Notenbanken: Wieso steigende Anleihe-Renditen kein Grund zur Furcht sind
Steigende Anleihe-Renditen verunsichern die Aktienmärkte. Die Fed und auch die EZB beruhigen - ein Ende der lockeren Geldpolitik ist nicht in Sicht.
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von Thomas Strohm, Euro am Sonntag
Steigende Renditen am Anleihemarkt? Klingt nach Grund zur Freude, löst bei Investoren aber Sorgenfalten aus. Die risikofreie Rendite, die mit dem Kauf ausfallsicherer Staatsanleihen und dem Halten bis Fälligkeit möglich ist, bildet den Maßstab für alle anderen Investments. Abhängig vom Risiko wollen Anleger einen Aufschlag auf den möglichen Ertrag. Passen die Abstände nicht mehr, kann dies zu Kurskorrekturen oder Verwerfungen an den Kapitalmärkten führen.
Nun ist die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen an den Rentenmärkten zeitweise über 1,4 Prozent per annum gestiegen. Zugleich lag die Dividendenrendite im breiten US-Aktienindex S & P 500 mit 1,5 Prozent kaum höher. Große Investoren könnten umschichten, weil sie für das mit Aktien verbundene höhere Risiko nicht mehr ausreichend entlohnt würden, lautet deshalb eine zuletzt häufiger gehörte Befürchtung. Und weiter: Damit die Relationen wieder passten, müssten einfach die Anleiherenditen sinken oder die Dividendenrenditen steigen, sprich die Aktienkurse fallen.
Angesichts der Liquidität, die Notenbanken weltweit in die Kapitalmärkte pumpen, und der Pandemie mit ihren Folgen sind die Zusammenhänge aber nicht so einfach. Darauf weisen Anlagestrategen von Fondsanbietern hin.
Ausgangspunkt für die höheren Renditen von US-Staatsanleihen, in deren Sog auch die Renditen deutscher Bundesanleihen zulegten, ist die Erwartung steigender Inflationsraten. Wieso sollten Konjunkturpakete der Regierungen und Geldpolitik der Notenbanken aber zu höherer Inflation führen? Schließlich versuchen Zentralbanken wie die Fed in den USA oder die EZB seit Langem vergeblich, die Teuerung aufs gewünschte Niveau zu treiben; die EZB etwa erachtet eine Teuerung nahe zwei Prozent als optimal für die Wirtschaft.
"Die fiskalischen und monetären Impulse sind diesmal noch um ein Vielfaches stärker", sagt Martin Lück, Marktstratege bei Blackrock. Zudem würden diese über ein im Vergleich zur Finanzkrise wesentlich intakteres Bankensystem in die Realwirtschaft übertragen. Und der ökonomische Neustart werde wohl viel abrupter verlaufen als in früheren Erholungsphasen. "In Deutschland dürfte im Jahresverlauf bei der Jahresrate der Verbraucherpreise die Drei vor dem Komma auftauchen", so Lück.
Realzinsen bleiben sehr niedrig
Die Notenbanken werden aber kaum, wie früher bei anziehenden Inflationsraten üblich, gleich einschreiten und die Geldpolitik straffen, sprich Leitzins erhöhen oder unkonventionelle Maßnahmen wie Anleihekäufe zurückfahren. Vielmehr hat etwa die Fed mit ihrem Chef Jerome Powell klargestellt, vorübergehend höhere Teuerungsraten durchaus tolerieren zu wollen. "Unsere Annahme ist, dass der Zinsanstieg im Verhältnis zur Inflation relativ schwach verlaufen wird", sagt Lück. Die Realzinsen, Nominalzinsen abzüglich Inflation, bleiben somit sehr niedrig. Der Investmentstratege setzt deshalb weiter auf Aktien, vor allem aus den USA und den Schwellenländern, auch für Europa ist Blackrock wieder etwas optimistischer.
Beim Assetmanager Bantleon hält man den jüngsten, immer noch moderaten Renditeanstieg bei Staatsanleihen ebenfalls nicht für besorgniserregend. "Die anziehenden Renditen spiegeln nichts anderes wider als das sich aufhellende konjunkturelle Umfeld", erläutert Chefvolkswirt Daniel Hartmann.
Die verbesserten Aussichten auf eine nachhaltige Erholung im Jahresverlauf betonte auch Fed-Chef Powell am Dienstag vor dem US-Senat. Die Entwicklung bleibe mit Blick auf die Pandemie jedoch höchst unsicher. Powell bekräftigte, dass weitere Fortschritte nötig seien, bevor das Anleihekaufprogramm angepasst werden könne. Seine Äußerungen dämpften den Anstieg der Renditen am Rentenmarkt. Ebenso wie Aussagen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die am Montag vor dem EU-Parlament betonte, dass die Notenbank die langfristigen Renditen sehr genau beobachte.
Eine ähnliche Formulierung vermissten Analysten bei Powell. "Bisher sieht die Fed keine Bedrohung des US-Aufschwungs durch steigende Finanzierungskosten", sagt LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert. Dies könnte sich in den nächsten Wochen ändern, falls sich die lang laufenden US-Renditen weiter ans Vor-Corona-Niveau annäherten. "Ähnlich wie EZB-Chefin Lagarde dürfte dann auch die US-Notenbank bemüht sein, der Reflationierungsspekulation am Rentenmarkt verbal stärker Einhalt zu gebieten", so der LBBW-Experte.
Wenn sich die positiven Signale von Impffront und Wirtschaft bestätigten, sei der Renditeanstieg auch für die Aktienmärkte ungefährlich, sagt Bantleon-Ökonom Hartmann. Steigende Finanzierungskosten der Unternehmen würden dann von verbesserten Gewinnperspektiven überkompensiert. Gleichwohl könne es zum Favoritenwechsel bei Investoren kommen - weg von defensiven Branchen, hin zu zyklischen Sektoren.
Bernanke als mahnendes Beispiel
"Für den Gesamtmarkt ungünstig wäre der Renditeanstieg nur, wenn er nicht konjunkturell getrieben wäre, sondern durch einen Schwenk in der Geldpolitik verursacht würde, der die Investoren verschreckt", so Hartmann. Beispiel dafür ist das Taper Tantrum: 2013 kündigte Fed-Chef Ben Bernanke überraschend an, die Wertpapierkäufe zurückzuführen, und löste einen Schock an Anleihe- wie Aktienmärkten aus. Davon sei derzeit nichts zu sehen. "In den nächsten Monaten sollte sowohl der übergeordnete Aufwärtstrend an den Aktienmärkten als auch der moderate Renditeanstieg bei Staatsanleihen anhalten", stellt Hartmann fest.
An den Anleihemärkten bedeutet ein Anstieg des Zinsniveaus zwar tendenziell Kursverluste bei älteren Papieren, die unattraktiver werden. "Im konjunkturell freundlichen Umfeld nimmt jedoch gleichzeitig der Risikoappetit zu", so Hartmann. Bei High-Yield-Bonds von Emittenten schlechterer Bonität führt das zum Abschmelzen der Risikoprämien. Zuletzt habe dies den Anstieg der Staatsanleiherenditen gar überkompensiert, im Schnitt sei die Rendite europäischer Hochzinsanleihen gesunken.
INVESTOR-INFO
Staatsanleihen
Steigende Renditen
Die zehnjährigen Staatsanleihen der USA sind ein wichtiger Maßstab für Investoren an den globalen Kapitalmärkten. Die damit mögliche Rendite auf Endfälligkeit ist zuletzt zeitweise über die Marke von 1,4 Prozent per annum gestiegen. In diesem Sog legte die Rendite deutscher Bundesanleihen ebenfalls zu, sie stieg Mitte der Woche auf minus 0,27 Prozent, blieb also deutlich im negativen Bereich.
Optoflex
Marktunabhängige Erträge
Der Fonds des Vermögensverwalters Feri zielt auf marktunabhängige Erträge. Dafür werden Put-Optionen auf den US-Aktienindex S & P 500 an Investoren verkauft, die sich gegen Kursstürze absichern wollen. Dafür kassiert der Fonds eine Art Versicherungsprämie, ein Teil davon wird zur eigenen Absicherung verwendet. Die Strategie ging bisher auf. Guter Fonds für Anleger, denen bei den Aktienallzeithochs doch etwas mulmig wird, Inflation und Anleiherenditen hin oder her.
Candriam Sust. Bond Glob. HY
Anhaltender Risikoappetit
Mit dem Candriam Sustainable Bond Global High Yield investieren Anleger in Anleihen von Unternehmen schlechterer Bonität. Diese profitieren bei einer Konjunkturbelebung besonders. Zugleich spielt für ihre Kurse das mit den Emittenten verbundene Risiko die Hauptrolle und weniger die Entwicklung des Zinsniveaus. Obwohl der Fonds weltweit anlegt, gehen Euroanleger kein Währungsrisiko ein. Unter den größten Positionen finden sich Bonds von Ford, Vodafone und Kraft Heinz.
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