Unternehmensanleihen: Ende der Rally
Die Jahrhundertrally bei Unternehmensanleihen ist zu Ende. Euro am Sonntag hat untersucht, wo es sich lohnt, dabei zu bleiben.
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von Marc Hofmann, €uro am Sonntag
Noch nie zuvor haben Anleger so viel Geld in Unternehmensanleihen gesteckt wie in den vergangenen Monaten. Zu Recht, denn der Markt für Schuldverschreibungen brach nahezu alle Rekorde. Seit Jahresanfang brachten die Papiere, die jahrelang als langweilige und gewinnschwache Anlage galten, Kursgewinne von 30 Prozent und mehr. Doch nun ist die Durchschnittsrendite auf weniger als fünf Prozent gesunken. „Die Rally am Markt für Unternehmensanleihen ist vorbei“, sagt deshalb Jochen Felsenheimer, Leiter der Abteilung Credits bei Assenagon Asset Management. „Schon innerhalb der nächsten ein bis zwei Monate sollten wir eine Korrektur erleben.“
Michael Sonner, Portfoliomanager bei Allianz Global
Die exorbitanten Risikoprämien, die sich in den gesunkenen Anleihekursen ausdrückten, waren nicht gerechtfertigt – und zwar unabhängig von den miesen konjunkturellen Aussichten zu Jahresbeginn. Ursache für die niedrigen Niveaus war nicht die tatsächliche Ausfallwahrscheinlichkeit der Schuldner, sondern schlicht eine einmalige Konstellation an den Kapitalmärkten, die unter dem Begriff „Deleveraging“ bekannt wurde: Viele institutionelle Anleger mussten ihre Papiere auf den Markt werfen, um ihren aktuellen Verpflichtungen nachkommen zu können. Sie mussten Anleger auszahlen, hatten sich in anderen Anlageklassen verspekuliert oder eben auf Pump gekauft, und Kredite wurden fällig.
Die Folge waren hochattraktive Einstiegskurse bei Corporate Bonds. „Leihen Sie diesen Männern Geld!“, lautete denn auch die Empfehlung von €uro am Sonntag in der Ausgabe 2 vom 11. Januar. Gemeint waren die Bosse vom Metro, Daimler, BMW und Linde. Zum einen galten die Unternehmen trotz der im Januar herrschenden Rezession als sichere Bank, zum anderen war absehbar, dass bei einer sich aufhellenden Konjunktur die Kurse dieser Anleihen kräftig anziehen würden. „Unternehmensanleihen sind zur Rally bereit“, war etwa Alessandro Bee vom Schweizer Bankhaus Sarasin im Januar zu Recht überzeugt.
Zudem boten viele Unternehmensanleihen eben attraktive Renditen über lange Zeiträume bei erträglichen Risiken. An den Aktienmärkten ging es indes noch steil bergab, und die Zinsen für Tagesgelder oder Sparbriefe lagen auch noch weit unter den Kupons der Unternehmensanleihen.
Das führte auf den Kreditmärkten zu einer bis dahin nicht gekannten Entwicklung: „Die Bedeutung von Privatinvestoren im Primärmarkt hat über die letzten Monate signifikant zugenommen“, sagt Assenagon-Fondsmanager Felsenheimer. „Banken, die an den Emissionen beteiligt waren, berichten von einer ,völlig neuen‘ Allokation der Anleihen.“
Einkaufsmöglichkeiten gab es reichlich. Gemäß dem Datenanbieter Dealogic wurden seit Jahresbeginn Corporate Bonds im Umfang von 1,1 Billionen US-Dollar emittiert. Zum Vergleich: Im bisherigen Rekordjahr 2007 beliefen sich die Erlöse der Unternehmen mit Bondemissionen auf rund 900 Milliarden Dollar.
Der Boom der Neuemissionen dürfte auch im Herbst weitergehen, denn der Kapitalbedarf der Unternehmen ist weiterhin groß und die Geldquellen ausgedünnt. Zwar gibt es nach wie vor keine Kreditklemme, aber die Konditionen, zu denen die Banken Unternehmen derzeit Darlehen einräumen, sind wegen hoher Sicherheitsforderungen und teurerer Zinsen weiterhin wenig attraktiv. Auch per Börsengang oder Kapitalerhöhung die Eigenkapitalseite aufzustocken, ist auf dem aktuellen Niveau der Aktienmärkte noch nicht die favorisierte Lösung.
Die Nachfrage der Investoren nach den Zinspapieren machte sich vergangene Woche auch die Deutsche Bank zunutze. Als erstes Unternehmen in Europa konnte sie die einjährige Pause durchbrechen und wieder eine sogenannte Nachranganleihe am Markt platzieren.
Das Besondere an diesen auch Tier-1-Anleihe genannten Schuldscheinen: Bei Zahlungsunfähigkeit stehen die Gläubiger ganz hinten in der Reihe – und in den Jahren, in denen das Unternehmen keinen Gewinn ausweist, muss noch nicht einmal der Kupon bedient werden.
Die Nachfrage nach dem mit 9,5 Prozent verzinsten Papier war dennoch so groß, dass das geplante Emissionsvolumen von 500 Millionen auf 1,25 Milliarden Euro aufgestockt werden konnte. Orders für fast drei Milliarden Euro sollen vorgelegen haben. Gleich nach Handelsstart schoss der Kurs der Anleihe deshalb auf 103,73 Prozent.
Der Erfolg dieser Emission ist ein weiterer Beleg für das fulminante Comeback, das Unternehmensanleihen in den vergangenen Monaten feiern konnten. Wie das Credit Research der LBBW feststellt, wurde die Anleiherally neben den gesunkenen Ausfallerwartungen vor allem durch die gute Berichtssaison des zweiten Quartals 2009 getrieben. Dabei legten in Europa rund 60 Prozent der Unternehmen Zahlen vor, die über den Erwartungen der Analysten lagen. In den USA waren es sogar 80 Prozent. Bestärkt wurde der Optimismus der Anleger aber auch durch die deutlich verbesserten volkswirtschaftlichen Stimmungsindizes.
Verdeutlicht wird die gute Entwicklung der Corporate Bonds anhand der sogenannten Credit Default Swaps (CDS). Diese sind eine Art Kreditversicherung, mit der sich Anleger gegen den Zahlungsausfall eines Wertpapiers absichern können. „Noch im März implizierten die CDS eine Ausfallerwartung für Unternehmensanleihen mit Investment-Grade von 14 Prozent. Jetzt liegt der Index iTraxx Main, der die Markteinschätzung wiedergibt, wieder beim Stand von knapp 100 Punkten. Dies entspricht einer Ausfallerwartung von knapp sechs Prozent,“ erklärt Markus Beck, Kreditstratege der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).
Thomas Härter, Leiter der Anlagestrategie bei Swisscanto: „Weitere Faktoren sprechen für die Beibehaltung des Übergewichts von Aktien und Unternehmensanleihen.“ Seine Begründung: „Noch nie waren die Firmen so proaktiv und haben die Kosten so schnell und drastisch gesenkt.“ Härter geht deshalb davon aus, dass auch die Gewinnzahlen zum dritten Quartal die Erwartungen übertreffen werden. Dies würde die Ausfallrisiken bei Corporate Bonds weiter reduzieren.
Auch Robert Senz, Chief Investment Officer für Global Fixed Income bei Raiffeisen Capital Management aus Wien, macht sich für die Anlageklasse stark. „Viele Unternehmen haben die gute Verfassung des Markts genutzt, um sich Kapital zu beschaffen und Liquiditätsengpässen vorzubeugen. Das wirkt möglichen Ausfällen zusätzlich entgegen.“
Dirk Springer von der Berenberg Bank ist da jedoch anderer Meinung: „Aus unserer Sicht ist das Risiko rezessionsbedingt zunehmender Firmeninsolvenzen nicht mehr ausreichend eingepreist.“ So prophezeit die Ratingagentur Standard & Poor’s in ihrem Monatsreport für August, dass der Höhepunkt der Unternehmenspleiten noch nicht gekommen sei.
Allein für die USA erwartet S & P bis Juni 2010 noch über 200 Konkurse von Unternehmen, die Corporate Bonds emittiert haben. Seit Jahresbeginn ließen bereits über 200 Pleiteunternehmen Anleger mit nicht zurückgezahlten Bonds im Wert von 450 Milliarden US-Dollar sitzen. Im gesamten Jahr 2008 betrug das Ausfallvolumen 433 Milliarden Dollar. Die Pleitekandidaten verteilen sich regional jedoch sehr unterschiedlich. 70 Prozent der diesjährigen Ausfälle saßen in den USA, 17 Prozent in den Schwellenländern, und nur knapp zwölf Prozent der Zahlungsausfälle ereigneten sich in Europa.
Eine viel größere Gefahr droht Anleiheanlegern allerdings von den Ratingagenturen selbst. Stufen sie in den kommenden Monaten die Bonität von bisher mit Investment-Grade bewerteten Firmen herab, könnten die Bondkurse auf breiter Front in den Keller rutschen. Denn viele institutionelle Anleger wie Pensionsfonds oder Versicherungen dürfen nur Bonds guter Qualität in ihren Portfolios halten. Trennen sie sich von Papieren, führt das zu einer Verkaufsspirale über den ganzen Markt. Dazu ist verstärkt mit Gewinnmitnahmen derjenigen Anleger zu rechnen, die einen günstigen Einstiegszeitpunkt bei den Corporates erwischt hatten.
Die Neigung, die finanzielle Situation von Unternehmen vorsichtshalber negativ zu sehen, steigt bei den Ratingagenturen derzeit jedenfalls deutlich. Zu blauäugig und umsatzgetrieben hatten sie schließlich jahrelang die Schachtelkonstruktionen der Derivate aus dem US-Subprime-Markt mit besten Bonitätsurteilen ausgestattet und damit die Finanzkrise mitverursacht.
Doch wenn die gesunkenen Renditen kein Zeichen der Gesundung der Unternehmen sind – was sind sie dann? Jochen Felsenheimer von Assenagon erklärt: „In den vergangenen Monaten drängten viele neue Marktteilnehmer in die Assetklasse der Unternehmensanleihen. Eine gewaltige Liquiditätsflut ergoss sich in den Markt und trieb die Kurse.“ Dies führte zur Einengung der Spreads, also des Abstands der Renditen von Corporate Bonds zu denen von Staatsanleihen (siehe auch Investor-Info).
Felsenheimer: „Fundamental sind die gesunkenen Renditeaufschläge jedoch nicht gerechtfertigt.“
Das hält den Anleihespezialisten aber nicht davon ab, von sinkenden Bondkursen in den kommenden Monaten auszugehen: „Alles andere als eine Korrektur macht ökonomisch keinen Sinn.“
André Enders von der privaten Hamburger Berenberg Bank rät deshalb Anlegern, die die im Herbst und Frühjahr gebotenen Chancen für den Einstieg genutzt haben, „nun über den Verkauf entsprechender Wertpapiere nachzudenken und die überdurchschnittlich hohen Kurszuwächse zu realisieren, ohne das Laufzeitende abzuwarten“. Investoren mit einer höheren Risikobereitschaft könnten sich zudem alternativ zu den Corporate Bonds auch in Mischfonds engagieren, deren Anlagestrategie flexibel auf mehrere Anlageklassen wie Aktien, Rentenpapiere, Geldmarkttitel oder auch Immobiliensondervermögen ausgerichtet ist.
„Anleger, die in Unternehmensanleihen investiert bleiben möchten, sollten sich zumindest mit einer Überprüfung der Struktur ihrer Bestände auseinandersetzen.“ Die Berenberg-Experten empfehlen, in Anleihen mit kürzeren Laufzeiten zu wechseln oder weit über dem Nominalwert notierende Papiere gegen solche mit einem Kurs nahe 100 einzutauschen.
Auf ein gutes Rating der Schuldner zu achten, empfiehlt Raiffeisenbanker Robert Senz zudem allen Anleiheanlegern, die sich gegen steigende Ausfallraten absichern wollen. Für die Emittenten mit guter Bonität liegt die aktuelle Ausfallwahrscheinlichkeit über die kommenden fünf Jahre bei acht Prozent – für Finanzinstitute bei 15 Prozent. Senz: „Mit einer guten Anleiheauswahl und striktem Risikomanagement lassen sich diese Ausfallraten nochmals deutlich reduzieren.“
Swisscanto-Stratege Thomas Härter setzt bei den Unternehmensschulden auf die Sektorauswahl: „Überdurchschnittlich attraktiv erscheinen uns Anleihen aus den Sektoren Banken, Telekom und Versorger. Am entgegengesetzten Ende der Skala rangieren die Kapitalgüter- und die Autoindustrie.“ Vorsichtiger ist man bei Swisscanto hinsichtlich den Emerging Markets: „In diesen Märkten sind viele Investoren übergewichtet.“
Johannes Führ, Inhaber der gleichnamigen Vermögensverwaltungsgesellschaft, beantwortet die Frage, ob es für Anleger sinnvoll wäre, die Kursgewinne der vergangenen Monate zu realisieren, wie folgt: „Wer keine Unternehmensbeteiligungen wie Aktien möchte, hat lediglich die Wahl zwischen Festgeld, Tagesgeld, Staatsanleihen, Pfandbriefen oder Unternehmensanleihen. Betrachtet man die aufgezählten Alternativen, so fährt man auch mit der aktuell niedrigen Rendite von fünf Prozent bei Unternehmensanleihen noch am besten.“
Und was ist mit High-Yield-Bonds? Auch die Papiere von Unternehmen mit schlechterer Bonität erfreuen sich noch immer großer Nachfrage. Immerhin haben sie nach Berechnungen von Barclays Capital deutlich mehr Ertrag abgeworfen als Anlageklassen wie Aktien: US-Hochzinser legten seit Januar im Schnitt um fast 40 Prozent zu, europäische High-Yields sogar um 63 Prozent.
Viele Investoren hoffen bei High Yields auf eine Art Selbstheilung, finanzschwache Unternehmen könnten sich durch die Möglichkeit der Ausgabe von Ramschanleihen refinanzieren und so das Risiko einer Insolvenz reduzieren. Raiffeisen-Experte Robert Senz rät: „Wir würden hier eine Korrektur für einen Einstieg beziehungsweise ein Aufstocken abwarten.“
Für vorsichtige Anleger empfiehlt sich ohnehin, das Ausfallrisiko bei Corporate Bonds zu streuen, indem sie nicht in einzelne Papiere investieren, sondern in einen Fonds (siehe Investor-Info). Kursschwankungen, wie sie an den Aktienmärkten in den kommenden Monaten zu erwarten sind, müssen sich Käufer von Unternehmensanleihen wenigstens nicht aussetzen.
Das schätzt auch der Schweizer Vermögensverwalter Luca Pesarini: „Warum Volatilität, wenn man doch nachts ruhig schlafen will? Je länger ich in diesem Geschäft bin, desto mehr schätze ich die Vorzüge von Anleihen.“
Investor-Info: Interessante Unternehmensanleihen
Daimler
Siemens
Metro
BMW
Unternehmensanleihen-Fonds:
Führ-Corporate-Bond: Auf Großkonzerne setzen
iShares Corporate Bond ETF: Gute Leistung für kleines Geld
Berenberg Select Bond: Höheres Risiko für höhere Erträge
Invesco Euro Corporate Bond: Der Ausgewogene
ISIN: DE 000 A0T 5SE 6
Rendite: 4,27 %
Rating: BBB+
ISIN: XS 036 946 202 2
Rendite: 3,26 %
Rating: A+
ISIN: DE 000 A0X FCT 5
Rendite: 4,72 %
Rating: BBB
ISIN: XS 017 350 137 9
Rendite: 4,44 %
Rating: A
Der von Jürgen Wetzel gemanagte Fonds investiert weltweit in fest- sowie variabel verzinste Unternehmensanleihen und Zerobonds. Die Papiere müssen auf Euro denominiert sein und Investment-Grade tragen. Zudem werden nur große Emittenten mit einem Emissionsvolumen von über einer Milliarde Euro erworben. Anfallende Erträge werden einmal pro Jahr jeweils im vierten Quartal an die Anleger ausgeschüttet.
Der passive Indexfonds (ETF) von iShares ist die kostengünstigste Möglichkeit, in ein Portfolio von Unternehmensanleihen zu investieren. Dazu bildet der ETF die Wertentwicklung des iBoxx-Euro-Liquid-Corporate-Index nach. Das Portfolio des iBoxx besteht aus 40 in Euro denominierten Unternehmensanleihen mit Investment-Grade. Seit Jahresbeginn konnte der Fonds einen Wertzuwachs von 10,18 Prozent verbuchen.
Der Fonds Select Bond Opportunity Universal investiert überwiegend in Renten auf Basis von Fonds sowie durch Direktkäufe der Anleihen. Schwerpunkt der Anlage ist der Non-Investment-Grade-Bereich (Rating BB+ und darunter). Hierdurch ergeben sich höhere Risiken, aber auch höhere Gewinnchancen. Je nach Marktlage kann auf Emittenten mit besseren Ratings ausgewichen werden. Anfallende Erträge werden reinvestiert.
Fondsmanager Paul Causer investiert überwiegend in auf Euro lautende Unternehmensanleihen der höchsten Bonitätsstufe. Schuldtitel unter Investment-Grade dürfen jedoch bis maximal 30 Prozent erworben werden. Diese üblicherweise höher verzinsten Papiere sorgen für ein Renditeplus bei überschaubarem Risiko. Seit Jahresbeginn konnte der Fonds ein Plus von 24,29 Prozent erwirtschaften. Die aktuell größte Position im Portfolio stellen Bonds des US-Konzerns General Electric.