Die zirkuläre Zukunft der Bau- und Immobilienwirtschaft
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Deutschland gehört zu Top 5 Ländern, was den Verbrauch von Ressourcen angeht. Daher wundert es auch kaum, dass der deutsche Earth Overshoot Day in den letzten Jahren bereits auf den Monat Mai fiel.
Mit diesem sogenannten Erdüberlastungstag wird der Zeitpunkt markiert, an dem das jährliche Ressourcen-Budget ausgeschöpft und somit alle natürlichen Ressourcen für das Jahr aufgebraucht werden. Bedenkt man nun, dass die Bau- und Immobilienwirtschaft in Deutschland rund 90 % der geförderten mineralischen Rohstoffe verbaut, so wird das gewaltige Potenzial, das hier steckt, mehr als deutlich. Umso erfreulicher ist es, dass mit dem EU Green Deal und den Rahmenwerken wie ESG und EU Taxonomy das Thema Circular Economy endlich einen ganz neuen und vor allem verdienten Stellenwert erhält. Damit kommt auch mehr Tempo in das bisher eher langsam vorangeschrittene Umdenken vom linearen Effizienzpfad hin zu einer Circular Economy - und das sogar schneller als erwartet. So wächst auch das Bewusstsein der Bau- und Immobilienakteure für die Bedeutung und Vorteile eine konsequente Kreislaufwirtschaft vom Tag zu Tag weiter. Vielmehr noch: Es zeichnet sich hier eine deutliche Entwicklung in Richtung Circular Real Estate, also eine kreislauffähige Immobilienwirtschaft, ab.
Hersteller setzen auf kreislauffähige Produkte
Fest steht: Um zirkuläres Bauen zu etablieren und von einzelnen Leuchtturm-Projekten zu einem flächendeckenden Einsatz zu kommen, braucht es schadstofffreie, trennbare und vollständig recycelbare Produkte. Ein Konzept, das dabei branchenübergreifend immer mehr Zuspruch findet, ist Cradle to Cradle, kurz C2C. Auch wenn es noch Luft nach oben gibt, so lässt sich dennoch feststellen, dass immer mehr Hersteller auf C2C-zertifizierte Bauprodukte setzen bzw. ihre Produkte in dieser Hinsicht optimieren. So ist die Anzahl der Bauprodukte, die dem Cradle to Cradle-Prinzip entsprechen, in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Newcomer in diesem Bereich sind zum Beispiel Firmen wie die GROHE AG, Hersteller von Armaturen und Sanitärprodukten, oder der Anbieter von Befestigungs- und Montagetechnik WÜRTH. Das zeigt, dass Cradle to Cradle als kreislauffähiges Prinzip und Grundlage für die Circular Economy kein Nischenthema mehr ist, sondern ein in der Branche bereits etabliertes Konzept.
Gebäude mit Mehrwert
Doch nicht nur für Hersteller ist das C2C-Konzept zukunftsweisend. Auch für Investoren, Projektentwickler und Bauherren stellt Cradle to Cradle eine große Innovationschance dar. Denn es bietet neben der Klima- und Ressourcenschonung und der Erfüllung von EU-Anforderungen auch einen klaren betriebswirtschaftlichen Nutzen. So haben die Berechnungen von Drees & Sommer und TS Advisory ergeben, dass Cradle to Cradle eine Wertsteigerung von bis zu zehn Prozent in Relation zu konventionellen Gebäuden ermöglichen kann. Denn das für die Baustoffe gebundene Kapital geht nicht vollends verloren wie heute üblich, sondern wird ähnlich einer mittel- bis langfristigen Wertanlage wieder mit der Wiederverwertung freigegeben. Die Immobilie wird damit zum Rohstoffdepot, dessen Wert in Zeiten einer sich verschärfenden Rohstoffknappheit zudem kontinuierlich steigen kann.
Digitales Materialkataster für Circular Real Estate
Einen großen Schub zur Etablierung von Circular Economy gibt auch die vor Kurzem hierzulande gegründete Plattform Madaster. Als digitales Materialkataster für das Branchen-Ökosystem Circular Real Estate bietet Madaster Deutschland Lösungen für die dringenden Fragen der Ressourcenverwendung in einer echten Kreislaufwirtschaft. Denn die Plattform stellt nicht nur Informationen über die Herkunft und Qualität von Bauprodukten zur Verfügung, sondern bietet auch eine Grundlage für die Ermittlung von material- und gebäudespezifischen Kennzahlen. Rohstoffwerte werden dadurch transparent und die Immobilien zu wahren Rohstoffdepots.
Kurzum: Zirkuläre Konzepte wie Cradle to Cradle in Kombination mit digitalen Plattformen und Tools wie Madaster werden eine kreislauffähige Immobilienwirtschaft zur Realität werden lassen. Wichtig ist: Eine echte Kreislaufwirtschaft beginnt mit dem richtigen Mindset und betrifft nicht nur Produkte, sondern auch unternehmensinterne und -externe Prozesse und damit ganze Ökosysteme.
Autor: Dr. Peter Mösle
Dr. Peter Mösle begleitet seit 1996 von Stuttgart aus zahlreiche Projekte in Deutschland und im Ausland auf den Weg zu Green Buildings. Neben den Bereichen Energiedesign und Energiemanagement und nachhaltige Quartiersentwicklung treibt er das Thema Cradle to Cradle® gemeinsam mit der EPEA GmbH - Part of Drees & Sommer in der Baubranche voran. Peter Mösle ist Mitglied des Präsidiums des DGNB und als Vorsitzender für den Bereich Systementwicklung und Nachhaltige Stadtquartiere verantwortlich. Er studierte bis 1996 Maschinenbau mit der Fachrichtung Energietechnik an der Universität Stuttgart und Tucson, USA und promovierte 2009 an der Universität Stuttgart.
Drees & Sommer: Innovativer Partner für Beraten, Planen, Bauen und Betreiben.
Als führendes europäisches Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmen begleitet Drees & Sommer private und öffentliche Bauherren sowie Investoren seit 50 Jahren in allen Fragen rund um Immobilien und Infrastruktur – analog und digital. Durch zukunftsweisende Beratung bietet das Unternehmen Lösungen für erfolgreiche Gebäude, renditestarke Portfolios, leistungsfähige Infrastruktur und lebenswerte Städte an. In interdisziplinären Teams unterstützen die rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an weltweit 46 Standorten Auftraggeber unterschiedlichster Branchen. Alle Leistungen erbringt das partnergeführte Unternehmen unter der Prämisse, Ökonomie und Ökologie zu vereinen. Diese ganzheitliche Herangehensweise heißt bei Drees & Sommer „the blue way“.
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Bildquellen: Drees&Sommer