Fondsboutiquen, Vertrieb und "1-Euro-Laden-Kultur"
"Viel hilft viel" - so oder ähnlich kann man eine der Mythen im Vertrieb in Kurzform beschrieben.
Gerade auf dem Fondscongress in Mannheim in 2015 konnte man die Bestätigung dieser Denkweise registrieren. Zum einen konnte man feststellen, dass in der Fondsbranche wieder "verzweifelt" Personal im Vertrieb gesucht wird, zum anderen wundert man sich über die Ansätze bei der Personalrekrutierung bzw. bei der Vertriebskonzeption bei verschiedenen Gesellschaften. Auf der einen Seite sind viele Firmen, die Personal einstellen wollen zur Ausweitung des Geschäfts - auf der anderen Seite findet man viele wechselwillige Sales-Mitarbeiter, die neue Herausforderungen suchen. Viele Diskussionen in Mannheim haben gezeigt, das man trotz Suche und Neugierde auf beiden Seiten nicht immer erfolgreich zueinander findet. Was könnten mögliche Gründe dafür sein, warum Parteien mit ähnlichen Zielen oft nur mühsam zueinander finden? Welche Sachverhalte - in Kurzform - können eine Rolle beim temporären oder langfristigen "Missmatch" spielen?
Vertrieb als Commodity
Es gibt sehr wenige Fondsmanager, die sagen: "Überweise Geld, ich manage - wir warten ein Jahr - bei Nichterfüllung der Ziele ist Management kostenlos!". Seltsamerweise gehen im Finanzbereich in bestimmten Bereichen Anbieter davon aus, dass sie ihre strategischen Vertriebsziele durch das massive Verteilen von "Handelsvertreter-Verträgen" (Erfolgsbasis) verfolgen können. Dieses Modell, das in den Jahren sehr an Reputation verloren hat (Versicherungen, "Geschlossene Fonds-Welt" etc.), stößt gerade bei vielen Vertriebsleuten von renommierten Fondsgesellschaften auf wenig Begeisterung. Im Prinzip wird häufig - unterschwellig - unterstellt, dass der Produktanbieter zwischen den Zeilen meint: "Ich vertraue Deiner Leistung nicht und weiß im Grunde genommen nicht wirklich, ob Du mir einen Mehrwert bringst". (Zitat eines Sales-Mitarbeiters in Mannheim: "Solche Angebote erhalte ich in der Regel von Leuten, die selber im Festangestellten-Verhältnis arbeiten. Warum gibt es für Geschäftsführung, Business Development-Leiter oder Personaler nicht solche rein erfolgsabhängigen Verträge?").
Produkte mit Optimierungspotential und "Selbstläufer"
Gerade Anbieter, die "klein" sind, neu sind oder die einer budgetären Beschränkung unterliegen, weichen oft einer finanziellen Verpflichtung aus. Hier matchen sich dann häufig nicht die verkündeten Visionen: "Wir wachsen stark, wir sind auf der nächsten Stufe der Unternehmensentwicklung!" mit dem Mangel an Ressourcen. Tut man sich unbedingt einen Gefallen damit, dass man nicht schon zu Beginn gegenüber dem Vertriebler mit offenen Karten spielt? Wäre diese budgetäre Beschränkung nicht ein Motivator für kreative "Beteiligungsmodelle" mit laufender Minimal-Vergütung? (Wenn beide Seiten ernsthaftes Interesse haben, findet sich in der Regel ein zufriedenstellende Lösung der Preisfrage).
Vergessen wird oft, dass bei der Ansprache von einer größeren Anzahl von Vertriebsleuten der Name des Produktanbieters von Vertriebler zu Vertriebler getragen wird, die Branche ist gut vernetzt: "Kennst Du die - kein Geld und mache wohl viele Leute verrückt".
Produktanbieter mit begehrenswerten "Selbstläufern" - eingespielter Name, exzellente Performance etc. - im professionellen Bereich gibt es durchaus Modelle, wo auf einer reinen Erfolgsbasis gearbeitet werden kann. Bei guter Vertragsgestaltung mit einer validen Kundenschutzklausel kann diese Variante für gute Vertriebler interessant sein. Gerade, wenn Vertriebler dieses Arbeitsmodell als Kerngeschäft sehen und auch sonst keine Opportunitätskosten haben. Ein Gefahrenpunkt wird ab und an übersehen: Diverse Anbieter finden bei exzellenten Vertriebsergebnissen oft einen Anlass, den nachweislich erfolgreichen Vertriebler in eine unangenehme Situation zu bringen: Verträge lässt man auflaufen bzw. es findet sich häufig ein Grund, den "Placement Agent" aus Verträgen herauszukündigen. (Nach wie vor ist deshalb eine laufende Fixvergütung ein konstruktiver Akt des Risikomanagement - beide Seiten verpflichten sich).
Personalberater - Kandidatenpool und Branchenvernetzung
Bewegt man sich einmal aus dem Bereich der "Kleinunternehmen" mit kommunikations-intensiveren Produkten und Ansätzen (Gründe: Mangel an Visibilität, Ressourcen, Branchen-Status etc.) hin zu etablierten Fondsboutiquen bzw. konzerngebundenen Asset Managern, so findet man hier oft eine anders gestaltete professionelle Vorgehensweise vor: Man stellt selber durch Fachpersonal ein bzw. man bedient sich gerade in Zeiten der "Knappheit von Talent" eines Personalberaters. Im Bereich der Personalberatung ist die Qualität ein entscheidender Faktor - Vertraulichkeit, Fachkenntnis, Einfühlungsvermögen gegenüber Klient und Kandidat sind gefragt. Natürlich findet man hier die unterschiedlichsten Ausprägungen in der Branche - Kurzfristdenker, "Opportunitätenjäger", versus Langfristdenker in Sachen Beziehung.
Pro und Contra in Sachen Zeithorizont kann an anderer Stelle intensiv diskutiert werden, bei überhitzten Märkten kann noch ein anderer Faktor zur Verärgerung bei exzellenten Vertrieblern und auch bei der Auftraggeber-Seite (Asset Manager) führen: Ständig werden Kandidaten präsentiert, die fachlich und persönlich nicht auf die Aufgabenstellung passen oder aber der Personalberater kann nicht schlüssig dokumentieren, warum ein "Seiteneinsteiger" nicht doch eine gute Lösung sein kann: Hier sind zum einen profunde Branchenkenntnisse verlangt und eine exzellente Vernetzung - noch mehr aber "Ehrlichkeit" seitens des Personalberaters: Welche Berater kommunizieren zeitnah, dass der Kandidatenpool erschöpft ist? Auch eine Variante - welche Berater machen aktiv Vorschläge, wie man den Personalengpass vielleicht auf anderem Wege auflösen könnte?
Fazit: Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) "Sinnökonomie" und Vertrieb
Viele der bankunabhängigen Asset Manager, die bei KVGen wie Universal Investment, Alceda, Hauck & Aufhäuser und anderen Häusern mit Private Labels Fonds vertreten sind, denken sehr unternehmerisch. Unternehmer investieren, bevor Rendite erwirtschaftet wird: Dies gilt auch im Personalbereich. Bei verschiedenen persönlichen Gesprächen beim 1. Frankfurter Fondsboutiquen-Panel war eine Erkenntnis, dass auch Fonds-Selektoren fachlich versiert, kreative Sales-Leute schätzen: Eine freundliche, intelligente Ansprache kann bei guter Produktqualität Interesse wecken.
Viele der unabhängigen Asset Manager sollten in Zukunft vielleicht nach Sales-Leuten Ausschau halten, die selber auf der "Sinnsuche" sind: Raus aus Kurzfristdenke im Asset Management, Wertschätzung von langfristiger Kundenbeziehung, Unabhängigkeit von diversen Modezyklen in der Branche, alles verknüpft mit attraktiven Karrieremöglichkeiten - auch die ernsthafte Option für Unternehmensbeteiligung kann möglicherweise genau die richtigen Kandidaten anziehen. Leistung will bezahlt sein - kostenloser Vertrieb kann oft sehr teuer sein!
Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt. Seine Fachgebiete liegen in Marketing / Vertrieb / PR und in der Managerselektion. Hill beschäftigt sich intensiv mit Private Label Fonds, Fondsboutiquen und dem Einsatz von Publikumsfonds (Fondsselektion) bei Institutionellen.
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