Drees & Sommer

Bauen im Bestand: Alle Zeichen stehen auf Veränderung

02.09.21 15:36 Uhr

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"Nichts ist so beständig wie der Wandel." Das Zitat des griechischen Philosophen Heraklit passt eigentlich immer. Warum es gerade jetzt auf Bestandsimmobilien besonders gut zutrifft? Das hängt mit der Klimapolitik und gesellschaftlichen Veränderungen zu tun. Noch spannender als die Gründe sind die Schlüsse, die Investoren, Eigentümer und Betreiber daraus ziehen sollten.

Autor: Prof. Dr. Thomas Harlfinger, Partner der Drees & Sommer SE

Die Bau- und Immobilienwirtschaft befindet sich im Umbruch. Gesellschaftliche Entwicklungen wie der Klimawandel und die Corona-Pandemie erzeugen vielschichtige, sich teilweise überlagernde Veränderungen.

Klimawandel befeuert Sanierungen

Der Klimawandel ist Realität! Mittlerweile besteht politischer Konsens über dessen gravierende Auswirkungen. Klimaneutralität bis 2050 - indem die Europäische Union dieses Ziel ausrief, legte sie auch die wesentlichen ordnungspolitischen Rahmenbedingungen fest, mit den sie den Klimawandel eindämmen will.

Es sind vor allem zwei Bausteine der Klimapolitik, die sich unmittelbar auf die Bau- und Immobilienwirtschaft auswirken. Zum einen ist die Besteuerung von CO2-Emissionen gemeint, welche die überwiegende Mehrheit aller Wirtschaftssektoren betrifft. Zum anderen erzeugt die Einführung der ESG-Kriterien (Ecologic, Social, Governance) für die Kapitalanlage in Immobilien eine wesentliche Lenkungskraft.

Auf den Immobilienbestand in Deutschland und Europa wirkt sich das massiv aus. Eine weitergenutzte, optimierte Bestandsimmobilie wird aus der Klimaschutzperspektive zunehmend die beste Wahl sein! Dies hat die Politik erkannt und bietet der Immobilienwirtschaft mit dem Europäischen Aufbaufonds ein umfangreiches Förderprogramm zum Klimaschutz. Durch ein Bündel aus Förderungsanreizen soll die Sanierungsrate in den kommenden Monaten und Jahren verdoppelt werden!

Der Gebäudesektor ist für mehr als ein Drittel des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen in Europa verantwortlich: Ein sanierter und verbesserter Gebäudebestand in der EU wird zu einem kohlenstoffarmen und sauberen Energiesystem beitragen. Die Sanierung öffentlicher und privater Gebäude ist in diesem Zusammenhang eine wesentliche Maßnahme. Im Europäischen Green Deal gilt sie als Schlüsselinitiative, um die Energieeffizienz im Bau- und Immobiliensektor zu steigern.

Wenn es darum geht, die ESG-Ziele einzuhalten, nehmen Regulierungsbehörden, Investoren, Stakeholder und die Öffentlichkeit immer häufiger Immobilienunternehmen in die Pflicht. In Zukunft werden deshalb nur ESG-konforme Bestandsimmobilen über eine attraktive Fungibilität und damit Drittverwendungsfähigkeit verfügen. Sowohl für den Bestandshalter als auch für den Nutzer gilt es jetzt gleichermaßen, den ESG-Anforderungen an Materialität, CO2- und Energieverbrauch zu entsprechen.

Corona als Gamechanger für viele Segmente

Unbestritten hat die Corona-Pandemie während und nach ihrem Auftreten zu grundlegenden Veränderungen in unserer Gesellschaft geführt. Neue Wohn-, Einkaufs-, Reise- und Arbeitsweltbedürfnisse beeinflussen die Nachfrage und die Anforderungen an Bestandsimmobilien maßgeblich.

Was die Arbeitswelt betrifft, so hat die Pandemie den Startschuss zu einem nie dagewesenen Digitalisierungs-Sprint gegeben. Vor allem im Dienstleistungssektor deckte dieser signifikante Effizienzpotenziale auf. Das temporäre Leben und Arbeiten von zu Hause hat die Anforderungen an Büro- und Wohnimmobilien neu definiert. Große Unternehmen wie BMW, Siemens und Allianz bieten ihren Mitarbeitenden flexibles Arbeiten. Das "Next level of work" reduziert einerseits die quantitativen Flächenbedarfe in Büroimmobilien. Anderseits haben sich die Anforderungen an die verbleibenden Büroflächen deutlich gewandelt. Mehr Kollaboration in Kombination mit einer erhöhten Sharing-Rate führt Dienstleistungsunternehmen zu neuen Bürokonzepten.

Darüber hinaus hat die Corona-Pandemie zu veränderten Einkaufs- und Reisebedürfnissen geführt. Das bekommen vor allem Handels- und Hotelimmobilien zu spüren - quantitativ wie qualitativ. Im Hotelsegment ist eine deutliche Konsolidierungsbewegung zu erwarten. Nach einer zehnjährigen Boomphase in der Hotellerie dämpfen das veränderte Nutzerverhalten und das "Next level of work" diese Entwicklung nachhaltig. Es ist davon auszugehen, dass geschäftliche Reisen abnehmen. Für den Betreiber und den Eigentümer einer Hotelimmobilie bleibt es deshalb wichtig, deren einzigartiges Nutzerversprechen konzeptionell und baulich weiter auszugestalten - insbesondere im Bestand. Nur so haben sie die Chance, erfolgreich aus dem harten Verdrängungswettbewerb hervorzugehen.

Handelsimmobilien erfüllen für unsere Innenstädte eine vitalisierende Funktion. Nicht zuletzt in der Pandemie, als der Online-Handel vorherrschte, verloren sie zeitweise deutlich an Attraktivität. Bestandshalter und Betreiber von Handelsimmobilien stehen nun im Wettbewerb um die verbliebenen Kunden. Gute Chancen haben sie, wenn sie ihr Silo-Denken ad acta legen und gemischte Konzepte verfolgen. Wohnen über dem Supermarkt, über der Arztpraxis oder dem Restaurant? Warum nicht. Die Stadt der kurzen Wege wird immer gefragter. Auch wenn die baulichen Maßnahmen bei Mischnutzung häufig anspruchsvoller sind, so stellen sie zum Beispiel für den Lebensmitteleinzelhandel häufig die einzige Möglichkeit dar, überhaupt an Flächen zu kommen. Einkaufszentren sind ebenfalls gut beraten, sich von gelernten Mustern lösen und den Erlebnischarakter ihrer Häuser ins Zentrum rücken. Das galt auch schon vor der Pandemie.

Die Wohnimmobilien sind durch Corona noch mehr in den Lebensmittelpunkt der Menschen gerückt! Das "Next Level of work" verändert auch in dieser Asset-Klasse die Flächenanforderungen - zum Beispiel durch Grundrisse, die Platz für das Arbeiten von daheim berücksichtigen - in der Wohnung selbst oder als Coworking Area innerhalb eines Quartiers. In Kombination mit dem 2,5 Milliarden Euro schweren Förderprogramm des Aufbau- und Resilienzfonds sowie des 5,5 Mrd. € für Gebäude umfassenden Klimasofortprogramms in Deutschland entwickelt sich Wohnen zu dem Segment, das die stärksten Anreize für eine energieeffiziente und CO2-emissionsreduzierende Sanierung bietet.

Last but not least: Digitalisierung. Corona hat Fortschritte ausgelöst, die sonst sicher ein Jahrzehnt beansprucht hätten. Bestandsimmobilien aller Assetklassen "digital ready" zu machen, ist dabei der eine wichtige Aspekt. Daneben stehen zunehmend Bestandsrechenzentren und Datacenter als Gebäudeart im Fokus. Warum? Weil Rechenzentren inzwischen einer der größten Energieverbraucher der Welt sind. Für Handlungsdruck sorgen sowohl die Kapitalanleger als auch die Mieter von Rechenzentrumsflächen, da sie die Objekte nach ESG-Kriterien bewerten. Mehr als 150 Rechenzentrums-Anbieter in Deutschland mit 95 Prozent Bestandsimmobilien müssen sich energetisch und strategisch neu aufstellen. Dazu benötigen sie umsetzbare Nachhaltigkeits- und Energiekonzepte, die ihre Bestandsrechenzentren zeitgemäß, fungibel und rentabel halten.

Den Wandel wirtschaftlich realisieren

Umfangreiche Sanierungsprojekte sind teuer und dauern lange - zumindest ist das die Befürchtung vieler Eigentümer. Das muss aber nicht sein. Wer modular baut, erreicht eine hohe Skalierbarkeit und realisiert auf diese Weise auch komplexe Projekte ökonomisch. Gerade im Bestand, zum Beispiel in Gebäuden aus den 1960er-Jahren, trifft man häufig auf regelmäßig Strukturen und damit auf ein hohes Potenzial für modulares Bauen. Eine Prüfung ganz zu Anfang legt die Einsparmöglichkeiten offen.

Modulares Bauen bietet sich nicht nur für gesamte Projekte, sondern genauso gut für einzelne Teile eines Bestandsgebäudes an - wie etwa eine Fassade oder ein neues Technikmodul. Da alles vorproduziert ist und nur noch eingebaut werden muss, verkürzt sich die Ausführung vor Ort. Ein Vorteil, der - zum Beispiel bei Wohnbauprojekten - die Zeit verkürzt, in der die Mieter:innen ihre Wohnungen nicht nutzen können.

Fazit: Im Entwickeln und Bauen im Bestand stecken technische und konzeptionelle Herausforderungen - aber in erster Linie Chancen. Wer den Bestand nutzt, schont Ressourcen. Energetisch zu optimieren und den CO2-Verbrauch zu reduzieren - das gehört schon fast zum Standard. Wer zusätzlich auf kreislauffähige Materialien und Digitalisierung setzt und Bestandimmobilien in der Nutzung flexibel hält, sichert die Zukunft seines Portfolios. Jetzt oder nie ist die richtige Zeit, das Pflicht-Thema Sanieren völlig neu anzugehen. Digital, nachhaltig, wirtschaftlich und innovativ!

Über den Autor:

Thomas Harlfinger startete 2006 bei Drees & Sommer, mittlerweile leitet er den Standort Bayern und ist seit 2017 Partner des auf Bau und Immobilien spezialisierten Management-, Planungs- und Beratungsunternehmen. In 2020 erhielt er die Honorarprofessur für Projektmanagement in der Stadtentwicklung an der Universität Leipzig. Seine Dissertation behandelte bereists das Thema Redevelopment von Bürobestandsimmobilien. Als Immobilienökonom deckt der neben der technischen auch die ökonomische Perspektive des Bauens im Bestand ab.

Drees & Sommer: Innovativer Partner für Beraten, Planen, Bauen und Betreiben.

Als führendes europäisches Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmen begleitet Drees & Sommer private und öffentliche Bauherren sowie Investoren seit 50 Jahren in allen Fragen rund um Immobilien und Infrastruktur – analog und digital. Durch zukunftsweisende Beratung bietet das Unternehmen Lösungen für erfolgreiche Gebäude, renditestarke Portfolios, leistungsfähige Infrastruktur und lebenswerte Städte an. In interdisziplinären Teams unterstützen die rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an weltweit 46 Standorten Auftraggeber unterschiedlichster Branchen. Alle Leistungen erbringt das partnergeführte Unternehmen unter der Prämisse, Ökonomie und Ökologie zu vereinen. Diese ganzheitliche Herangehensweise heißt bei Drees & Sommer „the blue way“.


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