Geldanlage-Report Armin Brack

Eurobonds: Teufelszeug oder letzte Rettung?

28.11.11 15:44 Uhr

Eurobonds: Teufelszeug oder letzte Rettung? | finanzen.net

Warum Eurobonds alleine Europa nicht helfen können!?

Ein Zins für alle – das ist die grundlegende Idee von Eurobonds, auf deren Einführung vor allem EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso beharrt.

In erster Linie die schwachen Länder würden profitieren. Sie könnten zu erheblich günstigeren Zinsen Schulden machen. Genau das ist aber der Punkt. Eurobonds erleichtern das Schulden machen, motivieren nicht zum Sparen.

Und darum ist es im Grunde richtig, dass Deutschland bzw. Kanzlerin Merkel sich sperrt gegen Eurobonds. Allerdings darf man bei Merkel nicht darauf vertrauen, dass morgen noch gilt, was heute gesagt wird. Das hat die Vergangenheit gelehrt.

Sag niemals nie – das ist die Politik der Kanzlerin. Angeblich wird hinter den Kulissen in Berlin auch schon über die Bedingungen verhandelt, zu denen Deutschland bereit ist, den umstrittenen Anleihen doch zuzustimmen. Es ist eine Zwickmühle: Ohne Eurobonds scheint die Währungsunion verloren. Mit deren Einführung aber auch – nur wäre etwas Zeit gewonnen...

Drei Varianten von Eurobonds wurden von der EU vorgeschlagen, offiziell bezeichnet als „Stabilitätsanleihen“. Die erste Variante ist die „große Lösung“: Alle nationalen Staatsanleihen werden schrittweise durch Eurobonds ersetzt, die Eurostaaten haften dann füreinander unbegrenzt. Nach der zweiten Option soll es Eurobonds nur für die Schulden geben, die das Maastricht-Kriterium von 60% des Bruttoinlandprodukts nicht überschreiten. Was den Betrag übersteigt, muss danach frei finanziert werden. Dritte Variante: Jedes EU-Land haftet bei einem möglichen Zahlungsausfall nur für den eigenen Anteil.

Was alle diese Varianten für Deutschland bedeuten? Es würden viele weitere Milliarden fällig, die der deutsche Steuerzahler zu tragen hätte. Immerhin müssen die Eurostaaten sich 2012 Hunderte Milliarden Euro an den Finanzmärkten besorgen – allein Italien benötigt mehr als 300 Milliarden Euro. Zu akzeptablen Konditionen ist das nicht möglich, denn das Vertrauen in Länder wie Italien, Spanien, Portugal und Griechenland hat sich auf lange Sicht verflüchtigt.

Hinzu kommt, was der Wirtschaftsweise Lars Feld im Südwestrundfunk so zusammenfasste: Die gemeinschaftlichen Euro-Anleihen könnten zwar kurzfristig die größten Probleme von Krisenländern lösen, langfristig setzten sie aber kaum Anreize für die Staaten, ihre Schulden abzubauen. Wie sollte es dann auch beispielsweise gelingen, drastische Sparmaßnahmen in einem Parlament gegen hartnäckigen politischen Widerstand durchzusetzen? Es gäbe da ja immer den Rettungsanker Eurobond.

Sozialisierung der Schulden als Untergang für Europa

„Diese Art der Sozialisierung der Schulden ist der Untergang für Europa und außerdem ein Rechtsbruch“, meint düster der Stuttgarter Wirtschaftswissenschaftler Werner Fockner. Tatsächlich sind gemeinsame Anleihen bisher wegen der so genannten „No-Bailout-Klausel“ verboten, nach der ein Eurostaat nicht die Haftung für die Schulden anderer Eurostaaten übernehmen darf. Allerdings geschieht genau das indirekt seit langem und keinen stört es.

Ein weiterer Punkt: Die Ideen der Eurobond-Befürworter beruhen unter anderem auf der Annahme, dass es wirtschaftlich sehr starke und sehr schwache Länder gibt, wobei die einen die anderen stützen sollen und werden. Doch zeichnet sich immer mehr eine Ausbreitung der Eurokrise auf alle Staaten des Währungsverbundes ab. Zunächst waren Österreich, Finnland und die Niederlande betroffen, jetzt trifft es auch Deutschland.

Ein Indiz: Am vergangen Mittwoch stießen die von der deutschen Bundesfinanzagentur angebotenen zehnjährigen Bundesanleihen am Markt nur auf geringes Interesse. Bei einem geplanten Volumen von sechs Milliarden Euro gaben Investoren lediglich Gebote für 3,889 Milliarden Euro ab. Der Kupon war mit 2 Prozent der bislang niedrigste für zehnjährige Papiere. Ein Desaster und im Grunde ein Misstrauensvotum gegen die gesamte Euro-Zone. Dass Banken als Abnehmer deutscher Anleihen derzeit bei Investitionen etwas kürzer treten, kann das allein nicht erklären.

Die Gefahr ist größer geworden, dass die Euro-Schuldenkrise auf den innersten Kern der Euro-Zone überspringt. Auch wenn deutsche Bundesanleihen noch immer die sicherste Anlage im Euroraum sind. Ich betone „noch“!

Die Kosten zur Absicherung gegen einen Zahlungsausfall bei Staatsanleihen aus dem Euroraum stiegen nach der Auktion übrigens auf Rekordhochs. Ein Alarmzeichen! Der Markit iTraxx SovX Western Europe Index, der Kreditausfallswaps von 15 Staaten umfasst, erreichte ein Allzeithoch von 370 Basispunkten.

Was das heißt: Investoren flüchten aus der Eurozone, haben sie im Grunde schon für tot erklärt. Das aber bedeutet auch: Eurobonds könnten allenfalls ganz kurzfristig die Lösung sein. Würden auch der Börse nur kurzfristig aufhelfen. Zunächst könnten die Aktienmärkte profitieren. Langfristig bräuchte es Vertrauen in die Schuldenstaaten, dass diese auch – über Jahre – ihre Hausaufgaben gewissenhaft machen. Wo aber soll das Vertrauen herkommen?

MEIN FAZIT:

- Derzeit sehe ich kein Allheilmittel aus der Krise. Der Rettungsschirm gilt schon als gescheitert. Die Schlinge zieht sich weiter zu. Die riesigen Schuldenberge vor allem im Süden Europas scheinen kaum noch beherrschbar. Dazu kommt ein Vertrauensverlust, der jetzt sogar vermeintlich solide Euroländer mit AAA-Ratings wie die Niederlande oder Österreich Probleme bereitet.

- Ob Eurobonds oder die ebenfalls diskutierte Forderung einiger „Experten“, die EZB sollte alle Anleihen am Sekundärmarkt aufsaugen, die über der entscheidenden Zinsmarke von sieben Prozent rentieren – Zaubermittel ohne Nebenwirkungen gibt es nicht.

- Wir müssen uns wohl damit abfinden: Eine Solidargemeinschaft für Schulden tut weh. Kann Deutschland sich lange verweigern, die ganz großen Geschütze aufzufahren gegen die Krise? Ich meine „Nein“, dafür hat man sich in Berlin schon zu sehr an dieses „Europa der falschen Voraussetzungen“ gebunden.

- Das aber bedeutet: Eurobonds werden eingeführt trotz der aktuellen Bekundungen der Bundesregierung. Vielleicht nicht gerade in einer Woche oder in vier Wochen, aber relativ kurzfristig innerhalb der nächsten sechs Monate und eventuell nennt man sie dann einfach nur anders. Ich kann nur hoffen, dass vor einer gemeinsamen Haftung für Schulden wenigstens die deutliche Verschärfung der Stabilitätsregeln steht.

- Wie sollten sich Anleger verhalten? Auf eine mögliche Eurobonds-Einführung wird der Aktienmarkt mit Kurssprüngen reagieren. Ich würde allerdings nicht auf den fahrenden Zug aufspringen, denn die Erholung an den Börsen wird vermutlich nicht anhalten. Eurobonds bedeuten mehr als fünf Prozent Zinsen für Deutschland. Und: Eurobonds bekämpfen nicht die Ursachen der Krise, sondern können nur deren Folgen mildern.

Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.