Nicht ungefährlich

Nachrangdarlehen: Bitte hinten anstellen

11.09.14 12:30 Uhr

Nachrangdarlehen: Bitte hinten anstellen | finanzen.net

Private Kreditgeber von Unternehmen gehen bei Nachrangdarlehen leer aus, wenn ihre Rückzahlungs- und Zinsansprüche eine Firmenpleite auslösen.

von Michael H. Schulz, Euro am Sonntag

Es ist wie beim Lotto, nur ohne Aufsicht. Legal, aber mit Tücken für Unerfahrene. Getrieben von dem Wunsch nach hohen Zinsen, leihen Anleger jungen Unternehmen Geld. Mal geht es um die Finanzierung eines Luxusferiendorfs an der Ostsee, mal um eine Solaranlage in der Nachbarschaft. Meistens handelt es sich dabei jedoch um Nachrang- oder gewinnabhängige Darlehen mit dem Zusatz "qualifizierter Rangrücktritt". Wer sich auf solche Angebote einlässt, finanziert Start-ups auf dem grauen Kapitalmarkt.

Warten auf den Gesetzgeber
Die Finanzaufsicht Bafin kümmert sich um die Angebote bislang nicht. Sicherheiten in Form von Bürgschaften gibt es nur in Ausnahmefällen. Ein Prospekt? Fehlanzeige. Dieser wird erst mit dem geplanten Kleinanlegerschutzgesetz Pflicht. Dann sollen Darlehensnehmer für fehlerhafte oder irreführende Angaben haften. Doch das Gesetz lässt noch auf sich warten. Daher sollten Anleger wissen, worauf sie sich als privater Geldgeber einlassen, und auf ihren gesunden Menschenverstand vertrauen.

Gerade kleine Unternehmen und Firmengründer pumpen Anleger an, um ihren finanziellen Spielraum zu vergrößern. Weil sich mit dem Kapital der privaten Geldgeber die Bonität des Unternehmens verbessert, sind Banken auch eher bereit, Kredite zu vergeben. Die privaten Geldgeber sind also oft der Köder für einen Bankkredit. Der Haken: Sie rutschen in der Rangfolge der Gläubiger ganz nach hinten. Im Fall einer Pleite werden private Geldgeber erst bedient, nachdem die Forderungen der erstrangigen Gläubiger erfüllt wurden. Lediglich die Eigentümer und Gesellschafter rangieren mit ihrem Eigenkapital noch hinter ihnen.

Diese schlechte Position wirkt sich auch auf die in Aussicht gestellten Zinsen und Gewinnausschüttungen aus. Denn im Beteiligungsvertrag lassen sich private Geldgeber gern eine Verzichtserklärung unterjubeln: Sie gehen leer aus, sollte die Firma durch die Rückzahlung ihres Kapitals insolvent werden. Das Kapital der privaten Geldgeber "haftet für die anderen Verbindlichkeiten des Unternehmens", betont die Bafin. Im Klartext: Das Unternehmen kann mit dem Nachrangkapital Banken, Lieferanten und Leasinggeber bezahlen. "In diesem Bereich gibt es riskante Investments, bei denen der Totalverlust droht", sagt Sascha Straub von der Verbraucherzentrale Bayern.

Zwar besteht auch bei Angeboten auf dem regulierten Kapitalmarkt ein Risiko, den kompletten Einsatz zu verlieren, etwa wenn ein Emittent von Zertifikaten pleitegeht. Doch bei qualifizierten Nachrangdarlehen werden die Forderungen der privaten Geldgeber als Gläubiger von vornherein rechtlich entwertet. Und weil es noch keine Aufsicht gibt, sind Glücksrittern und Abzockern Tür und Tor geöffnet. "Gerade Kleinanleger laufen Gefahr, derartige Klauseln von windigen Anbietern untergeschoben zu bekommen", warnt die Bafin.

Doch nicht jedes Angebot muss unseriös sein. Da die Geldgeber letztlich auf das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens wetten, sollten sie sich das Geschäftsmodell und die Bilanzen genau anschauen, bevor sie einschlagen.
€uro am Sonntag hat drei Angebote geprüft.

Blauäugige Gutmenschen
Die Kastner & Callwey Medien GmbH will den Energieverbrauch durch den Einsatz von Photovoltaikanlagen reduzieren. Das Geld dafür steuern überwiegend private Geldgeber bei. Über die Vermittlerplattform leih deinerumweltgeld.de können sie sich via Crowdfunding beteiligen. Zehn Prozent der Finanzierung stemmt das Unternehmen selbst. Die nachrangig beteiligten Geldgeber sollen sieben Jahre eine fixe Verzinsung von 7,4 Prozent pro Jahr bekommen, die aus der geplanten Energieeinsparung gezahlt wird. Der Darlehensnehmer hat laut dem letzten testierten Jahresabschluss Verbindlichkeiten von 2,87 Millionen Euro, erwartet für das Geschäftsjahr 2014/2015 einen Jahresüberschuss von 600.000 Euro. Fazit: Die Kalkulation ist blauäugig.

Sonnige Aussichten, aber für wen?
Beispiel Nummer 2: Eine Genossenschaft pumpt Nichtmitglieder an. Eine bereits errichtete Solaranlage der Genossenschaft Energiegewinner in Köln-Müngersdorf sucht private Geldgeber über die Plattform www.leihdeinerumweltgeld.de. Beteiligen kann man sich, ohne Genosse zu werden, mit Summen ab 100 Euro. Die Genossenschaft stellt einen jährlichen Zins zwischen 4,75 und 5,25 Prozent in Aussicht. Die Kalkulation ist bodenständig. Die Zahlungen müssen aus dem Liquiditätsüberschuss kommen. Laut dem letzten veröffentlichten Jahresabschluss 2012 schreibt die Genossenschaft schwarze Zahlen. Fazit: Für Erfahrene geeignet.

Wette auf den Internetmillionär
Der Internetmultimillionär Jan Henric Buettner hat an der Ostsee eigenes Vermögen und EU-Fördergeld in ein Luxusferiendorf am Weißenhäuser Strand gesteckt. Das Weißenhaus Grand Village & Spa, rund 100 Kilometer von Hamburg entfernt, soll besser laufen als das ebenfalls an der Ostsee gelegene Grand Hotel Heiligendamm, das 2012 pleiteging und von Anlegern eines Geschlossenen Immobilienfonds finanziert worden war.

Rund 900 private Geldgeber haben bis Anfang September vier Millionen Euro in Buettners Gesellschaft gesteckt. Damit investieren sie nicht direkt ins Feriendorf, sondern nachrangig in das Geschäftsmodell. Für die Zahlung des Festzinses von jährlich vier Prozent und die Kapitalrückzahlung bürgt der Patron mit seinem Vermögen. "Die Ansprüche können gegenüber dem Bürgen auch dann geltend gemacht werden, wenn die Hauptschuldnerin aufgrund des qualifizierten Nachrangs nicht zu leisten braucht", heißt es in der Bürgschaft. Fazit: Besichertes Risikokapital, aber eine Wette auf Buettners Bonität.

Bildquellen: travellight / Shutterstock.com, StockThings / Shutterstock.com