Türkei: Beben am Bosporus
Ministerpräsident Davutoglu hat seinen Rückzug angekündigt. Das hat die Lira weiter nachgeben lassen - eine Chance für mutige Anleger.
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von Alexander Sturm, Euro am Sonntag
In der Türkei bahnt sich ein Wechsel an der Regierungsspitze an: Ministerpräsident Ahmet Davutoglu kündigte jüngst an, beim anstehenden Parteitag der regierenden AKP am 22. Mai nicht mehr als deren Vorsitzender zu kandidieren. Gemäß Parteisatzung verliert er so auch sein Amt als Premierminister. Die Börse in Istanbul reagierte negativ: Der Leitindex ISE brach um mehr als drei Prozent ein, die Risikoaufschläge für türkische Staatsanleihen sprangen hoch.
Streit mit Präsident Erdogan
Hintergrund von Davutoglus Rückzug ist ein verlorener Machtkampf mit Präsident Recep Erdogan. Zwischen den beiden gab es Spannungen: Davutoglu gilt als proeuropäisch und liberaler als Erdogan, der die Türkei autoritär führt und ein Präsidialsystem mit noch mehr Macht für sich anstrebt. Dabei stand Davutoglu im Weg. Nun dürfte ein Vertrauter Erdogans Premierminister werden. Als Kandidat gilt Energieminister Berat Albayrak, ein Schwiegersohn Erdogans.Nach dem Abgang von Davutoglu hat sich der Tonfall zwischen Erdogan und der EU verschärft: Sie will die geplante Visafreiheit für türkische Staatsbürger nur erlauben, wenn die Türkei ihre Anti-Terror-Gesetze einschränkt. Sie ermöglichen es Erdogan, gegen Journalisten und politische Gegner vorzugehen.
Auch dürfte Erdogan den Umbau zum Präsidialsystem vorantreiben. Bei der Parlamentswahl im Herbst hatte die AKP-Partei die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Verfassungsänderung verpasst. Doch Erdogan könnte einen Trick anwenden und zeitweise die Immunität der Abgeordneten aufheben, glaubt Manfred Wolter, Volkswirt bei der LBBW: Ohne Schutz vor Strafverfolgung drohe gerade Parlamentariern der Kurdenpartei HDP eine Anklage, da Erdogan ihnen die Unterstützung der Terrororganisation PKK vorwirft. Verlören einige ihr Amt, hätte die AKP die Zwei-Drittel-Mehrheit. "Der Weg für die Zementierung der Macht bei Erdogan wäre frei", sagt Wolter.
Türkische Lira schon schwach
Die Lira gab mit der Nachricht von Davutoglus Rückzug nach und war zum Euro so schwach wie seit sechs Monaten nicht mehr. Das bietet risikobereiten Anlegern Chancen bei einer Anleihe, die die deutsche Förderbank KfW in Lira emittiert hat. Da die Bundesrepublik hinter der Bank steht, ist das Papier quasi ausfallsicher. Zugleich bietet der Bond wegen des Währungsrisikos einen Kupon von zehn Prozent. Die Lira dürfte aber nach Einschätzung von Experten nicht mehr viel verlieren. Bleibt sie etwa auf dem aktuellen Niveau, erzielen Anleger hohe Renditen über den Kupon. Ein weiterer Lira-Verfall würde diese schmälern.ISIN: XS1042116746
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