Neuer Vorstoß

Kampf ums Überleben: George Soros fordert "ewige Bonds" der EU

10.05.20 19:33 Uhr

Kampf ums Überleben: George Soros fordert "ewige Bonds" der EU | finanzen.net

Die Europäische Union steht nicht nur angesichts der noch immer währenden Corona-Pandemie vor großen Herausforderungen. Wachsende Unterschiede zwischen Nord- und Südeuropa sowie neuen und alten EU-Mitgliedstaaten gehören neben dem Klimawandel ebenfalls zu den Problemen mit denen sich die Wertegemeinschaft konfrontiert sieht. George Soros schlägt dabei einen neuen Lösungsweg vor.

• Coronakrise drängt EU zum Handeln
• Corona-Bonds in der Vergangenheit mehrfach abgelehnt
George Soros schlägt Anleihen ohne feste Laufzeit vor

Es sind schwierige Zeiten, die nicht nur auf dem europäischen Kontinent herrschen. Während noch zum Ende des letzten Jahres der fortschreitende Klimawandel als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit definiert wurde, hat seit Jahresbeginn die Corona-Pandemie diesen Platz eingenommen. Doch die Ausbreitung der hoch ansteckenden Lungenkrankheit ist nicht nur für individuelle Länder und Regierungen eine große Aufgabe, auch die Europäische Union, deren Mitgliedstaaten zu verschiedenen Schweregraden vom Virus betroffen sind, kommt im Zuge der Corona-Krise unter großen Druck.

Hilfspaket und Wiederaufbaufonds von der EU beschlossen

Um den wirtschaftlichen Auswirkungen der vielerorts verhängten drastischen Kontaktbeschränkungen entgegen zu wirken, hat die EU beim letzten Gipfel Ende April beschlossen, ein Hilfspaket in Höhe von 500 Milliarden Euro aufzulegen sowie einen Wiederaufbaufonds einzurichten, der wiederum Mittel von bis zu einer Billion Euro an bedürftige Mitgliedsstaaten verteilen könnte. Weitere Details, dazu wie genau die nötigen finanziellen Mittel beschafft werden sollen, blieb Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen jedoch schuldig. Bis Mitte Mai soll nun ein geeignetes Modell erarbeitet werden.

In der Vergangenheit kam in diesem Zusammenhang schon mehrfach die Idee von sogenannten Corona-Bonds auf, also gemeinsamen Darlehen der Euro-Länder. Dieser Vorstoß wurde jedoch schon mindestens genauso oft, nicht zuletzt von Deutschland, vehement zurückgewiesen. Hierzu verdeutlichte Bundeskanzlerin Angela Merkel während des EU-Gipfels einmal mehr die Position der Bundesregierung: "Es geht nicht, dass sozusagen die Schulden vergemeinschaftet werden".

George Soros sieht in Perpetual Bonds die Lösung fürs Finanzierungsproblem

Wie Börsenlegende George Soros jüngst in einem Beitrag für das Project Syndicate darlegte, sei der Grundgedanke gemeinsame Anleihen auszugeben, jedoch der richtige. Allerdings sollte die EU hierbei nicht auf die oft zitierten Corona-Bonds, sondern auf sogenannte Perpetual Bonds, also Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit setzen. Diese hätten schon in der Vergangenheit, wenn auch bisher noch nicht auf europäischer Ebene, funktioniert. Als berühmtestes Beispiel nannte Soros dabei die "ewigen Anleihen", die das Vereinte Königreich einst ausgab, um erst den Krieg gegen Napoleon und später den Ersten Weltkrieg zu finanzieren. Auch die USA haben in ihrer Vergangenheit nicht vor dem Einsatz solcher Anleihen zurückgeschreckt.

Nach Meinung des Star-Investors könne nun auch die EU von dem Konzept Gebrauch machen. Diesen Standpunkt bekräftigte er kürzlich in einem Gastbeitrag für den SPIEGEL erneut. Zum einen läge der Vorteil dieser unbefristeten Bonds darin, dass sie nicht zurückgezahlt werden müssten. Die Kosten, die bei diesem Modell für die Europäische Union anfallen würden, würden sich lediglich auf die jährlichen Zinsen belaufen, die die EU selbst festlege. Soros rechnet hier vor, dass bei einer Euro-Anleihe in Höhe von einer Billion Euro und einer Zinsrate von 0,5 Prozent, jedes Jahr für die Union lediglich 5 Milliarden Euro an Zinsen fällig würden.

Natürlich bestünde die Gefahr, dass eine derart hohe Anleihe vom Markt nicht gleich vollständig aufgenommen werden könnte, weshalb die ewigen Bonds auch in mehreren Tranchen ausgegeben werden könnten. Die Kosten, die durch die Zinsen für die EU entstehen würden, machen in dieser Rechnung nur ein kleines bisschen mehr als ein Prozent des aktuell diskutierten EU-Budgets aus.

"Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen"

Soros beharrt in seiner Argumentation darauf, dass die derzeitige Krise schnelle Antworten erfordere, um der kritischen Lage Herr zu werden. Dabei ist die EU aufgrund ihrer grundsätzlichen Prinzipien und ihres komplexen Aufbaus nicht wirklich für ihre Agilität und Schnelligkeit in der Entscheidungsfindung und der anschließenden Umsetzung bekannt. Hier könnten die Anleihen ohne feste Laufzeit verbindend auf die unterschiedlichen Mitgliedstaaten wirken, kämpft die EU doch mit einer größer werdenden Kluft zwischen südlichen und nördlichen EU-Ländern sowie den alteingesessenen und neu beigetretenen Staaten. Während die oft zitierten Corona-Bonds diese Spaltung durch die Haftungsfrage der Rückzahlungen noch verstärkten, kommt bei den "ewigen Anleihen" diese Frage gar nicht auf, da die Kreditsumme ja nie zurückgezahlt werden müsse.

Ob jedoch diese Form der Anleihen ernsthaft in Erwägung gezogen werden könnte, hält auch der Starinvestor für fraglich. Schließlich seien Emissionen dieser Art nicht von den Gründern bei der Unterzeichnung der Römischen Verträge vorausgesehen worden. Aufgrund der Dringlichkeit zu handeln, sehe der Multimilliardär nun jedoch die Notwendigkeit von den europäischen Entscheidungsträgern aus ihrer Komfortzone herauszutreten und den Perpetual Bonds eine Chance zu geben, denn "ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen", wie er es im SPIEGEL-Gastbeitrag formulierte.

Kommissionspräsidentin von der Leyen deutete hingegen beim EU-Gipfel an, dass sie die für den Recovery Fonds nötigen finanziellen Mittel aus dem EU-Haushalt nehmen will. Wie genau das jedoch aussehen soll, das bleibt bis Mitte Mai abzuwarten.

Redaktion finanzen.net

Bildquellen: ERIC PIERMONT/AFP/Getty Images