Die EZB kauft Unternehmensanleihen - mit Folgen für die Anleger
EZB-Präsident Mario Draghi gab Anlegern vor kurzem den vermeintlich guten Rat, sie müssten ihr Geld nicht nur auf dem Sparbuch anlegen, sondern hätten auch andere Möglichkeiten. Dies ist bei näherer Betrachtung jedoch weniger guter Rat als vielmehr ein Befehl.
Mit ihrem Kaufprogramm von Staatsanleihen und ihrer Niedrigzinspolitik hat die EZB die europäischen Sparer gut erzogen. Sie haben nach und nach ihre Sparstrümpfe eingemottet und verstärkt auf andere Anlagemöglichkeiten umgesattelt. Hoch im Kurs bei den Anlegern: Unternehmensanleihen, die mit ihren regelmäßigen Zinszahlungen noch als recht sichere Anlagemöglichkeiten gelten. Doch dieser Markt dürfte für die Anleger demnächst austrocknen. Denn die EZB hat am 8. Juni begonnen, verstärkt in Unternehmensanleihen zu investieren - mit klaren Folgen für die Anleger.
Die EZB im Kaufrausch
Die EZB hat beschlossen, sich auch bei Aktien und Anleihen von Unternehmen zu bedienen. Dabei hat die europäische Zentralbank natürlich ausschließlich Papiere von Firmen mit einem möglichst guten Rating im Blick. Die Folge: Der Kaufrausch der EZB bei den - auch bei vielen Anlegern beliebten - Unternehmensanleihen wird die Zinsen für diese relativ sicheren Anlagen immer mehr drücken. Anlegern, die auf ihre gewohnten Zinszahlungen nicht verzichten wollen oder können, bleiben dann dafür nur noch Investments mit deutlich höherem Risiko. Viel Zeit zur Umorientierung blieb den Anlegern dabei nicht. Bereits die Ankündigung der EZB im März, das Anleihekaufprogramm auf Unternehmensanleihen auszuweiten, zwang die Renditen vieler Bonds innerhalb kürzester Zeit in die Knie. In einigen Branchen halbierten sich die Risikoaufschläge sogar.Privatanleger werden ins Risiko getrieben
Kleinanleger könnten beim großen Aufkauf des Anleihemarktes durch die EZB das große Nachsehen haben. Wollen sie von Zinsen profitieren, bleibt ihnen nur das Risiko. Doch auch und vor allem die kleinen Betriebe aus dem Mittelstand könnten in Bedrängnis geraten, da diese gegenüber den Großkonzernen in einen veritablen Wettbewerbsnachteil rutschen dürften. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken erklärte gegenüber dem SPIEGEL, die Finanzierung via Anleihen sei "für 99 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen kein relevanter Finanzierungsweg".Großkonzerne sind die großen Profiteure
Die Big Player unter den Unternehmen dürften hingegen kräftig abräumen: Sie finanzieren sich durch das ausgedehnte Kaufprogramm der EZB noch günstiger und werden den Mittelstand voraussichtlich noch mehr in den Schatten stellen, als es jetzt bereits der Fall ist. Große Übernahmen könnten für solche Großkonzerne noch interessanter werden, wenn sie zu diesem Zweck Anleihen emittieren wollen, denn die EZB dürfte hier kräftig zugreifen und damit den jeweiligen Kauf mitfinanzieren.Der Anleihekaufrausch birgt auch Risiken für die EZB
Doch nicht nur die Privatanleger und Mittelstandsunternehmen werden von der EZB in unsicheres Fahrwasser gedrängt - auch die EZB muss gehörige Vorsicht walten lassen. Iifo-Präsident Clemens Fuest äußerte unlängst die Befürchtung, es bestehe die Gefahr, "dass marode Unternehmen Anleihen emittieren und sie an die EZB verkaufen". Für diese maroden Unternehmen wäre das EZB-Kaufprogramm ein Weg, um am Leben zu bleiben. Im Falle einer Pleite, würde die EZB jedoch ihr Investment verlieren.Verzerrungen am Rentenmarkt
Wenn ein Riesen-Investor wie die EZB am Rentenmarkt auftritt, so geschieht dies selbstredend nicht folgenlos. Die Kurse und Renditen dürften seit dem Start des Kaufprogramms von Unternehmensanleihen kaum noch die fundamentalen Daten der Unternehmen widerspiegeln. Auch Verzerrungen bei Hochzinsanleihen sind Marktbeobachtern zufolge zu befürchten - ebenso im Falle von Aktien. Für Privatanleger gilt daher, erhöhte Vorsicht walten zu lassen - das Parkett an den Rentenmärkten dürfte mit dem Big Player EZB zunehmend rutschiger - und riskanter - werden.Christina Fischer, Redaktion finanzen.net
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