Kein richtiger Markt

Mittelstandsanleihen-Experte: "Das ist ein Niedergang mit Ansage"

29.08.15 11:00 Uhr

Mittelstandsanleihen-Experte: "Das ist ein Niedergang mit Ansage" | finanzen.net

Unternehmensberater Hans-Werner Grunow über ­absehbare Ausfälle bei Mittelstandsanleihen, die Rolle der Börsen und die Marktaussichten.

von Thomas Strohm, Euro am Sonntag

€uro am Sonntag: Herr Grunow, ­bei Mittelstandsanleihen gab es viele Pleiten und Skandale. Überrascht Sie das?
Hans-Werner Grunow:
Nicht wirklich. Es sind nicht die vielen Ausfälle überraschend, zu denen es bereits kam. Vielmehr wundert, dass nicht noch mehr Emittenten pleite sind. Bei vielen genügt ein Blick in den Geschäftsbericht, um zu erkennen, dass sie nicht in der Lage sein werden, ihre Anleihe aus dem operativen Geschäft heraus zu ­tilgen oder problemlos eine Anschlussfinanzierung zu arrangieren. Und abseits des Mittelstandsanleihemarkts werden diese Firmen mit ihrer schwachen Bonität kaum frisches Geld bekommen.

Wie sieht es mit Neuemissionen aus?
An den Markt für Mittelstandsanleihen kommen gegenwärtig keine Debütanten mehr. Bei den Emissionen dieses Jahr handelte es sich bisher ausnahmslos um Anleihen von bereits dort aktiven Firmen wie Katjes International, Enterprise Holdings oder NZWL. Der Markt ist bei Weitem nicht mehr so aufnahmefähig und akzeptiert nicht mehr jedes Unternehmen, das Geld einsammeln will. Mehrere geplante Emissionen wurden in diesem Jahr schon zurückgezogen, weil das Interesse der Anleger fehlte.

Ist die Börse einfach nichts für viele ­dieser Emittenten?
Grundsätzlich war es eine gute Idee, kleinen und mittleren Unternehmen einen neuen Finanzierungsweg zu eröffnen und gleichzeitig Privatanlegern die Möglichkeit zu geben, in mittelständische Unternehmen zu investieren. Das Ganze wurde aber von den beteiligten Börsen und Emissionsbegleitern völlig falsch umgesetzt. Viele Unternehmen, die nicht kapitalmarktfähig waren und woanders kein Geld mehr bekommen haben, drängten an den Markt. Das Ganze ist ein Niedergang mit Ansage.

Welche Rolle spielen die Börsen?
Die Börsen machen zwar gern das Geschäft mit den Mittelstandsanleihen, wollen aber keine Verantwortung übernehmen - was sie jedoch könnten. Auch beim Marktführer in Frankfurt mangelt es noch daran, die Vorgaben, die es für das Anleihesegment ja gibt, konsequent durchzusetzen und zu Sanktionen zu greifen, etwa wenn Geschäftsberichte nicht pünktlich vorgelegt werden oder ein gültiges Rating fehlt.

Wie sind die zum Teil großen ­Kursschwankungen bei einzelnen Anleihen zu erklären?
Der Markt für Mittelstandsanleihen ist kein richtiger Markt. Dort von Börsenbetrieb mit effizienter Preisbildung wie bei großvolumigen Unternehmensanleihen namhafter Emittenten zu sprechen, wäre maßlos übertrieben. Wegen des kleinen Volumens kommt es an einigen Tagen bei vielen Mittelstandsanleihen zu gar keinen Umsätzen. Wenn ein unerfahrener Anleger den Fehler macht, einen Verkaufsauftrag ohne Limit abzugeben, und ein erfahrenerer Anleger hat eine Kauforder mit einem Limit weit unter dem zuletzt gehandelten Kurs platziert, dann führt das zu den enormen Kursschwankungen, die mitunter zu beobachten sind.

Wie wird sich dieses Bondsegment ­weiter entwickeln?
Von den Ausfällen in den kommenden zwei bis drei Jahren wird abhängen, ob der Markt für Mittelstandsanleihen auf dem niedrigen Niveau, auf dem er sich momentan stabilisiert hat, überleben kann. Wenn, wie zu befürchten ist, ein nennenswerter Teil der Emittenten ausfällt, wird der Markt sterben.

Wie könnte das verhindert werden?
Einen neuen Impuls würde dieses Anleihesegment bekommen, wenn eine große Bank das Ganze als Emissions­begleiter völlig neu aufsetzen und professionalisieren würde. Bisher tummeln sich in diesem Markt eher Amateure, von denen man den einen oder anderen auch getrost als halbseiden bezeichnen darf. Keine der großen Banken war bereit, dort ihren guten Ruf aufs Spiel zu setzen. Eine Neuaufstellung müsste schon beim Anleiheprospekt beginnen, der sich mit seinen Rechten für Investoren eher an großvolumigen High-Yield-­Emissionen orientieren sollte.

Wie sollten Anleger sich verhalten?
Eine sinnvolle, in diesem Segment nichtsdestotrotz hoch spekulative An­lagestrategie könnte es sein, eine Anleihe für sechs bis zwölf Monate zu halten, sich aber auch mindestens ein Jahr vor Fälligkeit wieder davon zu trennen. Für ein klassisches Buy-and-hold-In­vestment - kaufen und nicht mehr beachten bis Laufzeitende - eignen sich Mittelstandsanleihen nicht.

Investor-Info

Refinanzierungswelle
Verlängern statt tilgen

Mit dem Modehaus Laurèl und der Wind­energiefirma E.N.O. Energy haben dieser Tage zwei Emittenten von Mittelstandsbonds zu Gläubigerversammlungen eingeladen, um die Laufzeit ihrer Anleihen zu verlängern. Die ­Laurèl-Gläubiger sollen am 31. August in Aschheim bei München auf den Zins für dieses Jahr verzichten, den Kupon senken und die Laufzeit der eigentlich 2017 fälligen Anleihe (ISIN: DE 000 A1R E5T 8) um drei Jahre verlängern. Bei E.N.O. Energy sollen die Gläubiger ohne Präsenzversammlung bis 10. September zustimmen, die 2016 fällige Anleihe bei gleich bleibendem Kupon um drei Jahre zu verlängern ­(DE 000 A1H 3V5 3).

Mit ­einer Änderung der Anleihebedingungen ­umgehen die Firmen die Refinanzierung, also die Suche nach neuen Geldgebern, um die Anleihe zu tilgen. Mittelstandsanleihen wurden nach dem Start dieses Segments 2010 oft mit einer Laufzeit von fünf Jahren emittiert, nun werden sie nach und nach fällig.

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