Euro am Sonntag-Anleihe-Tipp

Wandelanleihen: Die unbekannten Wesen

30.01.17 15:00 Uhr

Wandelanleihen: Die unbekannten Wesen | finanzen.net

Die Mischung aus festverzinslichem Wertpapier und Aktie ist in vielen Depots kaum vertreten. Zu Unrecht. Wo die Chancen liegen, wie Anleger richtig investieren.

von Christoph Platt, Euro am Sonntag

Einen guten Cocktail zu mixen ist eine Kunst. Das Verhältnis der Zutaten muss stimmen, um etwa aus Limettensaft, Sodawasser, Minze, Rohrzucker und weißem Rum einen leckeren Mojito zu kreieren.



Kunstvolle und schmackhafte Mixturen gibt es auch in der Investmentbranche. Eine der ungewöhnlichsten ist die Wandelanleihe - eine Mischung aus festverzinslichem Wertpapier und Aktie. So leicht verständlich wie ein Cocktailrezept ist sie allerdings nicht. Ihre Komplexität ist der Hauptgrund, warum sie selten in Depots von Privatanlegern zu finden ist. Diese täten aber gut daran, sie auszuprobieren. Denn die Wandler, wie sie verkürzt genannt werden, besitzen ein einzigartiges asymme­trisches Rendite-Risiko-Profil. Als Faustregel gilt, dass sie an Aufwärtsbewegungen des Aktienmarkts zu zwei Dritteln par­tizipieren, an Abwärtsbewegungen aber nur zu einem Drittel.

Zwitterwesen

Wandelanleihen sind festver­zinsliche Wertpapiere, die von Aktiengesellschaften begeben werden. Als Anleihen haben sie eine Laufzeit, an deren Ende sie zu 100 Prozent zurückgezahlt werden. Außerdem erhalten die Anleiheeigner im Regelfall Zinsen. Von gewöhnlichen Unternehmensanleihen unterscheiden sich die Papiere durch ihr Wandlungsrecht, das den Umtausch der Anleihe in Aktien desselben Unternehmens zu einem vorher festgelegten Verhältnis ermöglicht.

Steigt der Kurs der Aktie des Emittenten, steigt auch der Kurs der Wandelanleihe. Denn ein Umtausch in die Aktie erscheint immer attraktiver. Fällt der Kurs der Aktie, fällt der Kurs des Wandlers. Ein Komplettabsturz ist aber nicht möglich: Der An­leger hat - sofern der Emittent nicht pleitegeht - die Sicherheit, am Ende der Laufzeit zumindest den Nennwert der Anleihe zu ­erhalten. Es gilt: Je höher eine Wandelanleihe über ihrem Nennwert notiert, desto eher verhält sie sich wie die entsprechende Aktie; je niedriger der Kurs, desto eher ähnelt sie einer gewöhnlichen Anleihe.


Die Papiere haben mehrere Vorteile. Das asymmetrische Profil sorgt dafür, dass Wandelanleihen auf lange Sicht deutlich höhere risikoadjustierte Renditen abwerfen als Aktien. Anleger erhalten also für das eingegangene Risiko - die Volatilität des Wertpapiers - mehr Ertrag. Betrachtet man die vergangenen 20 Jahre, liegt die jährliche Durchschnittsrendite globaler Wandelanleihen mit 6,6 Prozent bereits etwas höher als die von Aktien mit 6,5 Prozent. Die wahre Stärke von Wandlern zeigt sich aber bei der Volatilität, die mit 10,5 Prozent viel geringer ausfällt als bei Aktien mit ihrer Volatilität von 14,5 Prozent.

Kürzere Leidenszeit

Auch in schwachen Marktphasen überzeugen die Papiere: Die Zeiträume, in denen sie im Minus liegen, sind im Schnitt kürzer als bei Aktien. "Wandelanleihen kommen schneller aus dem Tal der Tränen heraus", veranschaulicht Peter Reinmuth, Fondsmanager des Schroder Global Convertible Bond.

Ein weiterer Vorteil: Wandelanleihen nehmen Anlegern Timing-Entscheidungen ab. Bei steigenden Kursen wird das ­Papier immer aktienähnlicher, partizipiert also zunehmend an der Hausse. Bei fallenden Märkten wächst dagegen die Kapitalschutzkomponente, weil das ­Papier einer gewöhnlichen Anleihe immer ähnlicher wird.


Andererseits bieten Wandler weniger Zinsen als normale Unternehmensanleihen - ein Ausgleich für das Recht, die Anleihe in Aktien umtauschen zu dürfen. "Die anhaltende Niedrigzins­phase hat dazu geführt, dass verlässliche Schuldner auf Wandelanleihen oft keinen Kupon mehr zahlen müssen", berichtet Andrei Pashko, Fondsmanager des Deka-Wandelanleihen. Bei derartigen Papieren lässt sich ausschließlich über Kursanstiege Geld verdienen.

Hohe Hürden

Für Privatanleger ist der Einstieg in Wandler faktisch nur über Fonds möglich. Ein direktes Engagement scheitert oft daran, dass die Papiere meist eine Stückelung von 100.000 Euro haben und damit für Privatan­leger nicht erschwinglich sind. Hinzu kommt, dass Wandel­anleihen sehr komplex sind, der ideale Zeitpunkt für Kauf und Verkauf sowie die etwaige Ausübung des Wandelrechts gefunden werden muss und die Papiere im Lauf der Zeit ihr Wesen verändern können.

Die rund 100 Wandelanleihefonds, die hierzulande verfügbar sind, unterscheiden sich in mehreren Punkten. Einige konzentrieren sich auf bestimmte Regionen, manche sichern Währungen ab, andere nicht. Wichtigster Unterschied ist aber das Rendite-Risiko-Profil. Die Fondsmanager haben die Wahl, Wandelanleihen zu kaufen, die sich eher wie Anleihen verhalten, oder solche, die Aktien ähneln. Damit richten sie sich an Anleger mit unterschiedlicher Risikobereitschaft. Die Aktienhausse der vergangenen Monate hat auch die Kurse vieler Wandelanleihen nach oben gezogen. "Wandler sind etwas höher bewertet als noch vor drei Monaten", sagt Schroders-Manager Reinmuth, "doch teuer sind sie nicht."

Trotz der gestiegenen Bewertung bleibt das Anlagesegment aussichtsreich. Weil höhere Zinsen drohen, stehen normale Anleihen unter Druck: Ihre Kurse sinken, wenn das Zinsniveau steigt. Davon werden zwar auch Wandler belastet, doch zu Zins­erhöhungen kommt es meist dann, wenn die Inflation anzieht und es der Wirtschaft besser geht - beides gute Grund­lagen für steigende Aktien- und damit für steigende Wandlerkurse. "Kursverluste infolge eines Zinsanstiegs werden durch die positive Reaktion auf steigende Aktienkurse überkompensiert", sagt Reinmuth.

Eine weitere Besonderheit des Wandelanleihemarkts macht ihn derzeit zusätzlich attraktiv. "Zu den Emittenten zählen besonders viele zyklische Unternehmen", sagt er. Und die sind seit dem Wahlsieg von Donald Trump besonders begehrt, weil Anleger hoffen, dass der neue Präsident die Wirtschaft ankurbelt. Generell sind die Aussichten für die USA gut. "Der US-­Aktienmarkt sollte auf die fis­kalische Unterstützung positiv ­reagieren", sagt Deka-Manager Pashko. "Davon würden Wandelanleihen als gekoppelte Anlageklasse profitieren."

Keine Angst vor Volatilität

Auch mit einer höheren Volatilität infolge zunehmender Unsicherheit an den Märkten können Wandler umgehen: Bei steigenden Schwankungen wächst der Wert der enthaltenen Optionskomponente und damit der Wert der Anleihe. "Generell ist ein Umfeld steigender Zinsen, zunehmender Volatilität und positiver Aktienmärkte gut für Wandelanleihen", sagt Roland Hotz, Portfoliomanager beim auf Wandelanleihen spezia­lisierten Vermögensverwalter Fisch Asset Management. Die aktuelle Marktlage sollte An­leger also noch mehr als sonst auf den Geschmack von Wandlern bringen.

Investor-Info

Schroder Gl. Convertible Bond
Forsches Vorgehen

Der Schroder Global Convertible Bond zählt zu den offensiven Wandelanleihefonds und versteht sich nicht als Produkt für festverzinsliche Wertpapiere. Manager Peter Reinmuth sucht weltweit nach Wandlern, die sich ähnlich wie Aktien verhalten. Der Fonds partizipiert zu etwa 75 bis 80 Prozent an Aufwärtsbewegungen des Aktienmarkts, aber nur zu 50 Prozent an Abwärtsbewegungen.

Deka-Wandelanleihen
Gemäßigte Ausrichtung

Wer es konservativer mag, findet im Deka-­Wandelanleihen ein gutes Produkt. Es reagiert auf Bewegungen des Aktienmarkts weniger stark als der Schroders-Fonds. Manager ­Andrei Pashko kauft vor allem europäische Wandler, US-Papiere werden beigemischt. Rund 85 bis 90 Prozent des Portfolios notieren in Euro oder sind währungsgesichert.

Bildquellen: Sergey Nivens / Shutterstock.com, Karyne Levy / Business Insider