S&P Fokus Finanzmarkt

Positive Branchentrends und günstige Finanzierungsbedingungen beflügeln den deutschen Immobiliensektor

01.03.16 10:20 Uhr

Positive Branchentrends und günstige Finanzierungsbedingungen beflügeln den deutschen Immobiliensektor | finanzen.net

Eine der grundlegendsten Gemeinsamkeiten der ansonsten sehr unterschiedlich fungierenden Immobilienmärkte in Europa ist das historisch niedrige Zinsniveau, das sich sehr positiv auf die Kreditfinanzierung im Immobiliensektor ausgewirkt hat.

Unterstützt durch ein günstiges wirtschaftliches Umfeld, hohe Beschäftigungszahlen, steigende Löhne und eine starke Inlandsnachfrage, stiegen die Immobilienpreise 2015 in Deutschland um nominell fünf Prozent. Für 2016 und 2017 erwarten wir einen weiteren Ansteig von mindestens vier Prozent. Obwohl die Nachfrage im Wohnimmobilienbereich stärker ausgeprägt ist als bei gewerblichen Immobilien, erwarten wir auch im letzteren Segment einen Anstieg vergleichbarer Mietpreise von zwei bis vier Prozent.

Wer­bung

Drei Faktoren prägen momentan den deutschen Immobiliensektor: starke M&A-Aktivität, ein verschärft wachsender Bedarf nach Wohnraum durch Zuwanderung und mögliche weitere Regulierungsrisiken auf dem Wohnimmobilienmarkt.

In den vergangenen zwei Jahren gab es zahlreiche Zusammenschlüsse und Übernahmen von Immobilienunternehmen, sowohl im Wohnimmobilien- als auch im Gewerbeimmobilienbereich. Da der deutsche Immobilienmarkt äußerst fragmentiert ist und überwiegend durch kleinere, privat geführte Unternehmen dominiert wird, sind weitere Konsolidierungen wahrscheinlich. Wir erwarten dabei weniger Zusammenschlüsse und Übernahmen von führenden Marktteilnehmern, sondern eher kleinere Akquisitionen oder Ankäufe einzelner Immobilienportfolien. Darauf weist auch die Tatsache hin, dass in jüngster Zeit verschiedene große Transaktionen nicht erfolgreich durchgeführt wurden.

Wer­bung

Die steigende Zahl von Einwanderern, insbesondere der aktuelle Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland, wird vermutlich die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage bei Wohnimmobilien in den Ballungsräumen weiter intensivieren, trotz eines sichtbaren Anstiegs von Neubauten. Eine Studie des in Hannover ansässigen Pestel-Institus kommt zu dem Schluss, dass in Deutschland bis zum Jahr 2020 pro Jahr 400.000 neue Wohnungen benötigt werden. Dem gegenüber stehen 2015 nur geschätzte 270.000 tatsächlich neu gebaute Wohnungen. Ein solch wachsendes Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage kann Immobilien- und Mietpreise stärker ansteigen lassen, als bisher von uns angenommen, und positive Auswirkungen auf Mieteinnahmen, Wertentwicklungen und Leerstandsquoten von Immobilienunternehmen haben.

Nach der Einführung der sogenannten "Mietpreisbremse" in bestimmten Ballungszentren besteht ein weiteres Regulierungsrisiko durch mögliche Interventionen der Regierung in den Wohnungsmarkt . Auch wenn weitere Regulierungen wahrscheinlich nur begrenzte Auswirkungen auf den deutschen Immobilienmarkt haben werden, bergen sie Unsicherheiten für Immobiliengesellschaften.

Wer­bung

Standard & Poor’s bewertet die Kreditwürdigkeit von Immobiliengesellschaften, Immobilien-Investmentgesellschaften, Real-Estate Investment Trusts (REITs; in Deutschland: G-REITs) und von Bauträgern und Projektentwicklungsgesellschaften.

Von Nicole Reinhardt, Kreditanalystin bei Standard & Poor’s Ratings Services in Frankfurt

Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de



Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

Bildquellen: Rufous / Shutterstock.com