Investitionen in Verteidigungsfähigkeit und Infrastruktur ersetzen keine Zukunftsagenda

06.03.25 08:15 Uhr

Die Pläne von CDU/CSU und SPD zur massiven Mobili­sierung von Kapital, um die Vertei­digungs­aus­gaben zu steigern und die Infra­struktur zu ertüchtigen, sind ein positives Signal für Deutsch­land und für Europa. Einerseits, weil damit wesent­liche Verbesserungen der Standort­qualität im inter­nationalen Wettbewerb ermöglicht werden, andererseits, weil die politisch Verant­wortlichen offen­sichtlich erkannt haben, dass angesichts des enormen geo­politischen, wirtschaft­lichen und...

Die Pläne von CDU/CSU und SPD zur massiven Mobili­sierung von Kapital, um die Vertei­digungs­aus­gaben zu steigern und die Infra­struktur zu ertüchtigen, sind ein positives Signal für Deutsch­land und für Europa. Einerseits, weil damit wesent­liche Verbesserungen der Standort­qualität im inter­nationalen Wettbewerb ermöglicht werden, andererseits, weil die politisch Verant­wortlichen offen­sichtlich erkannt haben, dass angesichts des enormen geo­politischen, wirtschaft­lichen und gesellschaft­lichen Drucks außer­gewöhnliche Maßnahmen erforderlich sind. Zusammen mit den am Wochenende erfolgten Vorstößen Frankreichs und Großbritanniens zu einer stärkeren Unterstützung der Ukraine könnte ein gewichtiges Signal in Richtung der neuen US-Regierung gesendet werden: Europa ist willens und in der Lage, eine emanzipiertere Rolle im Kontext der geopolitischen Großmächte China und USA zu spielen. Das könnte zumindest die Verhandlungsposition Europas im Falle einer weiterhin drohenden Verschärfung des Handelskonflikts mit den USA verbessern. 

Die avisierten deutlich steigenden Ausgaben des deutschen Staates würden nicht nur mittel- bis langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts sichern, sie könnten kurzfristig auch zu einer Stützung der seit Jahren schwächelnden Konjunktur beitragen. So klagen aktuell knapp 50 Prozent aller Unternehmen in Deutschland über einen ausgeprägten Auftragsmangel, der bspw. im Bausektor oder in der verarbeitenden Industrie gelindert werden könnte. Bereits das Gefühl einer deutlich gesteigerten Handlungsfähigkeit Europas dürfte die Zuversicht der Menschen und damit den privaten Konsum sowie Investitionen von Unternehmensseite anregen. Deutschland ist zu diesem großen finanziellen Schritt nur in der Lage, weil die Staatsschuldenquote im Vergleich mit nahezu allen Industrienationen weltweit und dank der Schuldenbremse deutlich niedriger liegt. Trotzdem ist es richtig, die Schuldenbremse jetzt zu adjustieren bzw. wesentliche Investitionsvorhaben über einen Sonderfonds separat bereitzustellen. Denn die Sparsamkeit der letzten Jahre hat auch dazu beigetragen, dass notwendige Investitionen zum Erhalt öffentlicher Güter nicht in ausreichendem Maße vorgenommen wurden. Zu stark wurden hingegen soziale Leistungen des Staates ausgeweitet, nicht zuletzt im Zuge der Corona-Pandemie. Und damit rücken wieder die aktuellen Sondierungsgespräche zwischen den künftigen Koalitionspartnern in den Fokus. Denn Politik in Deutschland muss in jeder Hinsicht pragmatisch erfolgen. Wenn die bisher von der Union formulierte „rote Linie“ der Schuldenbremse fällt, muss man auch weitere parteienspezifische Grundpfeiler der letzten Jahre antasten dürfen, bspw. die Sozialabgaben und die Rente, um das Arbeitskräftepotenzial zu erhöhen. Zudem sollte eine noch zu formulierende Zukunftsagenda den bereits vielfach erwähnten Abbau von Bürokratie und die Beschleunigung von Verfahren in die Tat umsetzen. 

Dringend notwendig ist eine verlässliche Wirtschaftspolitik, auf deren Basis Unternehmen langfristig planen können. Und schließlich kommt es kurzfristig auch auf die beiden anderen etablierten Parteien der politischen Mitte an. Sollten FDP und/oder Grüne noch während der Legislatur des alten Bundestags dem Ausgabenpaket nicht zustimmen, droht der bisherige, lethargische wirtschafts- und verteidigungspolitische Weg und damit ein empfindlicher Dämpfer für die beginnende Etablierung Europas als eigenständiger Faktor im zunehmend komplexen Weltgeschehen. In diesem Fall dürfte es nach den jüngsten Rallyes empfindliche Rücksetzer für europäische Aktien und den Euro geben. Sollte sich hingegen der Eindruck verfestigen, dass Politik in Europa unter dem derzeit zweifellos enormen Handlungsdruck weiter in der Lage ist, die Zukunftsfähigkeit und Selbständigkeit des Kontinents und damit das Wachstumspotenzial voranzubringen, dürfte sich der seit Jahresanfang erkennbare Paradigmenwechsel zugunsten konjunktur- und zinssensitiver Aktien, auch aus dem Segment der kleineren und mittelgroßen Unternehmen, fortsetzen. Renditen europäischer Staatsanleihen hätten dann nur wenig Senkungsspielraum, die EZB-Leitzinsen könnten weniger stark als bisher erwartet sinken und der Euro dürfte im Vergleich zum US-Dollar fester tendieren.

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