Fokus: Investitionslücke bekämpfen
Fallende Nettoinvestitionen engen den Wachstumsspielraum ein.
Deutliche Worte fand vor ein paar Wochen Mario Draghi: "Hoffnung ist keine Strategie. Die heutigen Wachstumsprobleme werden genau so wenig auf geheimnisvolle Weise verschwinden wie die Wolken über dem Wachstumspotenzial von morgen." Die Rede, die der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) am 24. Oktober auf dem EU-Gipfel hielt, rüttelte auf. Draghi nannte auch gleichzeitig den Grund für das rückläufige Potenzialwachstum 1: Im Euroraum brachen von 2008 bis 2013 die privaten und staatlichen Bruttoinvestitionen real um rund 15% bzw. 17% ein.
Der Rückgang der Investitionen schwächt die Nachfrage und bremst damit kurzfristig das Wachstum. Die Wachstumsschwäche wird aber auch langfristig zementiert: Wird zu wenig investiert, veralten die Maschinen und die Infrastruktur. Besonders die Nettoinvestitionen, also die Ausgaben, die für eine Vergrößerung des Kapitalstocks und damit für Wachstum notwendig sind, entwickelten sich weit unterdurchschnittlich, sodass die Nettoinvestitionsquote, also die Veränderung des Kapitalstocks in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, stark gefallen ist (siehe Grafik rechts oben).
Investitionen stärken
Der Rückgang der Nettoinvestitionsquoten betrifft nicht nur die Eurozone, sondern alle großen Industrieländer. Die möglichen Konsequenzen sind gravierend: Gerade die Länder, die in Zukunft zudem mit einem demographischen Problem zu kämpfen haben, könnten in eine dauerhafte wirtschaftliche Stagnation rutschen. Ob es so kommt, ist allerdings noch offen. Erste Hoffnungszeichen gibt es aus den USA und Großbritannien. Die Nettoinvestitionsquote zog in beiden Ländern seit 2011 an. Dazu hat die expansive Geld- und Fiskalpolitik sicherlich beigetragen. Ein wichtiger Faktor dürfte aber auch sein, dass in beiden Ländern die Wirtschaft weniger stark reguliert ist als in vielen anderen Industrieländern.
Düster sieht es dagegen in Japan aus. Die negative Nettoinvestitionsquote in der Finanzkrise bedeutete, dass der Kapitalstock des Landes sogar schrumpfte. Dank Abenomics, dem Wirtschaftsprogramm von Ministerpräsident Abe, erholten sich die Investitionsausgaben wieder. Doch das Niveau kann nur als unbefriedigend beurteilt werden.
Von den geplanten drei Pfeilen hat die japanische Regierung bisher zwei verschossen. Die Bank of Japan betreibt über Quantitative Easing (QE) eine ultralockere Geldpolitik und die Regierung sorgt mit einer Ausgabenausweitung für zusätzliche Nachfrage. Es fehlt der dritte Pfeil - die strukturellen Reformen, also beispielsweise die Liberalisierung des Arbeitsmarktes. Fiskal- und geldpolitisch wurde die Nachfrageseite gestärkt und die Angebotsseite vernachlässigt. Niedrige Wachstumszahlen signalisieren, dass die Geldpolitik zwar stabilisieren, aber kein dauerhaftes Wachstum erzeugen kann. Japan ist damit Vorbild und Warnung zugleich.
Die Mischung macht's
n der Europäischen Union sind sogar vier Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftswachstums im Gespräch. Nicht ausreichend wettbewerbsfähige Länder wie Frankreich und Italien müssen angebotsseitige Reformen durchführen. Wettbewerbsfähige Länder wie Deutschland sollen dagegen mehr öffentliche Investitionen tätigen und Steuern senken. Auf EU-Ebene soll zusätzlich ein Gesamtplan für öffentliche Investitionen ausgearbeitet werden. Und die EZB soll mit einer expansiven Geldpolitik diese Maßnahmen flankieren.
Mario Draghi signalisierte, dass er dazu bereit ist. Die Bilanzsumme der EZB will er um rund eine auf drei Billionen Euro ausdehnen. Durch den Kauf von Anleihen aus der Privatwirtschaft ist das Ziel nicht erreichbar. Die EZB muss dazu wohl Staatsanleihen kaufen, also ein "Public QE" starten. In den USA und in Japan floss die dadurch neu geschaffene Liquidität an die Finanzmärkte. QE hat sich damit bisher als Treiber für steigende Aktienkurse sowie Immobilien- und Anleihepreise erwiesen. Gleichzeitig schwächten die Notenbanken über QE ihre Währungen, wovon die heimischen Unternehmen profitierten.
In der Eurozone könnte dieses Abenomics ähnelnde Wirtschaftsprogramm zu einer ähnlichen Entwicklung an den Finanzmärkten führen. Europäische Aktien sollten dadurch Auftrieb erhalten. Primäres politisches Ziel ist jedoch nicht eine Hausse am Aktienmarkt sondern eine Verbesserung des Wirtschaftsumfelds. Es bleibt daher zu hoffen, dass anders als in Japan alle Maßnahmen in der Eurozone solide umgesetzt werden. Erst dadurch gesellt sich zur Hoffnung auch die Strategie, die Mario Draghi so dringend angemahnt hat.
Wertentwicklungen in der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Wertentwicklungen. Es kann keine Gewähr übernommen werden, dass Anlageziele erreicht oder Ertragserwartungen erfüllt werden. Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Wertentwicklungen. Es wird keine Garantie dafür übernommen, dass Prognosen und Ziele tatsächlich eintreffen. Prognosen basieren auf Annahmen, Schätzungen, Ansichten und hypothetischen Modellen oder Analysen, die sich als falsch herausstellen können.
Hohe Korrelation
Nimmt der Kapitalstock in einer Volkswirtschaft nur noch
langsam zu, verringert dies den Anstieg des potenziellen
Bruttoinlandsprodukts. Die zu geringe Nettoinvestitionsquote führte im Euroraum beim potenziellen Bruttoinlandsprodukt bereits zu Trendanpassungen nach unten. Wird
der Trend nicht gebrochen, entwickelt sich daraus eine
dauerhafte Wachstumsschwäche.
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Deutsche Asset & Wealth Management
Mit 923 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen (Stand 31. Dezember 2013) ist Deutsche Asset & Wealth Management¹ einer der führenden Vermögensverwalter weltweit. Deutsche Asset & Wealth Management bietet Privatanlegern und Institutionen weltweit eine breite Palette an traditionellen und alternativen Investmentlösungen über alle Anlageklassen. Deutsche Asset & Wealth Management steht zudem für maßgeschneiderte Wealth Management-Lösungen und eine ganzheitliche Betreuung wohlhabender Privatanleger und Family Offices.
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