Euro am Sonntag-Meinung

Europas Renaissance: Kontinent mit besten Anlage-Chancen

03.12.17 15:00 Uhr

Europas Renaissance: Kontinent mit besten Anlage-Chancen | finanzen.net
Christian Kopf

Griechenland-Krise, Brexit, nationalistische Strömungen - im Bewusstsein vieler Anleger bergen Investments in der EU große Risiken. Doch dem ist nicht so.

von Christian Kopf, Gastautor von €uro am Sonntag

Eineinhalb Jahre ist es her, dass die Integration Europas den Tiefpunkt erreicht hatte. Im Juni 2016 stimmten die Briten für den Austritt aus der Europäischen Union (EU). Populistische Stimmen wurden in der Folge auch in vielen anderen EU-Staaten laut: In Österreich, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland zeigten die Meinungsumfragen vor den Wahlen ein Erstarken nationalistischer Kräfte. Und die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten machte deutlich, dass das Phänomen mitnichten nur europäischer Natur ist.



Und heute? Zwar hält Trump an der America-first-Politik fest und die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien lassen eher einen harten als einen weichen Brexit erwarten. Dennoch ist - zumindest in Europa - keines der Schreckensszenarien eingetreten. Im Gegenteil: In den Kernstaaten sind weiter die Europa-Befürworter am Ruder: Nicht weniger als eine "Neugründung Europas" forderte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, vom politischen "Wind in den Segeln" sprach EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Woher kommt das neue europäische Selbstbewusstsein?

Ein wichtiger Grund ist, dass sich die Stimmung der guten wirtschaftlichen Lage anpasst. Europa ist seit einiger Zeit besser als sein Ruf - insbesondere im Vergleich mit den Vereinigten Staaten. Dennoch herrscht bei vielen ein verzerrtes Bild vor, wenn es um die beiden in Euro gemessen größten Wirtschaftsräume der Welt geht. Mit Blick auf die Eurozone denkt so mancher an ein mehr oder weniger führungsloses Gebilde, destabilisiert von populistischen Strömungen, gezeichnet von Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Stagnation. Die USA hingegen werden nach wie vor als stärkste und dynamischste Volkswirtschaft der Welt wahrgenommen.


An den Märkten hatten die Euroskeptiker in der jüngeren Vergangenheit keine Freude. Sie ließen den einen oder anderen Euro liegen. Rentenanlagen aus der Eurozone haben in den vergangenen fünf Jahren mehr als doppelt so viel Ertrag abgeworfen wie ihre US-Pendants. Und aus Sicht eines deutschen Anlegers haben sich seit Anfang 2017 auch europäische Aktien deutlich besser entwickelt als der breite US-Markt - nicht zuletzt aufgrund der starken Gemeinschaftswährung.

Doch was erklärt die hohe wirtschaftliche Dynamik? Neben der geldpolitischen Unterstützung durch die Euro­päische Zentralbank greifen nun auch die strukturellen Reformen. Beispiel Arbeitsmarkt: Anders als es die mediale Wahrnehmung nahelegt, hinkt das Beschäftigungsniveau in Europa den USA nicht etwa hinterher. Die Arbeitslosenquote ist in den Vereinigten Staaten nur deshalb niedriger, weil sich dort nach der Finanzkrise gut fünf Prozent der Erwerbsfähigen vom Arbeitsmarkt verabschiedet haben.


Europäische Banken bieten
neue Chancen bei Anleihen

Zudem haben sich die Bedingungen für Unternehmen in der EU vielerorts deutlich aufgehellt. Der sogenannte Ease-of-­doing-Business-Index der Weltbank, der die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeit misst, hat vor allem für die europäische Peripherie erhebliche Verbesserungen ausgemacht. Insbesondere Spanien und Portugal haben in den vergangenen Jahren hart an sich gearbeitet.

Was folgt daraus? Investments in der Eurozone haben nicht an Attraktivität eingebüßt. Das gilt für Aktien, aber auch für die Rentenseite. Doch die Auswahl wird wichtiger. Mit Staatsanleihen aus Kerneuropa fällt das Geldverdienen schwer. Rückenwind dürfte es indes für Nachranganleihen von Banken geben. Sie profitieren vom erwarteten Zinsanstieg und der anziehenden Kreditnachfrage, die bei günstigen eigenen Re­finanzierungsbedingungen zu steigenden Margen führen sollte. Zudem sind viele Banken inzwischen in der komfortablen Situation, nicht benötigte Verlustrückstellungen auflösen zu können.

Wird der Weg der Strukturanpassungen fortgesetzt, dürften sich weitere Chancen ergeben. Allerdings: Sowohl von der Politik als auch vom Anleger ist aktives Handeln gefragt. Ein einfaches "Weiter so" kann dazu führen, dass erarbeitete Vorsprünge schnell eingebüßt werden.

zur Person:

Christian Kopf, Leiter
Rentenfondsmanagement Union Investment

Kopf leitet seit September 2017 das Rentenfondsmanagement von Union Investment mit mehr als 50 Mitarbeitern und gut 60 Milliarden Euro Kunden­geldern. Er ist eines von sieben stimm­berechtigten Mitgliedern des Union Investment Committee.
Union Investment ist die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Mit rund 310 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen ist sie einer der größten deutschen Vermögensverwalter für private und institutionelle Anleger.

Bildquellen: xxx, Union Investment