90-tägige Zollpause / Schwierige Verhandlungen für Deutschland / Zölle wirken in USA wie ineffiziente Verbrauchssteuer
Die Zölle wirken wie eine groß angelegte, ineffizient erhobene Verbrauchssteuer – wobei der einzige kurzfristige Gewinner das US-Haushaltsdefizit ist.
Die 90-tägige Pause verschafft etwas Zeit für Deeskalation und Verhandlungen, doch die grundsätzliche Richtung ist klar: Höhere Zölle auf absehbare Zeit.
Zu den Folgen für die US-Wirtschaft
Selbst wenn die 90-tägige Atempause länger andauern sollte, stehen die Chancen für eine Rezession in den USA aus unserer Sicht weiterhin 50/50.
Höhere Zölle auf US-Importe treiben die Kosten für heimische Verbraucher und Unternehmen in die Höhe und verringern sowohl das reale verfügbare Einkommen als auch die Gewinnmargen. Gegenzölle werden zudem die US-Exporte belasten. Da sich die Zölle gleichermaßen auf Vorleistungs- und Konsumgüter beziehen, verteuern sie Investitionen ebenso wie den Konsum.
Im Sinne einer Faustregel schätzen wir, dass jeder Anstieg des durchschnittlich effektiven Zollsatzes um einen Prozentpunkt das Wirtschaftswachstum um etwa 0,1 Prozentpunkte verringert und die Inflation in ähnlichem Maße erhöht. Mögliche gegensteuernde Maßnahmen der Regierung sind in dieser Rechnung nicht berücksichtigt.
Zur Bedeutung der 90-tägigen Zollaussetzungen für Europa und China
Länder mit chronischen Handelsüberschüssen gegenüber den USA – darunter auch Deutschland – dürften deutlich schwerere Verhandlungsbedingungen vorfinden, um die geplanten Zölle zu vermeiden. Solche Länder müssten möglicherweise politische und wirtschaftliche Veränderungen struktureller Natur vornehmen und so ihre chronischen Handelsüberschüsse abbauen.
In jeglichen Verhandlungen mit China wird die US-Regierung wahrscheinlich Garantien anstreben, dass chinesische Hersteller keine Investitionen in „Verbindungsländer“ mehr als Schlupfloch nutzen können, um die direkte US-Zolltarife auf China zu umgehen.
Zu den Auswirkungen auf die Geldpolitik in den USA und anderswo
Anders als in den Jahren 2018 und 2019, als die US-Notenbank im Angesicht handelspolitisch bedingter Unsicherheiten vorsorglich den Leitzins senkte, dürfte sie diesmal zögerlicher auf die wirtschaftliche Schwäche reagieren.
Umfang und Reichweite der bereits eingeführten sowie geplanten Zölle sprechen für einen deutlich stärkeren Preisdruck, der die US-Inflation unserer Einschätzung nach spürbar über das Zwei-Prozent-Ziel der Fed (gemessen am PCE-Gesamtindex) treiben könnte. Dieses Inflationsszenario könnte den Spielraum der Fed für Zinssenkungen einschränken – es sei denn, die Arbeitslosigkeit steigt deutlich stärker als bislang.
Für den Rest der Welt dürften die Zoll-Maßnahmen hingegen deflationär wirken – was den Zentralbanken außerhalb der USA mehr Spielraum für Zinssenkungen lässt.
Grundsätzlich gehen wir von Zinssenkungen der Fed in der zweiten Jahreshälfte aus, da die Arbeitslosigkeit in den USA voraussichtlich steigen dürfte. Zuvor könnte die Fed jedoch unkonventionelle Maßnahmen ergreifen, um den Markt für US-Staatsanleihen zu stabilisieren – ähnlich wie die Bank of England, die im Jahr 2022 mit ihrem Anleihekaufprogramm auf den sprunghaften Anstieg der Gilt-Renditen reagiert hat.
Zum US-Steuersenkungsprogramm
Wenn das am vergangenen Wochenende vom Senat verabschiedete Haushaltsgesetz in Kraft tritt, könnten die aggressiveren Steuersenkungen einen Teil der durch die Zölle bedingten „Steuererhöhung“ ausgleichen, aber wahrscheinlich nicht vollumfänglich.
Die Nettowirkung der Einkommenssteuersenkungen und Subventionen sowie der Zölle entspricht einer sehr ineffizient angewandten Verbrauchs- oder Mehrwertsteuer.
Zu den Kapitalmärkten
Die erhöhte Unsicherheit wird voraussichtlich die Outperformance von US-Aktien in den letzten Jahren infrage stellen.
Trotz der jüngsten Volatilität und Neubewertung auf dem US-Staatsanleihenmarkt und auch anderen Rentenmärkten gibt es nach wie vor sehr gute Gründe für eine Diversifizierung weg von hochbewerteten US-Aktien und hin zu einer breiteren Mischung aus globalen, hochqualitativen Anleihen mit attraktiven Anfangsrenditen und einem günstigeren risikoadjustiertes Profil.
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