Euro am Sonntag-Anleihecheck

Venezuela: Große Noten, kleines Budget

16.11.17 17:30 Uhr

Venezuela: Große Noten, kleines Budget | finanzen.net

Venezuela, das Land mit den höchsten Ölreserven der Welt, steht vor dem Staatsbankrott. Anleihe-Besitzer sollten sich auf Zahlungsausfälle einstellen.

von Emmeran Eder, Euro am Sonntag

Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Venezuela hat die höchste Inflation der Welt. Es wird geschätzt, dass sie bei mehr als 1.000 Prozent liegt. Deshalb druckt die sozialistische Regierung unter dem Präsidenten Nicolás Maduro die Banknote mit dem höchsten Nennwert der Welt, den 100.000-Bolívar-­Schein. Er entspricht umgerechnet aber nur zwei Euro. Vor einem Jahr war der größte Schein noch der 100-Bolívar-Schein.

Am Rande des Ruins

Im Zuge des nun schon jahrelang andauernden Machtkampfs zwischen Maduro und der Opposition zog die Geldentwertung weiter an. In dem Land, das die größten Ölreserven weltweit besitzt, hungern viele Menschen. Der Ölpreisverfall und die grassierende Misswirtschaft haben Venezuela an den Rand des Ruins getrieben. Die Wirtschaft ist im Sinkflug. Der IWF rechnet 2017 mit einem BIP-Rückgang von 7,4 Prozent nach zehn Prozent im Vorjahr.

Verantwortlich dafür sind Maduro und seine Herrschafts­clique, denen jedes Mittel recht ist, um an der Macht zu bleiben. Mithilfe des Militärs unterdrücken sie die Opposition und bewahren ihre Privilegien. Maduro regiert autokratisch mit Dekreten. Die Wirtschaft hängt fast vollständig vom Ölexport ab, da die Privatwirtschaft durch sozialistische Experimente fast ganz verdrängt wurde. Wegen der veralteten Ölförderan­lagen, die jahrzehntelang nicht modernisiert wurden, wird nur ein Bruchteil dessen, was möglich wäre, aus der Erde geholt.



Die rapide fallenden Export­einnahmen, die massive Kapitalflucht und der Umstand, dass ein großer Teil der Ölförderung als Ausgleich für hohe Kredite an China abgegeben werden muss, haben die Staatsfinanzen in Schieflage gebracht.

Restrukturierung geplant

Bis jetzt gab es zwar noch keinen Ausfall einer Staatsanleihe oder eines mit öffentlichen Garantien versehenen Bonds, wie zum Beispiel der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA, doch die Anzeichen, dass das bald geschehen wird, verdichten sich. Maduro hat angekündigt, eine Kommission damit zu beauftragen, eine Restrukturierung der Auslandsschulden zu überprüfen. "Das ist eine nette Umschreibung dafür, dass sich Anleger auf Zahlungsausfälle einstellen sollten", meint Matthias Krieger, Volkswirt mit Schwerpunkt Emerging Markets bei der LBBW.

Zahlungsausfall antizipiert

Die Kurse venezolanischer US-Dollar-Bonds, die schon seit Monaten nachgeben, erhielten noch einmal einen Abwärtsschub. Sie notieren nun auf einem Kursniveau, bei dem ein weitgehender Default, ein Zahlungsausfall, im Preis enthalten ist. Dabei orientieren sich die Anleger an früheren Pleiten südamerikanischer Länder wie Argentinien und Ecuador. Damals bekamen Anleihegläubiger nach Kapitalschnitten 25 bis 30 Prozent des Nennwerts zurück.

Dieses Szenario müssen Inhaber von Venezuela-Bonds auch fürchten. Denn die Devisenreserven betragen nach offiziellen Daten nur noch zehn Milliarden US-Dollar. Das Volumen ausstehender, auf Hartwährungen lautender internationaler Anleihen liegt nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) jedoch bei 50 Milliarden Dollar. Hinzu kommen Kredite aus China und Forderungen aus Kuba, das Venezuela seit Jahren mit Ärzten und Medikamenten unterstützt.

Die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls ist angesichts des desolaten Zustands der Staatsfinanzen, des Ölsektors und der übrigen Wirtschaft hoch. "Ähnlich wie vor Jahren in Argentinien und Ecuador dürfte ein solches Ereignis aber lokal begrenzt bleiben. Rückwirkungen auf das Segment der Schwellenländer-Bonds erwarte ich nicht", sagt Krieger. Hatten Börsianer doch genügend Zeit, sich auf den Default einzustellen. Der JPM-EMBIG-Diversified- USD-Bond-Index, der den Sektor der auf US-Dollar lautenden Schwellenländer-Bonds abbildet, reagiert bisher kaum auf die voraussichtliche Staatspleite.

Auch Goldman Sachs erfasst

Anleger, die noch Venezuela- Bonds haben, sollten diese auf dem gedrücktem Niveau halten und abwarten. Spekulanten ist vom Einstieg abzuraten. Sonst könnte es ihnen wie Goldman Sachs ergehen, die noch im Mai in großem Stil PDVSA-Bonds erwarben. Das könnte der Bank nun laut der Zeitung "Financial Times" bis zu 50 Millionen Dollar Verlust bescheren.

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