Euro Magazin-Interview

Christoph Rieger: Zum "Zins-Experten des Jahres" gewählt

24.01.18 15:00 Uhr

Christoph Rieger: Zum "Zins-Experten des Jahres" gewählt | finanzen.net
Christoph Rieger, Commerzbank

Zum dritten Mal wird Christoph Rieger Zinsexperte des Jahres. Im Interview gibt er einen Ausblick auf 2018 und verrät, was Bundesanleihen und Bitcoin eint.

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von Matthias Fischer, €uro Magazin

Das ist neuer Rekord: Bereits zum dritten Mal in Folge holt Christoph Rieger von der Commerzbank den Titel "Zinsexperte des Jahres". Das liegt diesmal vor allem an seiner treffsicheren Prognose der Rendite von Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit: Die taxierte er Anfang 2017 für das Jahresende auf 0,40 Prozent - ein Volltreffer. Im Durchschnitt waren hier die zwölf Zinsexperten von 0,55 Prozent ausgegangen, die Spannbreite reichte von minus 0,20 Prozent bis hin zu 1,10 Prozent. Beim Euribor für drei Monate landete der 47 Jahre alte Vater von zwei Kindern auf dem vierten Platz und liegt damit in der Gesamtwertung ganz vorn. Im Interview gibt er einen Ausblick auf 2018.

€uro: Herr Rieger, herzlichen Glückwunsch zum Titel "Zinsexperte des Jahres" - nun schon zum dritten Mal in Folge. Haben Sie eine Glaskugel?
Christoph Rieger: Nein, aber dafür ein gutes Team. Und etwas Glück.

Das stimmt, das Teilnehmerfeld lag diesmal besonders eng beieinander, da ging es um Zehntelprozentpunkte ... Wie wird es mit den Zinsen wei­tergehen?
Entscheidend wird sein, dass die EZB an ihrer "Forward Guidance" fest- hält. Diese besagt, dass die Leitzinsen "weit über den Zeithorizont des Netto­erwerbs von Vermögenswerten hinaus auf ihrem aktuellen Niveau bleiben werden".

Klingt kompliziert, was bedeutet das?
Mit einer Zinserhöhung ist erst nach Beendigung der Anleihekäufe (QE) zu rechnen. Erst einmal hat die EZB ja die Anleihekäufe bis September 2018 verlängert. Und angesichts der sehr verhaltenen Euro-Kerninflation rechnen wir im Sommer mit einer weiteren Verlängerung bis März 2019. Im Herbst 2019 könnte sie dann die Zinsen anheben.

Was bedeutet das für Anleihen?
Anleihen in der Währung Euro werden 2018 kaum eine positive Performance erzielen.

Also Finger weg von Bonds?
Nicht unbedingt. Sie lohnen aber nur, wenn Investoren bereit sind, höhere ­Risiken einzugehen - etwa durch schwä­chere Bonitäten, längere Lauf­zeiten oder fremde Währungen.

Und was wäre da interessant?
Nachranganleihen in Euro von Unternehmen mit guter Bonität sehen noch relativ günstig aus. In der ersten Jahreshälfte dürfte es insgesamt bei riskanteren Bonds zu Kursgewinnen kommen. In der zweiten Jahreshälfte drohen dann aber leichte Kursverluste. Der große Crash an den Bondmärkten, den viele Experten weiterhin erwarten, sollte 2018 allerdings ausbleiben.

Und wer andere Währungen mag ...
... der schaut sich kürzere Laufzeiten oder variabel verzinsliche Papiere in US-Dollar an. Grund: Der Zinsabstand bei Laufzeiten von zwei Jahren zwischen Dollar- und Euro-Papieren beträgt über zwei Prozentpunkte, ein ­Niveau, das nur sehr selten höher war. Dabei sollten sich Anleger aber immer des Währungsrisikos bewusst sein.

Viele Experten sehen den US-Dollar weiter auf Talfahrt.
Die anziehende Kerninflation, die Steuerreform, die Fed-Zinserhöhungen und der damit zunehmende Zinsvorteil dürften den Dollar stützen, ein Niveau von 1,12 Euro ist realistisch. Über 2018 hinaus überwiegen dagegen die Ar­gumente für einen schwächeren Dollar, etwa wenn die steigende US-Auslandsverschuldung zum Thema wird und die EZB den Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik einläutet.

Gibt es noch andere attraktive ­Währungen?
Die skandinavischen Währungen dürften zum Euro aufwerten, wobei Zins­erhöhungen insbesondere der norwegischen Krone Auftrieb verleihen könnten. Die tschechische Krone profitiert von der starken Konjunktur und steigenden Zinsen. Turbulenten Zeiten geht hingegen die türkische Lira ent­gegen, und das britische Pfund bleibt vor dem Brexit ebenfalls anfällig.

Und der Bitcoin?
Ich habe keine Ahnung, ob ein Bitcoin Ende 2018 bei 100 000 Dollar notiert oder wertlos sein wird. Unstrittig ist, dass Bitcoin allein schon wegen seiner hohen Volatilität auf absehbare Zeit nicht die klassischen Geldfunktionen übernehmen kann - etwa als Wertaufbewahrungsmittel. Aber: Der Markt für Kryptowährungen wird sich weiterentwickeln, und die Währung mit der sichersten und effizientesten Technologie sollte sich auch längerfristig durchsetzen. Und: Es gibt eine interessante Parallele zu Bundesanleihen ...

Wirklich? Welche denn?
Ein knappes Gut, dessen Angebot streng begrenzt ist, wird in aller Regel teurer, vor allem wenn immer mehr Geld geschaffen wird. Damit hören dann aber schon die Gemeinsamkeiten zwischen Bitcoin und Bunds auf.

Was macht die Wirtschaft in Europa?
Im Euroraum ist die Wirtschaft 2017 so stark gewachsen wie zuletzt vor der Finanz­krise. Daran wird sich 2018 nichts ändern.

Und auf Länderebene?
Spanien dürfte weiterhin unter den großen Ländern die beste Konjunkturdynamik aufweisen, aber auch Frankreich holt auf, während Italien hinterherhinkt - jedoch nicht mehr so stark wie zuvor. Unter den kleinen Ländern sehen die Niederlande und Slowenien gut aus. In Großbritannien leidet dagegen die Wirtschaft unter der Brexit-­Unsicherheit.

Und Deutschland?
Mit 2,5 Prozent sollte die deutsche Wirtschaft weiter über Potenzial wachsen, sodass die Arbeitslosenquote noch weiter fallen dürfte.

Bleibt die US-Konjunktur. Wie macht sich die größte Volkswirtschaft der Welt in diesem Jahr?
Hier läuft die Wirtschaft schon seit Längerem rund. Und sie wird 2018 einen zusätzlichen Impuls durch die jüngste Steuerreform erhalten. Insgesamt dürfte die US-Wirtschaft um 2,3 Prozent wachsen.

Welche Länder und Regionen bieten die besten Perspektiven?
Osteuropa, Indien und China sehen vielversprechend aus.

Bei der Fußball-WM im Juni spielen die aber kein Rolle ...
Nein, da ist Frankreich der Favorit.

Im vergangenen Jahr prognostizierten Sie, dass Ihr Lieblingsverein 1. FC Köln ­einen internationalen Platz erreichen würde. So kam es. Dieses Jahr läuft es aber viel schlechter, die Mannschaft steht in der Bundesliga nach der Hinrunde abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz ...
Wenn der FC seine Verletzungsmisere in den Griff bekommt, ist der Klassenerhalt immer noch drin.

Die Sieger im überblick

Die besten Zinsprognosen

Jeden Monat befragt €uro zwölf Zinsexperten nach ihrer Prognose für den Drei-­Monats-Euribor zu unterschiedlichen Stichtagen. Am Jahresende werden dann die Prognosen mit den realen Werten abgeglichen.
Die Sieger: 1. Platz: Eur. Economics & Fixed Income Team, Deutsche Bank; 2. Platz: Stefan Schilbe, HSBC Trinkaus & Burkhardt; 3. Platz: Ulrike Kastens, Sal. Oppenheim.

Die besten Renditeprognosen

Zudem fragt €uro von zwölf Zinsexperten Monat für Monat die Prognosen für die Rendite von Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit an verschiedenen Stichtagen ab und ­vergleicht diese dann am Jahresende mit den realen Werten.
Die Sieger: 1. Platz: Christoph Rieger, Commerzbank; 2. Platz: Christian Lips, Nord/LB; 3. Platz: Birgit Henseler, DZ Bank.

Die Gesamtwertung

Die Platzierungen aus den beiden oben genannten Kategorien fließen jeweils gleichgewichtet in die Gesamtwertung ein. Der Erstplatzierte in der Gesamtwertung wird von €uro zum "Zinsexperten des Jahres" gekürt.
Die Sieger: 1. Platz: Christoph Rieger, Commerzbank; 2. Platz: Eur. Economics & Fixed Income Team, Deutsche Bank; 3. Platz: Ulrike Kastens/Philipp Finter, Sal. Oppenheim.

Wie werden sich die Zinsen und Renditen 2018 entwickeln? Die exklusiven Renditeprognosen lesen Sie in der neuen Ausgabe Nummer 2/2018 des €uro Magazins, das ab heute im Handel erhältlich ist!









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Bildquellen: Bert Bostelmann/Finanzen Verlag

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