China-Experte: „China hat enorme Antriebskräfte“
Chinas Aktienmärkte haben enormes Potenzial, bergen aber auch große Risiken. Euro fondsxpress sprach mit China-Experte Christian Hofmann, Berater des FIVV-Aktien-China-Select-UI, über die Herausforderungen, denen sich das Land stellen muss.
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€uro fondsxpress: Herr Hofmann, Emerging Markets gelten
inzwischen für deutsche Anleger als Muss. Wie sehen Sie das?
Christian Hofmann: Für mich persönlich gibt es nichts Spannenderes
als Emerging Markets. Nicht nur das reine Wachstum.
Viel interessanter sind die Transformationsprozesse, die diese
Volkswirtschaften durchlaufen. Neue Industrien
und Wettbewerbslandschaften entstehen
quasi über Nacht. Und Anleger können von
dieser Dynamik profitieren.
Gilt das explizit auch für Asien?
Asien ist die größte Transformationsstory
überhaupt. Allerdings vergisst man
leicht, wie facettenreich der Kontinent – von
Japan bis Burma, von Korea bis Indonesien –
tatsächlich ist. Hier verschmelzen unterschiedlichste
Kulturen, Religionen und politische
Systeme zum bevölkerungsreichsten Wirtschaftsraum
der Welt. China steht im Zentrum
dieser Entwicklung, die – im historischen Kontext
betrachtet – gerade erst begonnen hat.
Sie leben und arbeiten in Peking und gelten
als China-Experte. Was sollten Anleger bei
China-Investments beachten?
Im Grunde gleicht investieren in
China dem überqueren einer Straße in Peking
oder Shanghai: Wer glaubt, dass sich alle an
die Regeln halten, wird schnell überfahren.
Das grundlegende Gebot der Risikosteuerung
ist daher eine breite Streuung innerhalb des
Portfolios. Selbst meine Lieblingsinvestments
liebe ich nicht allzu sehr und kontrolliere die
Größe der Einzelpositionen konsequent.
Wie beurteilen Sie die langfristigen Perspektiven für China?
Dass China langfristig enormes Potenzial hat, steht
außer Frage. Wirtschaftswachstum ist oberstes politisches Ziel
und das äußerst materialistisch orientierte chinesische Wertesystem
verleiht dem Riesenreich enorme Antriebskräfte. Die
Kehrseite sind ernstzunehmende soziale und ökologische Verwerfungen.
In den kommenden Jahren muss China sein Wachstumsmodell
daher grundlegend überarbeiten. Gelingt dies, wird es
seinen Aufholprozess weiterhin erfolgreich fortsetzen können.
Und kurzfristig?
Kurzfristig stellt sich auch in China die Frage nach
dem Exit. Um die Auswirkungen der globalen Krise zu bekämpfen,
hat sich China im vergangenen Jahr einer massiven Kreditund
Geldmengenausweitung bedient. Doch langsam kommt die
Inflation auch in der Realwirtschaft an. Der Balanceakt zwischen
Wirtschaftswachstum und der Vermeidung einer Überhitzung
ist in diesem Jahr die zentrale Herausforderung.
Was könnte die Kurse positiv beeinflussen?
Ich erwarte, dass sich die Aufwertung des chinesischen
Yuan schon bald fortsetzen und positiv auf die Kurse
auswirken wird. Das Säbelrasseln in Washington hat zu einer
gewissen Abwehrhaltung in Beijing geführt. Im Grunde ist eine
vorsichtige
Stärkung der chinesischen Währung aber im Interesse
Chinas. Zum einen leistet sie einen positiven Beitrag zur
Modernisierung der Industriestruktur. Zum anderen wäre sie
eine wirksame Waffe im Kampf gegen die aufkeimende Inflation.
Was könnte wiederum Kursanstiegen entgegenstehen?
Sollten die Preissteigerungen in den kommenden
Monaten zunehmen, muss die chinesische
Zentralbank die Zinsen deutlich anheben. Eine
zweite Gefahrenquelle wären Handelsstreitigkeiten
mit den USA. Allerdings gehe ich davon
aus, dass man sich auf beiden Seiten des Pazifiks
besinnt.
Ist jetzt ein günstiger Einstiegszeitpunkt für
China?
Angesichts der beschriebenen kurzfristigen
Unsicherheiten plädiere ich für aufmerksames
Abwarten, weil kleinste Veränderungen
in der politischen Gemengelage leicht
zu großen Ausschlägen an den chinesischen
Aktienmärkten führen können. Wir beobachten
die aktuelle Entwicklung sehr genau und
werden umgehend darauf reagieren.
ETF oder aktiv gemanagter Fonds?
Ich bin ein großer Fan von ETFs.
Wann und für wen sie Sinn machen, muss
allerdings jeder Investor selbst entscheiden.
Beim Thema China bedeutet dies konkret, dass
man sich mit ETFs an einer sehr unausgewogenen
Benchmark großer, meist staatlich dominierter
Blue-Chips beteiligt. Investoren, bei
denen China Teil der strategischen Allokation
ist, werden mit guten, aktiv gemanagten Fonds
langfristig wohl besser fahren.
Welchen Mehrwert können Sie Anlegern bringen?
Neben der Risikosteuerung genießen wir vor allem
unsere Freiheit im Rahmen der Branchenallokation. Das ist
gerade in China sehr wichtig. Finanzen, Rohstoffe und Energie
dominieren – doch für die spannende Transformationsthemen
wie Konsum, Umwelt oder Gesundheit bleibt nur wenig Platz. In
unserem Fonds halten wir gerade nach diesen Chancen abseits
der Benchmark Ausschau.
Wie ist Ihr bisheriger Track-Record? Unser Investmentstil hat uns in 2008 zu einem der erfolgreichsten Chinafonds gemacht – in 2009 war das genaue Gegenteil der Fall. Mir ist deshalb wichtig, dass Investoren unsere langfristige Philosophie teilen und die nötige Geduld mitbringen. Wer den schnellen Erfolg in hektischen Marktphasen sucht, ist bei uns falsch.
Sie sind für FIVV der Vorposten in China. Wie kann ein Mensch
allein diesen Riesenmarkt covern?
Das ist angesichts der rasanten Entwicklung in der Tat
eine Herausforderung. Vor allem aber ist es essentiell, den operativen
Lärm von den wirklich wichtigen Veränderungen zu
trennen. In China muss man dazu häufig zwischen den Zeilen
lesen. Meine Kollegen in Peking und ein Netzwerk aus Menschen,
die tatsächlich etwas von China verstehen, sind mir dabei
eine große Hilfe.
Im Portrait
Christian Hofmann lebt seit 2003 in Peking. Mit seinem Team
berät er den FIVV-Aktien-China-Select-UI
und nutzt seine Kontakte vor
Ort, um Entwicklungen und Trends frühzeitig
aufzuspüren und im Rahmen des aktiven
Fondsmanagements umzusetzen.
Bereits während seines BWL-Studiums an
der Frankfurt School for Finance & Management
beschäftigte sich Hofmann mit dem
chinesischen Kapitalmarkt und der Landessprache.
Zuvor arbeitete er als Consultant
für ein chinesisches Beratungsunternehmen
in Peking und im Kapitalmarktbereich der
Deutschen Bank in Frankfurt und London.
Das Interview führte Ronny Kohl.