Rezessionsprognose schwierig

Wells Fargo: Die Vorhersagekraft der inversen Renditekurve lässt nach

07.06.19 17:56 Uhr

Wells Fargo: Die Vorhersagekraft der inversen Renditekurve lässt nach | finanzen.net

Um eine bevorstehende Schwäche der Wirtschaft vorherzusagen, nutzten viele Experten bislang das Modell der inversen Zinskurve. Doch dies ist nicht mehr verlässlich, glaubt die US-Bank Wells Fargo.

Der US-Anleihenmarkt steht seit geraumer Zeit unter genauer Beobachtung - denn Experten wollen dort in den vergangenen Wochen und Monaten deutliche Alarmsignale erkannt haben. Tatsächlich hat es in der Vergangenheit einen Indikator gegeben, der häufig als Hinweisgeber dafür galt, dass eine Rezession bevorstehen könnte: Den Abstand zwischen den Renditen von Anleihen unterschiedlicher Laufzeiten. Wenn die Renditen für Anleihen mit kurzen Laufzeiten über denen von Bonds mit langen Laufzeiten liegen, nennt man dies eine inverse Zinsstruktur.

Diese ist ungewöhnlich, da die Verzinsung üblicherweise mit der Laufzeit steigt. Wenn Anleger also für kurzfristige Anleihen höhere Zinsen bekommen, als für langfristige - und das, obwohl sie im letzten Fall viel länger auf ihr Geld verzichten müssen und diversen Marktrisiken ausgesetzt sind - werden Experten hellhörig. Denn in der Vergangenheit hatte dies häufig eine Rezession zur Folge.

Keine Rezessionsvorhersage mehr?

Doch die Experten der US-Bank Wells Fargo glauben nicht, dass sich der Zusammenhang zwischen einer inversen Zinskurve und einer drohenden Rezession noch weiter aufrecht erhalten lassen kann. Michael Schumacher, Geschäftsführer und globaler Leiter der Zinsstrategie bei Wells Fargo Securities, erklärte gegenüber CNBC, dass man sich genau anschauen müsse, was die Renditekurse antreibt, um zu erkennen, warum sie möglicherweise kein verlässliches Prognoseinstrument mehr sind.
"Aus unserer Sicht müssen Sie die Zinsstrukturkurve in einige Komponenten aufteilen". Der Zinssatz für einjährige oder kürzer laufende Anleihen sei im Wesentlichen Aufgabengebiet der US-Notenbank Federal Reserve. Derartige Zinssätze könnten nur durch das Eingreifen der Währungshüter verändert werden. Länger laufende Anleihen hingegen werden seiner Ansicht nach vom Markt diktiert und von zahlreichen Risikofaktoren beeinflusst. Es gebe wirklich eine deutliche Abweichung zwischen dem Fed-Bereich und den Risiken am anderen Ende der Laufzeitspanne, so Schumacher. "Aus diesem Grund halten wir sie [die inverse Zinskurve] derzeit nicht für einen wirklich Rezessionsvorhersager".

Tatsächlich hält er den konkurrierenden Einfluss des Marktes auf die Zinsstrukturkurve aber nicht für ein neues Phänomen. Was die Renditekurve angehe, glaube er, dass diese ihre Aussagekraft für eine drohende Rezession bereits vor zehn Jahren verloren habe. "Der Grund, warum wir glauben, dass die Kurve nichts vorhersagt, sind die Zentralbanken, ob es nun die Fed, die Bank of Japan oder die EZB sind, ihre Positionen sind so groß, dass die Zinsen nur am hinteren Ende zusammengedrückt werden."

Redaktion finanzen.net

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