VW-Dieselskandal: Wer sind die beiden Hauptverteidiger von Martin Winterkorn?

06.09.24 10:29 Uhr

Neun Jahre nach Bekanntwerden des VW-Dieselskandals beginnt der Prozess gegen den Ex-VW-Chef Martin Winterkorn.

Martin Winterkorn (m.) neben seinen Hauptverteidigern Kersten von Schenck (l.) und Felix Dörr (r.).
Martin Winterkorn (m.) neben seinen Hauptverteidigern Kersten von Schenck (l.) und Felix Dörr (r.).
Pool/Getty Images

Der Prozess gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn im VW-Dieselskandal hat vor dem Landgericht Braunschweig begonnen.

Winterkorns Verteidigung besteht aus den erfahrenen Anwälten Kersten von Schenck und Felix Dörr, die den ehemaligen Top-Manager schon seit Jahren vertreten.

Die Staatsanwaltschaft wirft Winterkorn vor, früher über Abgasmanipulationen Bescheid gewusst und den Kapitalmarkt nicht rechtzeitig informiert zu haben.

Neun Jahre nach Bekanntwerden des Volkswagen-Dieselskandals begann der Prozess gegen den Ex-VW-Chef Martin Winterkorn. Vor dem Landgericht Braunschweig stellte sich Winterkorn zusammen mit seiner Verteidigung den Journalisten und Fotografen. Viele Fragen wurden nicht beantwortet. Die Botschaft: Präsenz zeigen.

Winterkorn hatte sich zuletzt aufgrund mehrerer komplizierter Hüftoperationen aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Jetzt stand er im Mittelpunkt. Links und rechts neben ihm seine Hauptverteidiger. Wer sind die Anwälte, die den 77-Jährigen in dem viel beachteten Prozess vertreten?

Was ist der VW-Dieselskandal?

Der VW-Abgasskandal, auch als Dieselgate bekannt, begann im September 2015, als Volkswagen zugab, Abgaswerte bei Dieselmotoren manipuliert zu haben. Die US-Umweltbehörde EPA deckte auf, dass VW eine Software in Millionen von Fahrzeugen installiert hatte, die während Emissionstests niedrigere Schadstoffwerte vorgaukelte als im realen Fahrbetrieb. Weltweit waren etwa elf Millionen Fahrzeuge betroffen, darunter Modelle von VW, Audi, Seat und Škoda.

Der Skandal führte zu erheblichen finanziellen Verlusten für VW, darunter Strafzahlungen in Milliardenhöhe und Rückrufaktionen. Der damalige VW-Chef Martin Winterkorn trat zurück, und der Konzern sah sich mit zahlreichen Klagen und einem erheblichen Imageverlust konfrontiert. Der Skandal hatte weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Automobilindustrie und führte zu verschärften Emissionsvorschriften und einem verstärkten Fokus auf alternative Antriebe.

Die Verteidiger an seiner Seite sind Kersten von Schenck und Felix Dörr. Zwei erfahrene und alteingesessene Juristen. Und die zeigen sich gelassen: "Wir sind fest davon überzeugt, dass alle Vorwürfe gegen ihn widerlegt werden können", sagte sein Anwalt Felix Dörr. Er erwarte nicht, dass mehr als 80 Termine nötig sein werden. Angelegt sind 89 Gerichtstermine bis September 2025.

Darum steht Winterkorn vor Gericht

Die zentralen Punkte aus der dreiteiligen Anklage der Staatsanwaltschaft sind seit dem Prozessauftakt klar. Die Strafverfolger sind überzeugt, dass Winterkorn deutlich früher über Abgasmanipulation Bescheid wusste, als er bisher angegeben hat. Spätestens seit Mai 2014 war der Angeklagte demnach über den Einsatz einer illegalen Software in den USA informiert. 

Winterkorn soll mit diesem Wissen VW-Käufer über die Beschaffenheit der Autos getäuscht haben. Zudem werfen ihm die Ankläger vor, in den entscheidenden Septembertagen 2015 den Kapitalmarkt vorsätzlich nicht rechtzeitig über Risiken durch Strafzahlungen informiert haben. 2017 soll er dann vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags uneidlich falsch dazu ausgesagt haben. Es gilt die Unschuldsvermutung. 

Wer sind die Verteidiger von Martin Winterkorn?

Die eine Säule von Winterkorns Verteidigung bildet Kersten von Schenck. Der renommierte Anwalt hat mehr als vier Jahrzehnte Berufserfahrung. Seine juristische Laufbahn begann er in den Vereinigten Staaten, wo er als "Foreign Associate" in einer Anwaltskanzlei in Washington, D.C. tätig wurde.

Zurück in Deutschland arbeitete er als Notar in Hamburg und ab 1985 als Rechtsanwalt und später als Partner für die Sozietät Pünder Volhard & Weber in Frankfurt am Main. 2000 wurde die Sozietät in die internationale Kanzlei Clifford Chance integriert.

Von Schenck verbrachte über 25 Jahre bei Clifford Chance, wo er zunächst als Partner und später als Of Counsel wirkte. Seine Expertise im Gesellschaftsrecht machte ihn insbesondere in der Bank- und Finanzbranche zu einem gefragten Spezialisten.

Zu seinen bedeutenden Mandanten zählten Institutionen wie die KfW und die Deutsche Bank, für die er regelmäßig wichtige Hauptversammlungen als Notar beurkundete. Von Schenck wurde in dieser Rolle 2003 Urkundenunterdrückung bei einer Hauptversammlung der Deutschen Bank vorgeworfen. Ein Gericht entschied: von Schenck habe ordnungsgemäß gehandelt.

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Neben seiner praktischen Tätigkeit engagierte sich von Schenck auch als Mitglied in verschiedenen Aufsichtsräten und Stiftungen, darunter die ThyssenKrupp AG und die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. Er ist zudem Autor juristischer Fachpublikationen. Seine Tätigkeit als Notar hat von Schenck seit 2021 niedergelegt. Als Verteidiger von Winterkorn tritt er bereits seit Längerem auf – so auch 2017 beim Abgas-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags.

Martin Winterkorn am Dienstag vor dem Landgericht Braunschweig.
Martin Winterkorn am Dienstag vor dem Landgericht Braunschweig.
Pool/Getty Images

Die anderen Säule der Verteidigung besteht aus Felix Dörr. Dörr absolvierte sein Studium der Rechtswissenschaften an der Goethe-Universität und erwarb dort auch 1988 seinen Doktortitel. Seine berufliche Laufbahn begann er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschafts- und Zivilrecht, bevor er sich vollständig der Anwaltschaft zuwandte. Seit seinem Einstieg in die Kanzlei Dr. Dörr & Kollegen im Jahr 1987 und seiner Ernennung zum Partner 1992 hat er sich in der juristischen Landschaft einen Namen gemacht.

In seiner Karriere hat Dörr besonders durch seine Verteidigung in komplexen und medienwirksamen Fällen Aufmerksamkeit erregt. Bei der tief in den Cum-Ex-Geschäften involvierten Maple Bank vertrat er ein ehemaliges Vorstandsmitglied vor Gericht.

Dörr ist wie von Schenck kein neues Gesicht an der Seite von Winterkorn und vertritt den Ex-VW-Chef in dem Skandal seit Jahren – so auch beim Abgas-Untersuchungsausschuss. Neben seiner Anwaltstätigkeit trägt Dörr durch regelmäßige Beiträge in juristischen Publikationen und durch die Zusammenarbeit mit spezialisierten Steuerberatern zur Weiterentwicklung des Steuerstrafrechts bei.

Diese Taktik verfolgt die Verteidigung vor Gericht

Die Taktik von Dörr und von Schenck: die Staatsanwaltschaft muss erst einmal beweisen, zu welchem Zeitpunkt Winterkorn von der Manipulationssoftware wusste. Erst dann könne man weiter verhandeln. Am Mittwoch sagte Anwalt Dörr vor Gericht: Von den Vorwürfen sei "wenig bis gar nichts belegt".

"Derjenige, der an der Spitze einer Organisation steht, ist verantwortlich für deren Führung und Überwachung", sagte Dörr. Und weiter: "Macht er dabei Fehler, haftet er gegenüber der Organisation, er macht sich aber nicht zwangsläufig strafbar wegen Betrugs zum Nachteil von Kunden oder der Kapitalanleger der Gesellschaft".

Winterkorn selbst verteidigte sich am Mittwoch ebenfalls vor dem Landgericht: "Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, ich hätte in meiner Aufgabe als Vorstandsvorsitzender gebotene Handlungen unterlassen, Kunden und Aktionäre getäuscht und geschädigt und mich damit strafbar gemacht, trifft mich – am Ende meines beruflichen Weges – ganz erheblich."

Ein Deal zwischen Winterkorns-Team und der Staatsanwaltschaft ist ebenfalls nicht ausgeschlossen. Das Verfahren könnte dann gegen eine Geldauflage eingestellt werden – sollte Winterkorn eingestehen, von der Software früher als bisher angegeben gewusst zu haben. Auf den einstigen Top-Manager dürften dann jedoch Strafzahlungen von mehreren Millionen Euro zukommen.

Im VW-Dieselskandal haben Gerichte bereits Urteile gegenüber anderen involvierten Personen ausgesprochen. Der Ingenieur James Liang wurde in den USA zu 40 Monaten Haft und einer Geldstrafe von 200.000 US-Dollar verurteilt. Auch der VW-Manager Oliver Schmidt bekannte sich in den USA schuldig und wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Rupert Stadler, der ehemalige Chef der Konzerntochter Audi, wurde in Deutschland wegen Betrugs zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Zudem musste er ein Bußgeld in Höhe von 1,1 Millionen Euro zahlen.

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Mit Material der dpa