Harte Nüsse für die Anleger

Mittelstandsanleihen: Pleitewelle droht

01.08.15 08:00 Uhr

Mittelstandsanleihen: Pleitewelle droht | finanzen.net

Mit Acazis ist erneut der Emittent eines ­Minibonds in die Pleite gerutscht. Experten erwarten weitere Ausfälle, wenn in den nächsten Jahren viele Papiere getilgt werden müssen.

von Oliver Ristau, Euro am Sonntag

Mit Giften zu han­tieren will gelernt sein. Etwa wenn es um die Nüsse des Rizinusstrauchs geht, die zwar wegen ihres Ölreichtums von der Chemieindustrie als Biorohstoff geschätzt werden, deren Verzehr aber tödlich enden kann. Die Rosenheimer Firma Acazis hatte Pech: Das Unternehmen, das in Afrika in großem Stil Erdnuss- und Rizinusplan­tagen ­anlegen wollte, hat vor Kurzem Insolvenz angemeldet.

Damit erweist sich auch die Anleihe (ISIN: DE 000 A1R 0RU 6) als toxisch. 2012 hatte Acazis ­einen Schuldtitel mit einem Zins von sieben Prozent begeben und damit 2,6 Millionen Euro ein­genommen. Diese wurden im ­Dezember 2014 fällig, allerdings nicht zurückgezahlt.

Acazis versuchte noch auf den letzten Drücker, mit Ausgabe eines neuen, bis 2016 laufenden Bonds die alte Anleihe abzulösen. Aber nur die Wertpapierkennnummer erblickte das Licht der Welt. "Unserer Kenntnis nach ist diese Anleihe nicht mehr emittiert worden", sagt der für die Insolvenz zuständige Jurist Wolfgang Bernhardt von der Münchner Kanzlei Pluta.

Vorstand mit Vorgeschichte

Hinter Acazis steckt der Schweizer Geschäftsmann Patrick Bigger. Der frühere Investmentbanker taucht nicht zum ersten Mal im Zusammenhang mit gescheiterten Geschäftsideen auf. Anfang der 90er-Jahre erwarb er die Mehrheit an der börsennotierten Schweizer Berg­bahn Tégé und baute sie zu ­einem Anbieter von Pommes-Frittes-Automaten um. Die Erfindung sollte den Fast-Food-Markt revolutionieren und aus der Aktie einen Bluechip machen. Die Idee floppte, die Aktie stürzte ab. Kurz vor der Pleite ermöglichte Bigger der Schweizer Handykette Mobilzone den Einstieg, die damit günstig an eine Börsennotiz kam.

Ähnlich verhielt es sich 1999 mit der E-Commerce-Firma Complet-e, für die Biggers Bruder Roger im Verwaltungsrat saß. Statt wie versprochen florierende Umsätze zu ­generieren, stand das Unternehmen ein Jahr nach Börsengang am Rand der Zahlungsunfähigkeit, die durch den Einstieg ­einer börsenwilligen IT-Beratungsfirma abgewendet wurde.

2009 übernahm Bigger den Vorstandsvorsitz bei Acazis, die da noch Flora Ecopower hieß. Schwarze Zahlen wurden mit dem Anbau und der Verwertung von Pflanzen keine geschrieben. Ende 2012, zum Zeitpunkt der Anleiheemission, war ein ­Bilanzverlust von 18 Millionen Euro aufgelaufen.

Warnung vor weiteren Pleiten

Der Fall überrascht Christian Gloeckner nicht, der eine Reihe von Anleihegläubigern in Insolvenzfällen vertritt. "Das meiste, das an Mittelstandsanleihen in den letzten Jahren emittiert wur­de, ist Schrott", sagt der Nürnberger Anwalt. Vielfach ­haben die Firmen mit den Einnahmen lediglich Bankdarlehen abgelöst. "Kaum etwas floss in das operative Geschäft", so Gloeckner. In den nächsten Jahren laufen viele Mittelstandsanleihen aus. Das kann für die Anleger sehr ungemütlich werden. "Rund 90 Prozent werden ausfallen", schätzt Gloeckner.

Wenn sie noch solvent sind, werden viele Emittenten versuchen, den Zahlungsverpflichtungen mit Ausgabe neuer Bonds nachzukommen, meint Heinz Steffen von Fairesearch. "Wer Mittelstandsanleihen im Depot hat, kommt nicht umhin, Markt, Unternehmen und Management regelmäßig zu beobachten", sagt er. Sonst könnte man relevante Ereignisse verpassen, die den Anleihekurs beeinflussen. "Investoren sollten das Geschäftsmodell des Unternehmens kritisch hinterfragen. Wichtig ist, sich die operative Ergebnisentwicklung und vor allem den Cashflow sowie die Gesamthöhe der Verschuldung genau anzusehen", rät Steffen.

Per se seien Mittelstands­anleihen jedoch keine schlechte Wahl. "Es gibt auch solide Unternehmen, die Bonds platziert haben und unter der schlechten Reputation des Markts leiden", erläutert Steffen. Hier könnten Anleger mitunter sogar attraktiv bewertete Papiere finden.

Ansprüche geltend machen

Wer riskante Anleihen hält, sollte die Schreiben seiner Depotbank genau verfolgen. Zen­trale Ereignisse wie eine Pleite des Schuldners werden im Internet unter insolvenzbekanntmachungen.de sowie im Bundes­anzeiger publiziert. Viele Depotbanken geben die Informationen an ihre Kunden weiter. Ist die Pleite bekannt, müssen die Ansprüche beim Insolvenzverwalter angemeldet werden. Nur dann besteht die Chance, etwas vom Erlös der Insolvenzmasse abzubekommen. Dies wird in der Gläubigerversammlung koordiniert, in der die Anleger auch einen gemeinsamen Vertreter wählen können.

Im Fall von Acazis ist die Versammlung für den 7. August im Amtsgericht Rosenheim anberaumt. Wie viel für die Gläubiger noch zu holen sein wird, werden die nächsten Monate zeigen. Neben einer alten Ölmühle können die Insolvenzverwalter wohl nicht viel mehr als einen Eukalyptuswald unter den Hammer bringen.

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Wann Anleihen fällig werden

Da der Markt für Mittelstandsanleihen in Deutschland 2010 startete und die Papiere oft eine Laufzeit von fünf Jahren haben, werden viele davon in den nächsten Jahren fällig. Vor allem 2018 steht eine ganze Reihe von Anleihen zur Tilgung an. Experten erwarten, dass die Anschlussfinanzierung einige Emittenten vor existenzielle Probleme stellen wird.

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Wenn die Firma insolvent ist

Anleiheanleger müssen, wenn der Emittent pleite ist, ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden. Haben die Anleihe­gläubiger bei einer Gläubigerversammlung einen gemeinsamen Vertreter gewählt, wird dieser die Anmeldung der Forderungen für alle übernehmen. Nach Verwertung der In­solvenzmasse weist der Insolvenzverwalter den Gläubigern eine Quote zu, nach der sie ausgezahlt werden. Diese liegt meist nur im ­niedrigen zweistelligen Prozentbereich.

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