Euro am Sonntag

Bundesanleihen: Geld fürs Schuldenmachen

23.06.16 17:30 Uhr

Bundesanleihen: Geld fürs Schuldenmachen | finanzen.net

Erstmals rutscht die Rendite zehnjähriger Papiere unter null Prozent. Was den Staat freut, ist für Investoren eine Belastung.

von Alexander Sturm, Euro am Sonntag

Der Absturz markiert eine Zensur in der deutschen Finanzgeschichte: Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen, die seit 1960 herausgegeben werden, fiel am Dienstag erstmals unter die Schwelle von null Prozent. Investoren sind also bereit, dem Bund Geld zu zahlen, um sich zehnjährige Bonds ins Depot zu legen. Finanzminister Wolfgang Schäuble verdient mit dem Schuldenmachen Geld.



Zehnjährige Bundesanleihen sind die am weitesten verbreiteten Schuldtitel in der Eurozone und gelten hierzulande als Maßstab für die langfristigen Kapitalmarktzinsen. Verantwortlich für deren Verfall ist die Europäische Zentralbank (EZB), die im Kampf gegen die niedrige Inflation in der Eurozone seit Längerem Staatsanleihen im großen Stil aufkauft. Weil kurz laufende deutsche Staatspapiere schon länger negative Renditen ausweisen, kaufen die Notenbanker immer mehr lang laufende Titel. Schließlich darf die EZB nur Anleihen erwerben, deren Rendite über dem Einlagensatz von derzeit Minus 0,4 Prozent liegt. In der Folge steigen auch die Kurse lang laufender Anleihen immer weiter und die Renditen fallen.

Ein weiterer Grund für die hohe Nachfrage nach Bundes­anleihen ist die Angst vor einem Brexit-Votum am nächsten Donnerstag. "Unsicherheit treibt Investoren in den sicheren Hafen der Bundesanleihen", erklärt ­Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank.


Profiteur der Minusrenditen ist der Bund. Etwa die Hälfte seiner fast 1,1 Billionen Euro Schulden besteht aus zehnjährigen Anleihen. Er nimmt zwar keine neuen Schulden auf, schuldet alte Verbindlichkeiten aber um. So spart der Bund bei den Zins­ausgaben: 2016 gibt er dafür gut 25 Milliarden Euro aus, 2008 waren es fast 43 Milliarden.

Die Verlierer sind Sparer sowie Versicherer und Pensionskassen. Letztere sind gesetzlich verpflichtet, große Teile ihres Vermögens in als sicher geltende Anlagen wie Bundesanleihen zu investieren. Der Renditeverfall stellt sie vor Probleme, zugesagte Leistungen wie der Garantiezins für Lebens- und Rentenversicherungen wurden bereits gesenkt. Auch für Mischfonds, die in Anleihen und Aktien investieren, sind die Minuszinsen eine Herausforderung.


Anleger, die Papiere vor Laufzeitende verkaufen, haben indes große Kursgewinne verbucht. Doch Experten schlagen wegen der hohen Preise Alarm. "Renten im Euroraum sind viel zu teuer", warnt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. Mit steigenden Ölpreisen werde die Inflation wieder anziehen. Am Rentenmarkt drohe dann eine Neubewertung, die in Panik enden könne. "Die Blase würde platzen", sagt Bielmeier.

In der Tat ist die Luft dünn. Schon im vergangenen April stieg die Rendite von Bundes­anleihen ruckartig, da die Inflationserwartung anzog. Prompt stürzten die Kurse ab. Ähnliches könnte sich wiederholen. Investoren sollten auf der Hut sein.

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