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Ex-Milliardär Eike Batista: Absturz made in Brasil

aktualisiert 16.07.13 22:53 Uhr

Eike Batista, der brasilianische Selfmademilliardär mit deutschen Wurzeln, steht vor dem ­totalen Absturz. Aufstieg und Fall eines Tycoons, der sich übernommen hat.

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von Andreas Fink, Euro am Sonntag

Eike Batista hat viel Geld verloren. Milliarden, viele Milliarden. Und jetzt muss er auch noch das X abgeben. Die neuen Herren des brasilianischen Stromkonzerns MPX, der jetzt von einem Manager des größten ­Anteilseigners, nämlich Eon, geleitet wird, haben Batista nach dessen Verabschiedung aus dem Aufsichtsrat mitgeteilt, dass sie nach einem neuen Namen für die Firma suchen. Einem Namen ohne X. Es war sein Symbol. Eike Batistas sämtliche Firmen tragen im Namen das Rechenzeichen fürs Vervielfachen (siehe Grafik).

Noch im März ­vorigen Jahres war sein Imperium Berechnungen zufolge 34,5 Milliarden Dollar wert. Heute, gut 15 Monate später, sind dem Sohn eines brasilianischen Vaters und einer deutschen Mutter noch 2,9 Milliarden Dollar geblieben. Im „Forbes“-Ranking der Superreichen lag der 56-Jährige 2011 an 8. Stelle, heute würde es nur noch für Platz 500 reichen.

Der spektakuläre Niedergang des Selfmademilliardärs ist ein — gewiss extremes — Exempel für die geplatzten Hoffnungen Brasiliens. Der Wachstumsmotor des grünen Riesen, der am Ende des vergangenen Jahrzehnts so vielversprechend rund lief, stottert seit 2011. Im Vorjahr wuchs die Wirtschaft kaum noch, die Inflation liegt mit 6,5 Prozent weit jenseits des Planziels von 4,5 Prozent. Der Aktienmarkt lässt nach, seit Jahresanfang verlor der Bovespa-Index 23 Prozent und die Ratingagentur Standard & Poor’s stufte im Juni ihre langfristige Prognose für Brasilien auf „Negativ“ herab. Zu müde das Wachstum, zu ­unsicher die Staatsfinanzen, um weiter die Note „Stabil“ zu erteilen.

Im selben Monat brachen in den wichtigsten Städten Straßenproteste aus. Auf einmal war das Land der ­Zukunft wieder mit den Übeln der Vergangenheit in den Schlagzeilen: Ineffizienz, Bürokratie und Korruption. Diese Nachrichten waren für viele Anleger ein Fanal. Und für Eike Bastista eine Katastrophe.

Denn Batistas Geschäftsmodell basierte auf drei Säulen: auf den ­vagabundierenden Dollars aus der ­US-Notenpresse, auf dem Rohstoffhunger Chinas und Indiens sowie vor allem auf den mannigfaltigen Möglichkeiten Brasiliens: üppige Bodenschätze, florierender Inlandsmarkt, Aufholbedarf bei der Infrastruktur. Batista wollte Brasiliens Rohstoffe fördern, veredeln, transportieren und in die aufstrebenden Industriestaaten Asiens exportieren.

Alle Unternehmensteile sollten einander zuarbeiten. Batista, der fünf Sprachen fließend spricht, überzeugte seine Geldgeber mit einem Gesamtkunstwerk voller Öl, Gas, Bohrinseln, Supertanker und Tiefwasserhäfen. „Idiotensicher“ pries er sein Konzept noch im September 2011. Doch nun, wenn die Dollarströme ebenso abebben wie die Einfuhren Chinas, knicken die zwei ­externen Fundamente weg. Aber am schlimmsten ist, dass das interne schon vor gut einem Jahr einstürzte.

Es war der 26. Juni 2012, an dem der Aktienkurs seines Öl- und Gas-giganten OGX um 26 Prozent fiel und den ganzen Bovespa-Index nach unten riss. Am Abend zuvor hatte ­Batista eingestehen müssen, dass die von OGX ausgebeuteten Ölfelder vor der Küste nur ein Drittel jener Ölmenge hervorbrachten, die seine Firma in Aussicht gestellt hatte. Und zwar unablässig. Zwischen 2009 und 2012 hatte OGX nicht weniger als 55 Meldungen über neue Funde publiziert, und nach jeder waren die Aktienkurse gestiegen. Heute hat die OGX-Aktie 95 Prozent ihres Maximalwerts verloren und auch alle anderen X-Titel gingen auf Crashkurs.

Den letzten Schlag erteilte Batista OGX persönlich: Am 4. Juli musste er einräumen, dass die Förderung am meistbeworbenen Ölfeld Tubarão Azul — zu Deutsch: blauer Hai — im nächsten Jahr eingestellt werde. OGX hatte unter dem Druck, möglichst schnell zu produzieren, nicht die gesetzlich notwendigen Genehmigungen eingeholt. Viele Kommentatoren fragen sich inzwischen: „Wie war das bloß möglich?“

Von Anfang an mit Risiko
Dabei ist das, was wir gerade erleben, nicht der erste Absturz des Eike Batista. Schon nach der Lehman-Pleite hatte er zwölf Milliarden Dollar verloren. Hohes Risiko begleitet seine Geschäftskarriere seit den Anfängen. Batista — geboren in Brasilien und aufgewachsen in Brüssel und Düsseldorf — schmiss mit 21 das Metalltechnikstudium in Aachen. Er zog an den Amazonas, kaufte Gold, verkaufte es teurer. Er begann die industrielle Goldförderung, ließ zerlegte Bagger in den Urwald fliegen und dort wieder zusammenmontieren. Mit 23 hatte er sechs Millionen Dollar verdient, die er auch in mehrere Goldminen steckte. Als diese dann liefen, verkaufte er sie an einen kanadischen Konzern.

Dass Batistas Vater Eliezer Batista lange Jahre Direktor des Minen­giganten Vale und auch Bergbauminister war, schadete nicht bei den Geschäften des umtriebigen Gold­suchers, der sein Geschäftsgebaren einmal so erklärte: „Ich bin ein Trüffel schnuppernder Labrador.“

Doch neben Trüffeln brachte er auch einigen Mist hervor: Seine Geländewagenmarke nahm nie Fahrt auf, sein Expresspostdienst kam nie an. Das Parfüm mit dem Namen seiner Ehefrau Luma de Oliveira verpuffte im Nichts. Auch schwere ­persönliche Rückschläge blieben nicht aus. Erst verzog sich der Duft, dann das Gefühl zwischen dem Milliardär und dem Ex-Model, das fünf Mal zwischen 1987 und 2005 das Titelbild des Männermagazins „Playboy“ zierte. Die Scheidung kostete Batista 250 Millionen Dollar.

Voriges Jahr war es der ältere Filius, der Eikes chirurgisch optimiertes Siegerlächeln raubte. An einem Sonntagabend, auf dem Heimweg von einer Sause in den Bergen, rammte Thor Batista einen Radler zu Tode. Er saß am Steuer eben jenes Mercedes-Benz SLR McLaren, den Eike zuvor in seinem Wohnzimmer aufgestellt hatte — als Dekoration. Schließlich schafften es Batistas sündteure Anwälte, dass die Richter den 20-Jährigen nicht ins Gefängnis schickten. Es war einer der skandalösen Urteilssprüche, die bei vielen Brasilianern jene Wut auslösten, die sich im Juni auf den Straßen entlud.

Viele der Demonstranten kritisierten die Korruption der Mächtigen —und auch Eike Batista bekam dabei ordentlich Kritik ab. Denn nach der Fußball-WM 2014 wird eine seiner Firmen 30 Jahre lang Rios famoses Maracanã-Stadion verwalten und ausbeuten können, nachdem das brasilianische Heiligtum mit einer halben Milliarde Dollar Steuergelder renoviert wurde.

Noch vor wenigen Wochen wurde spekuliert, Batistas stets exzellente Staatskontakte könnten ihm aus dem Schlamassel helfen. Schließlich gehören zwei große Staatsbanken mit 4,6 Milliarden vorgestreckten Dollar zu seinen größten Gläubigern. Allein Batistas börsennotierte Unternehmen hatten per Ende März 10,5 Milliarden Dollar Schulden angehäuft, so der Datenanalysedienst Economatica.

Urplötzlich ist Batista zu einem Kreditproblem geworden. Aber die Wut auf den Straßen ließ die Regierung seine öffentliche Rettung ablehnen: „Er braucht sie nicht. Er hat Vermögenswerte, die sehr wertvoll sind“, machte Industrieminister Fernando Pimentel klar.

Großkonzerne versilbern
Zum Beispiel das Hotel Gloria am Strand von Rio, das Batista zu einem Sechs-Sterne-Tempel ausbauen lassen wollte. Nun sucht er nach einem Partner. Zum Verkauf steht sein 26 Millionen Dollar teurer Embraer-Legacy-600-Jet. Doch das wird nicht reichen, er wird seine Großkonzerne versilbern müssen. Aber selbst das ist nicht so leicht. Viele seiner großen Projekte wie der „Superhafen von Açu“, 300 Kilometer nördlich von Rio, sind noch nicht fertig und benötigen noch mehr Geld, wenn sie denn einmal profitabel sein sollen.

Die Weitergabe der MPX-Anteile an Eon war deshalb wohl erst der Anfang. Brasiliens Medien spekulieren bereits über einen Verkauf der kolumbianischen Kohlegruben CCX. Und sie publizieren Insiderberichte über einen anstehenden Verkauf von Batistas Anteilen am Mineralien- und Metallkonzern MMX. Der Mediengigant „Globo“ zitierte zu Wochenanfang einen an den Verkaufsgeprächen beteiligten Banker. Demnach müsse Batista, wie bei MPX, auch MMX ganz verlassen. Und auch dieser Konzern solle einen neuen Namen bekommen. Ohne X.














Das Batista-Imperium
Ein begnadeter Verkäufer

Schon als Jugendlicher verkaufte Eike Batista an deutschen Haustüren Versicherungspolicen. Mitten in der Finanzkrise 2008 brachte er es fertig, beim Börsengang des Öl- und Gasgiganten OGX vier Milliarden Dollar an Investorengeldern aufzutreiben. OGX gehört zur EBX-Holding, unter deren Dach Batista seine verschiedenen Geschäfte gebündelt hat. Dazu gehören der Energieerzeuger MPX, der Bergbauriese MMX, der Logistikkonzern LLX, der Schiffbauer OSX sowie der Förderer kolumbianischer Kohle CCX. Bis zum Absturz der OGX-Aktien vor gut einem Jahr machten die Papiere drei Viertel des Aktienwerts von Batistas Imperium aus.

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