Interview

China-Experte: „China hat enorme Antriebskräfte“

15.04.10 06:00 Uhr

Chinas Aktienmärkte haben enormes Potenzial, bergen aber auch große Risiken. Euro fondsxpress sprach mit China-Experte Christian Hofmann, Berater des FIVV-Aktien-China-Select-UI, über die Herausforderungen, denen sich das Land stellen muss.

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€uro fondsxpress: Herr Hofmann, Emerging Markets gelten inzwischen für deutsche Anleger als Muss. Wie sehen Sie das?
Christian Hofmann: Für mich persönlich gibt es nichts Spannenderes als Emerging Markets. Nicht nur das reine Wachstum. Viel interessanter sind die Transformationsprozesse, die diese Volkswirtschaften durchlaufen. Neue Industrien und Wettbewerbslandschaften entstehen quasi über Nacht. Und Anleger können von dieser Dynamik profitieren.

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Gilt das explizit auch für Asien?
Asien ist die größte Transformationsstory überhaupt. Allerdings vergisst man leicht, wie facettenreich der Kontinent – von Japan bis Burma, von Korea bis Indonesien – tatsächlich ist. Hier verschmelzen unterschiedlichste Kulturen, Religionen und politische Systeme zum bevölkerungsreichsten Wirtschaftsraum der Welt. China steht im Zentrum dieser Entwicklung, die – im historischen Kontext betrachtet – gerade erst begonnen hat.

Sie leben und arbeiten in Peking und gelten als China-Experte. Was sollten Anleger bei China-Investments beachten?
Im Grunde gleicht investieren in China dem überqueren einer Straße in Peking oder Shanghai: Wer glaubt, dass sich alle an die Regeln halten, wird schnell überfahren. Das grundlegende Gebot der Risikosteuerung ist daher eine breite Streuung innerhalb des Portfolios. Selbst meine Lieblingsinvestments liebe ich nicht allzu sehr und kontrolliere die Größe der Einzelpositionen konsequent.

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Wie beurteilen Sie die langfristigen Perspektiven für China?
Dass China langfristig enormes Potenzial hat, steht außer Frage. Wirtschaftswachstum ist oberstes politisches Ziel und das äußerst materialistisch orientierte chinesische Wertesystem verleiht dem Riesenreich enorme Antriebskräfte. Die Kehrseite sind ernstzunehmende soziale und ökologische Verwerfungen. In den kommenden Jahren muss China sein Wachstumsmodell daher grundlegend überarbeiten. Gelingt dies, wird es seinen Aufholprozess weiterhin erfolgreich fortsetzen können.

Und kurzfristig?
Kurzfristig stellt sich auch in China die Frage nach dem Exit. Um die Auswirkungen der globalen Krise zu bekämpfen, hat sich China im vergangenen Jahr einer massiven Kreditund Geldmengenausweitung bedient. Doch langsam kommt die Inflation auch in der Realwirtschaft an. Der Balanceakt zwischen Wirtschaftswachstum und der Vermeidung einer Überhitzung ist in diesem Jahr die zentrale Herausforderung.

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Was könnte die Kurse positiv beeinflussen?
Ich erwarte, dass sich die Aufwertung des chinesischen Yuan schon bald fortsetzen und positiv auf die Kurse auswirken wird. Das Säbelrasseln in Washington hat zu einer gewissen Abwehrhaltung in Beijing geführt. Im Grunde ist eine vorsichtige Stärkung der chinesischen Währung aber im Interesse Chinas. Zum einen leistet sie einen positiven Beitrag zur Modernisierung der Industriestruktur. Zum anderen wäre sie eine wirksame Waffe im Kampf gegen die aufkeimende Inflation.

Was könnte wiederum Kursanstiegen entgegenstehen?
Sollten die Preissteigerungen in den kommenden Monaten zunehmen, muss die chinesische Zentralbank die Zinsen deutlich anheben. Eine zweite Gefahrenquelle wären Handelsstreitigkeiten mit den USA. Allerdings gehe ich davon aus, dass man sich auf beiden Seiten des Pazifiks besinnt.

Ist jetzt ein günstiger Einstiegszeitpunkt für China?
Angesichts der beschriebenen kurzfristigen Unsicherheiten plädiere ich für aufmerksames Abwarten, weil kleinste Veränderungen in der politischen Gemengelage leicht zu großen Ausschlägen an den chinesischen Aktienmärkten führen können. Wir beobachten die aktuelle Entwicklung sehr genau und werden umgehend darauf reagieren.

ETF oder aktiv gemanagter Fonds?
Ich bin ein großer Fan von ETFs. Wann und für wen sie Sinn machen, muss allerdings jeder Investor selbst entscheiden. Beim Thema China bedeutet dies konkret, dass man sich mit ETFs an einer sehr unausgewogenen Benchmark großer, meist staatlich dominierter Blue-Chips beteiligt. Investoren, bei denen China Teil der strategischen Allokation ist, werden mit guten, aktiv gemanagten Fonds langfristig wohl besser fahren.

Welchen Mehrwert können Sie Anlegern bringen?
Neben der Risikosteuerung genießen wir vor allem unsere Freiheit im Rahmen der Branchenallokation. Das ist gerade in China sehr wichtig. Finanzen, Rohstoffe und Energie dominieren – doch für die spannende Transformationsthemen wie Konsum, Umwelt oder Gesundheit bleibt nur wenig Platz. In unserem Fonds halten wir gerade nach diesen Chancen abseits der Benchmark Ausschau.

Wie ist Ihr bisheriger Track-Record? Unser Investmentstil hat uns in 2008 zu einem der erfolgreichsten Chinafonds gemacht – in 2009 war das genaue Gegenteil der Fall. Mir ist deshalb wichtig, dass Investoren unsere langfristige Philosophie teilen und die nötige Geduld mitbringen. Wer den schnellen Erfolg in hektischen Marktphasen sucht, ist bei uns falsch.

Sie sind für FIVV der Vorposten in China. Wie kann ein Mensch allein diesen Riesenmarkt covern?
Das ist angesichts der rasanten Entwicklung in der Tat eine Herausforderung. Vor allem aber ist es essentiell, den operativen Lärm von den wirklich wichtigen Veränderungen zu trennen. In China muss man dazu häufig zwischen den Zeilen lesen. Meine Kollegen in Peking und ein Netzwerk aus Menschen, die tatsächlich etwas von China verstehen, sind mir dabei eine große Hilfe.

Im Portrait
Christian Hofmann lebt seit 2003 in Peking. Mit seinem Team berät er den FIVV-Aktien-China-Select-UI und nutzt seine Kontakte vor Ort, um Entwicklungen und Trends frühzeitig aufzuspüren und im Rahmen des aktiven Fondsmanagements umzusetzen. Bereits während seines BWL-Studiums an der Frankfurt School for Finance & Management beschäftigte sich Hofmann mit dem chinesischen Kapitalmarkt und der Landessprache. Zuvor arbeitete er als Consultant für ein chinesisches Beratungsunternehmen in Peking und im Kapitalmarktbereich der Deutschen Bank in Frankfurt und London.

Das Interview führte Ronny Kohl.