Vermögensverwalter-Kolumne

Carry Traders: Der Crash vom 5. August 2024

19.08.24 09:03 Uhr

Carry Traders: Der Crash vom 5. August 2024 | finanzen.net

Der 5. August 2024 wird als schwarzer Montag in die Geschichte der Finanzmärkte eingehen. An diesem Tag stürzten weltweit führende Indizes um zweistellige Prozentwerte ab und lösten eine Schockwelle aus, die Anleger und Experten gleichermaßen erschütterte.

Die Ursachenforschung begann sofort und lieferte eine Vielzahl möglicher Erklärungen: eine sich abzeichnende Rezession in den USA, die hartnäckige Weigerung der Federal Reserve, die Zinsen zu senken, der immer weiter eskalierende Konflikt im Nahen Osten und die Angst vor dem Platzen einer Spekulationsblase bei Technologieaktien. Doch während diese Faktoren die Schlagzeilen dominierten, blieb ein weiterer Aspekt weitgehend unbeachtet, obwohl er für viele Beobachter der eigentliche Auslöser der heftigen Marktkorrektur gewesen sein könnte: Carry Trades.

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Ein Carry Trade ist eine beliebte Handelsstrategie, bei der Anleger Kapital in einer Währung mit niedrigem Zinssatz aufnehmen (zum Beispiel japanische Yen), um es in einer Währung mit höherem Zinssatz anzulegen (beispielsweise amerikanischer Dollar). Die Differenz zwischen den beiden Zinssätzen, der sogenannte "Carry", ist die potenzielle Rendite für den Anleger. Diese Anlagestrategie hat in den letzten Jahren enorm an Popularität gewonnen. Die Attraktivität von Carry Trades liegt auf der Hand: Sie bieten das Potenzial für überdurchschnittliche Renditen, insbesondere in Zeiten niedriger Zinsen. Doch wie jede Anlagestrategie birgt auch der Carry Trade Risiken, insbesondere das Risiko von plötzlichen Wechselkursschwankungen. Wenn die Finanzierungswährung gegenüber der Anlagewährung aufwertet, kann dies zu erheblichen Verlusten führen, die im schlimmsten Fall sogar das eingesetzte Kapital übersteigen können.

Zinswende der Bank of Japan

Ende Juli 2024 nahm die Bank of Japan (BoJ) eine bedeutende Anpassung ihrer Geldpolitik vor. Die Entscheidung den Leitzins um 25 Basispunkte anzuheben, überraschte die Märkte. Diese Entscheidung kam in einer Zeit, in der die meisten anderen großen Zentralbanken weltweit entweder die Zinsen senkten oder auf einem niedrigen Niveau hielten, um die wirtschaftliche Erholung zu unterstützen. Die Änderung der BoJ-Politik führte zu einer Aufwertung des Yen gegenüber anderen Währungen. Da der Yen häufig als Funding-Währung für Carry Trades genutzt wird, resultierten daraus potenzielle Bewertungsverluste für bestehende Carry-Trade-Positionen. Diese Entwicklung könnte einige Anleger dazu veranlasst haben, ihre Carry-Trade-Strategien zu überdenken und gegebenenfalls anzupassen. Dies löste eine Deleveraging-Welle aus.

Deleveraging-Welle

Eine Deleveraging-Welle beschreibt den Prozess, bei dem Marktteilnehmer ihre Verschuldung (Leverage) rasch reduzieren, indem sie Kredite zurückzahlen oder Vermögenswerte verkaufen. Im Kontext von Carry Trades bedeutet dies, dass Anleger ihre Positionen auflösen, indem sie die geliehene Niedrigzinswährung zurückkaufen und die Hochzinswährung, in die sie investiert haben, verkaufen. Dies kann zu einem starken Verkaufsdruck auf die Anlagewährung führen und deren Kursverfall beschleunigen. Gleichzeitig kann die Funding-Währung aufwerten. Eine Deleveraging-Welle kann sich selbst verstärken, da fallende Kurse weitere Anleger zum Auflösen ihrer Positionen zwingen können, was den Verkaufsdruck weiter erhöht.

Ansteckungseffekte beschleunigten den Kursverfall

Die Liquidierung von Carry Trades führte zu Ansteckungseffekten auf andere Märkte. Risikoaverse Anleger reduzierten ihre Engagements in risikobehafteten Anlagen, was den Kursverfall weiter beschleunigte. Der plötzliche Kurssturz und die damit verbundenen Verluste lösten Panikreaktionen an den Märkten aus. Emotionales Handeln führte zu weiteren Verkäufen, ohne fundamentale Faktoren zu berücksichtigen, was den Abwärtstrend zusätzlich verstärkte. Schließlich traten die bekannten Marktrisiken in den Vordergrund und verstärkten den allgemeinen Verkaufsdruck, sodass sich der anfängliche Schock zu einer ausgewachsenen Panik entwickelte.

Globale Auswirkungen der Carry Trade-Auflösung

Das genaue Volumen der Carry Trades lässt sich nicht feststellen. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hatten japanische Banken im Frühjahr umgerechnet eine Billion Dollar an Ausländer verliehen. Die französische Société Générale sprach von der Auflösung des größten Carry Trades, den die Welt jemals gesehen habe. Die Folgen waren am japanischen Aktienmarkt eindrucksvoll zu sehen. Der Nikkei stürzte um rund zwölf Prozent ab und erlitt den heftigsten Tagesverlust seit 35 Jahren. Die eng vernetzten Finanzmärkte reagierten daraufhin weltweit. Ein Kurssturz in einem wichtigen Markt wie Japan kann schnell auf andere Märkte übergreifen. In der Folge verzeichneten die europäischen Aktienmärkte deutliche Verluste, und die US-Aktienmärkte folgten dem Abwärtstrend in Europa und Asien. Der Dow Jones Industrial Average, der S&P 500 und der Nasdaq Composite erlitten allesamt erhebliche Verluste.

Die doppelte Natur der Carry Trades in der Finanzwelt

Carry Trades sind ein zweischneidiges Schwert in der Finanzwelt. Sie fördern die Liquidität und Effizienz der Märkte, indem sie Kapitalströme ermöglichen und Arbitragemöglichkeiten schaffen. Zudem bieten sie Anlegern eine Möglichkeit zur Diversifikation. Allerdings bergen sie auch Risiken wie Wechselkursschwankungen, erhöhte Volatilität und das Potenzial für systemische Risiken. Historische Ereignisse haben gezeigt, wie Carry Trades bestehende Marktschwankungen verstärken können, obwohl sie selten die alleinige Ursache für größere Korrekturen sind. Sie sind oft ein Symptom tieferliegender wirtschaftlicher oder geopolitischer Probleme. Anstatt Carry Trades zu verbieten, sollten Regulierungsbehörden und Anleger gemeinsam daran arbeiten, die Risiken durch Maßnahmen wie Kapitalverkehrskontrollen, erhöhte Transparenz und Hebelbeschränkungen zu minimieren. Gleichzeitig sollten Anleger die Chancen und Risiken von Carry Trades realistisch einschätzen und ein umsichtiges Risikomanagement betreiben, um die positiven Effekte dieser Anlagestrategie zu nutzen und negative Auswirkungen zu begrenzen.

von Markus Richert, CFP® und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln

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