Harter Brexit: Abwertung des Pfund zu erwarten
Premierministerin Theresa May hat eine klare Trennung Großbritanniens von der EU angekündigt und das britische Pfund hat zunächst aufgewertet.
Dafür gibt es keine fundamental nachvollziehbare Begründung. Zwar verkaufte die britische Premierministerin den harten Brexit in ihrer Rede vom 17. Januar als ihre eigene Entscheidung und stellte ihn als Opportunität dar, mit Hilfe derer Großbritannien wieder weltweit an Bedeutung gewinnen könne. Doch unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der zukünftigen Beziehungen wird die britische Wirtschaft bei einem harten Brexit in Mitleidenschaft gezogen werden, da die Vernetzung mit der EU nachlassen und somit der Handel von Gütern und Dienstleistungen unweigerlich belastet wird. Zwar verwies Theresa May umgekehrt auf die negativen Folgen eines eingeschränkten Handels mit Großbritannien für die EU. Aber die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, wer die bessere Verhandlungsposition hat. So gehen ca. 44 % der britischen Exporte in die EU, während nur 7 % der EU-Exporte nach Großbritannien fließen. Die Insel macht dabei 21 % des BIP der verbleibenden 27 EU-Länder aus.
Die EU hat bei allen Verhandlungen mit Ländern, die uneingeschränkten Zugang zu ihrem Binnenmarkt wünschen, auf die "vier Freiheiten" bestanden, also die freie Bewegung von Menschen, Kapital, Gütern und Dienstleistungen. Diese Freiheiten scheinen für Großbritannien laut Referendum nicht akzeptabel zu sein; das betrifft vor allem die freie Bewegung von Menschen. Die EU sollte jedoch auf ihre Prinzipien bestehen, auch im Sinne der Gleichbehandlung aller Mitgliedsstaaten bzw. aller Staaten die einen Sonderstatus mit der EU vereinbart haben, wie es bei der Schweiz oder Norwegen der Fall ist. Deswegen sollte eine Sonderregelung für Großbritannien nicht möglich sein, mit einem harten Brexit als Folge. Ziel der Verhandlungen über die zukünftige Zusammenarbeit zwischen EU und Großbritannien dürfte deshalb ein neues Handelsabkommen nach Vorbild der WTO sein. Da solch ein Abkommen den Handel mit und den generellen Zugang zum EU-Binnenmarkt reduzieren wird, sind mittelfristig verhaltene Wachstumsprognosen für Großbritannien durchaus angebracht. Theresa May spricht lieber von einem Neustart für Großbritannien und versucht durch Betonung von Globalisierungs- und Industrialisierungsaspekten mögliche negative Effekte zu banalisieren. Die Rede dokumentiert deshalb eher die heikle Lage der britischen Politik als die Aufbruchsstimmung in der Wirtschaft. Das klare Bekenntnis der EU zu ihren Freiheiten zwingt Großbritannien selbst, aktiv einen "Sprung nach vorne" zu machen - eher aus der Not heraus, als aus Überzeugung. Die Aufwertung des Pfund bescheinigt Theresa May einen anfänglichen Erfolg ihrer Strategie. Großbritannien benötigt allerdings ein schwächeres Pfund, vor allem wenn es tatsächlich seine Industrie modernisieren und trotz Zöllen in einem der größten Märkte der Welt wettbewerbsfähig bleiben will. Deshalb ist die aktuelle Stärke des Pfund als nicht nachhaltig anzusehen und die Volatilität wird zunehmen.
Dr. Klaus Bauknecht, Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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