Interview

"Am Rentenmarkt trennt sich zukünftig die Spreu vom Weizen"

15.05.17 11:30 Uhr

"Am Rentenmarkt trennt sich zukünftig die Spreu vom Weizen" | finanzen.net

Anleihenexperte Dr. Tobias Spies erklärt, welches Erfolgsrezept er hat und warum er sich ausgerechnet auf Nachranganleihen und andere Spezialitäten konzentriert.

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Mit seinem ARBOR INVEST Spezialrenten-Fonds erzielte Dr. Tobias Spies, Leiter Fixed Income bei der Huber, Reuss & Kollegen Vermögensverwaltung, 2016 einen Wertzuwachs von mehr als acht Prozent. Auch der Start ins Jahr 2017 verlief erfolgreich.

Herr Dr. Spies, Sie haben 2016 mit dem von Ihnen gemanagten ARBOR INVEST Spezialrenten-Fonds 8,3 Prozent Performance geschafft. Der Fonds zählte in seiner Peer-Group zu den Besten seiner Klasse. Was war das Erfolgsrezept?
Dr. Tobias Spies: Obwohl das Jahr 2016 für viele Bereiche im Rentenmarkt positiv endete, war es nicht einfach. In den ersten beiden Monaten gaben die Kurse von riskanteren Anleihen deutlich nach, während die Notierungen von Staatsanleihen kräftig zulegten. Die Ankündigung Anfang März der EZB, zukünftig auch Unternehmensanleihen zu kaufen, führte bei Corporate Bonds jeglicher Bonität zu einer Kursrally, die bis Mitte des Jahres anhielt. Im zweiten Halbjahr drehte sich das Bild. Steigende Inflations- und positive Konjunkturerwartungen ließen die Renditen am langen Ende anziehen, was zu erheblichen Kursverlusten bei entsprechenden Anleihen führte. Hinzu kamen wichtige politische Ereignisse wie der Brexit, die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten oder das Referendum in Italien. Auf die Kurse der "Spezialrenten", worauf wir uns konzentrieren, strahlte dieses Umfeld zunächst allerdings kaum ab. Erst in der zweiten Jahreshälfte zogen hier die Kurse nach. Insofern entwickelte sich der Fonds im ersten Halbjahr eher durchschnittlich, die gute Rendite kam überwiegend in der zweiten Jahreshälfte zustande.

Sie sind spezialisiert auf Nachranganleihen und andere Spezialitäten im Bond-Bereich. Welche Strategie steckt dahinter?
Wenn Huber, Reuss & Kollegen in eine Anleihe investiert, muss bei dieser eine Fehl- bzw. Unterbewertung vorlegen. Wir betreiben somit konsequentes Bond-Picking. Wir wollen uns damit weitestgehend unabhängig machen von möglichen Zinsentwicklungen, von den Entscheidungen der Notenbanken oder Veränderungen bei Bonitätseinstufungen. Wir investieren also nicht, weil wir hoffen, dass auf breiter Front die Rentenkurse steigen, wenn die Renditen fallen oder die Risikospreads sich einengen. Stattdessen konzentrieren wir uns darauf, Anleihen zu finden, bei welchen wir unabhängig von der Großwetterlage mittel- bis langfristig eine jährliche Rendite von mindestens fünf Prozent erwarten.

Damit sind Sie nicht allein. Auch andere Rentenmanager konzentrieren sich auf der Suche nach Rendite immer mehr auf Spezialthemen, seien es Hochzinsanleihen, Schwellenländer-Bonds oder eben Nachranganleihen. Was hebt Sie von der Masse ab?
Huber, Reuss & Kollegen hat in der Vergangenheit eine unheimlich starke Expertise im Bereich der Nachranganleihen aufgebaut. Ich persönlich beschäftige mich nun schon seit mehr als 15 Jahren mit diesem Marktsegment. Innerhalb der Branche hat sich unser Haus daher einen entsprechenden Ruf erarbeitet und ich glaube nicht, dass es viele unabhängige Vermögensverwalter gibt, die sich auf diesem Gebiet so gut auskennen. Unser Erfolg beruht darauf, dass wir zum einen die Bonität des Emittenten sehr genau bewerten und zum anderen - was noch viel wichtiger ist - die Bedingungen der Anleihen detailliert analysieren. Ein weiterer wichtiger Erfolgsbaustein ist, dass wir die Regulatorik vonseiten der Ratingagenturen bzw. der Aufsichtsbehörden genau kennen. Nur mit dieser Kombination - also Analyse der einzelnen Anleihen und der Regulatorik - lässt sich erkennen, welche Bonds attraktiv sind und wie sich veränderte Rahmenbedingungen auf einzelne Titel auswirken. So kann Huber, Reuss & Kollegen entsprechende Chancen, sofern sie sich bieten, konsequent nutzen. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang auch unser großes Netzwerk. Dieses hilft uns, dass wir die entsprechenden Bonds zu attraktiven Kursen auch handeln können.

Sie kaufen Nachranganleihen, zum Teil von Banken, die häufig nicht das beste Rating haben. Schreckt das nicht manche Mandanten ab? Schließlich sind diese Schlagwörter eher negativ behaftet.
Das ist richtig. Insofern besteht hier schon Erklärungsbedarf. Unsere Erfahrung ist aber, dass die Kunden sehr schnell verstehen, dass wir die einzelnen Anleihen sehr intensiv analysiert haben, somit auch das Risiko sehr gut einschätzen können und es sich bei diesen Anleihen aufgrund von Basel III um eine absolute Sonderchance handelt, die zeitlich begrenzt ist. Wie immer bei Huber, Reuss & Kollegen steht auch hier der Substanzerhalt im Vordergrund, darauf wird allergrößten Wert gelegt. Letztlich hängt es natürlich auch von der Risikoneigung jedes einzelnen Mandanten ab. Im Depot eines konservativ veranlagten Kunden spielen Nachranganleihen hinsichtlich der Gewichtung natürlich eine viel kleinere Rolle als bei etwas offensiver ausgerichteten Mandanten.

Können Sie ein Beispiel für eine attraktive Bank-Nachranganleihe nennen?
Ohne konkrete Empfehlungen auszusprechen, investieren wir beispielsweise in einen Bond mit einem Kupon von mehr als 8 Prozent, der bis zum Laufzeitende 2031 festgeschrieben ist. Nach 2021 kann der Bond laut den aufsichtsrechtlichen Vorgaben aber nicht mehr zum Eigenkapital gezählt werden. Das heißt, dass die Emittentin ab 2022 über 8 Prozent Zinsen für eine Anleihe bezahlen muss, die für sie reines Fremdkapital darstellt. Dies ist natürlich vollkommen irrational, denn aktuell könnte sich die Bank deutlich unter 2 Prozent refinanzieren. Laut Prospekt kann die Bank den Bond ab dem Jahr 2022 nur kündigen, wenn sie den Gläubigern auf einen Schlag alle noch ausstehenden Kupons mit dem Barwert vergütet. Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Wie wird sie reagieren? Unserer Meinung nach wird die Bank versuchen, den Bond in den kommenden Jahren vom Markt zu nehmen. Dabei muss sie den Investoren ein freiwilliges Rückkaufangebot unterbreiten, welches natürlich nur zu höheren Kursen erfolgen wird. Aufgrund dieser Konstellation rechnen wir mit Renditen von mehr als 10 Prozent per annum. Wichtig in diesem Zusammenhang ist noch, dass die Emittentin mit Investmentgrade eingestuft wird.

Was erwarten Sie vom Rentenmarkt 2017?
Ich denke, dass sich jetzt die Spreu vom Weizen trennt. In den vergangenen fünf Jahren haben viele Bond-Investoren davon profitiert, dass auf breiter Front die Kurse gestiegen sind, da sowohl die Renditen als auch die Risikospreads gesunken sind. Auch die Ausfallraten verharrten auf einem historisch niedrigen Niveau. Diese Phase neigt sich dem Ende zu, weshalb es für viele nun schwieriger wird, gute Renditen zu erwirtschaften. Daher glaube ich, dass Huber, Reuss & Kollegen als hochspezialisierter Bond-Picker die kommenden Jahre besonders gut nutzen kann.

Und wie sieht Ihr kurz- bis mittelfristiges Bild aus?
Aktuell sind wir eher etwas vorsichtiger aufgestellt, halten etwas Cash vor und haben eher defensivere Nachranganleihen übergewichtet. Ich gehe davon aus, dass wir dieses Jahr erneut eine erhöhte Volatilität erleben werden. Dann wollen wir bereit sein, um bei niedrigeren Kursen Chancen nutzen zu können. Hier kommt uns übrigens die ausgedünnte Liquidität bei vielen Anleihen zur Hilfe, die wir in Verbindung mit unserem Netzwerk gut nutzen können. Denn sobald viele Investoren auf der Verkaufsseite stehen und die Kurse nachgeben, wissen die Broker, dass unser Haus an bestimmten Titeln Interesse haben könnte. Häufig können wir die Bonds als größerer Abnehmer mit deutlichen Kursabschlägen erwerben, sodass wir über diese Schiene eine zusätzliche Rendite erwirtschaften. In diesem Umfeld bin ich sehr zuversichtlich, dass wir auf Fondsebene unser Ziel, fünf Prozent Rendite nach Kosten zu erwirtschaften, auch 2017 schaffen werden.

Über Huber, Reuss & Kollegen
Mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 2 Milliarden Euro ist Huber, Reuss & Kollegen der fünftgrößte unabhängige Vermögensverwalter in Deutschland, rund 750 private und institutionelle Mandanten zählen zu den Kunden der Münchner. Der Fokus von Huber, Reuss & Kollegen liegt auf einer individuellen Vermögensverwaltung. Derzeit beschäftigt das Unternehmen in München, Ingolstadt und Schonungen 27 Mitarbeiter, davon 19 Portfoliomanager.

Bildquellen: Sebastian Duda / Shutterstock.com, Huber, Reuss & Kollegen Vermögensverwaltung GmbH