergestellt. Zuletzt fand man in einer Wohnung in Lagos 44 Millionen Dollar. Nigerias Geheimdienst steht im Verdacht, die Mittel aus einem Fonds für humanitäre Hilfe abgezweigt zu haben. Gegen den mächtigen Chef ermitteln die Korruptionsbehörden.
Wesentlich weiter auf dem Reformweg vorangeschritten als Nigeria ist Ägypten. "Die Regierung hat in enger Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds IWF den Wechselkurs flexibilisiert, Investitionshemmnisse abgebaut und staatliche Unterstützungen für Strom und Treibstoff verringert", lobt Malek Bou-Diab, Fondsmanager des BB African Opportunities. Zudem wurde die Mehrwertsteuer erhöht.
Doch die Maßnahmen treffen die Bevölkerung hart. Die Inflationsrate steht bei 23 Prozent, offiziellen Angaben zufolge sind 13 Prozent der Ägypter ohne Job. Der Abbau staatlicher Unterstützungsleistungen ist aber nach Ansicht des IWF in Washington zwingend, um einen nachhaltigen Aufschwung einzuleiten und die Finanzlage zu stabilisieren. Ägypten gebe rund 90 Prozent seines Budgets für Löhne, Subventionen und Zinsen aus, erläutert Bou-Diab: "Nur zehn Prozent bleiben für Investitionen übrig."
Zwölf Milliarden Dollar hat der IWF Kairo im Gegenzug für Reformen als Kredit bewilligt. Die erste Tranche wurde bereits ausgezahlt. Der neue Kurs in Kairo kommt bei den Investoren gut an. Der Index EGX 30 legte seit Anfang November um rund 55 Prozent zu. "Wenngleich die nunmehr eingeleitete Transitionsphase nicht geradlinig verlaufen dürfte, so zeichnen doch die makroökonomischen Indikatoren Monat für Monat ein besseres Bild", sagt Bou-Diab.
Investment Grade verloren
Neuen Schwung könnte auch Südafrika gut gebrauchen. Das Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr bestenfalls um 1,3 Prozent zulegen. Das Land am Kap liegt damit weit unter seinen Möglichkeiten. Schon gar nicht reicht die Zunahme, um die Arbeitslosigkeit von 25 Prozent zu reduzieren.
Doch von Jacob Zuma sind keine Konjunkturimpulse zu erwarten. Ganz im Gegenteil. Der 75-jährige Staatschef ist in erster Linie am Erhalt seiner Macht interessiert. Die nutzt er zum persönlichen Vorteil, nicht aber zum Wohl des Landes. Seit Zuma an der Spitze steht, verschlechterte sich das Geschäftsklima deutlich. Seine Schuld ist es auch, dass das Land sein gutes Rating verlor. S & P stufte im April die Bonität auf Ramsch mit negativem Ausblick. Zuma hatte den von Investoren hoch geschätzten Finanzminister Pravin Gordhan aus dem Kabinett geworfen. Seinem Nachfolger trauen die Investoren nicht zu, Zumas Wunsch nach Ausgabensteigerungen für seine Wähler zu widerstehen.
Vom Rating-Schock hat sich die Börse in Johannesburg mittlerweile erholt. Der Index FTSE/JSE All Share erreichte vor Kurzem den höchsten Stand seit Juni 2016. Weitere Kursfantasie entzündet sich unter anderem an erhöhter Rohstoffnachfrage aus China. Das politische Risiko bleibt aber weiterhin hoch.
Zwar keimt unter den Investoren immer wieder Hoffnung auf, Zuma werde noch vor den nächsten Wahlen im Jahr 2019 aus dem Amt gejagt. Ob er aber durch einen reformfreudigen sowie integren Politiker ersetzt und es einen reibungslosen Übergang geben wird, ist keinesfalls sicher.
Investor-Info
BB African Opportunities
Warten auf Reformen
Die Anlagechancen Afrikas prüft Fondsmanager Malek Bou-Diab immer wieder vor Ort. Derzeit hat er 24 Prozent der Mittel in ägyptische Unternehmen investiert. Der Südafrika-Anteil beträgt 17 Prozent, auf nigerianische Aktien entfallen nur fünf Prozent. Eine Erhöhung macht Bou-Diab von der Umsetzung von Reformen abhängig. Auf Sicht von einem Jahr bringt es der Fonds auf plus 2,6 Prozent.
Robeco Afrika Fonds
Kräftig am Kap investiert
Manager Cornelis Vlooswijk hat Nigeria mit rund zehn Prozent, Ägypten mit acht und Südafrika mit 46 Prozent gewichtet. Hinzu kommen Aktien unter anderem aus Ghana, Kenia und Marokko. Zu den Top-Ten-Werten zählen der Medienkonzern Naspers aus Südafrika und Kenias Telekomkonzern Safaricom. Binnen eines Jahres ein Plus von 14,7 Prozent.
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