Warren Buffett: Der Guru aus Omaha greift weiter an - was auf seiner Einkaufsliste steht
Der prominenteste Investor der Welt, Warren Buffett, ist 90 Jahre alt geworden. Doch Ruhe will er noch lange nicht geben. Im Gegenteil: Gerade verstärkt die Legende ihre Engagements weltweit.
Werte in diesem Artikel
von G. Baur und P. Gewalt, Euro am Sonntag
Wer wie Investmentguru Warren Buffett zu seinem 90. Geburtstag vergangenen Sonntag Lobeshymnen aus aller Welt erhält, könnte durchaus mit viel Stolz auf sein Lebenswerk zurückblicken. Wer aber wie Investmentguru Warren Buffett zu seinem 90. Geburtstag die Börsen weiter in Atem hält, hat mit seinem Lebenswerk längst nicht abgeschlossen. Vergangene Woche etwa sorgte er weltweit für Furore, als er milliardenschwere Beteiligungen von japanischen Handels- und Rohstoffkonzernen gekauft und ins Portfolio seiner Holding Berkshire Hathaway gelegt hat. Es folgte ein regelrechter Run auf die Aktien. Die Titel der fünf Firmen legten im Handel in Tokio um fünf Prozent zu. Ein Einstieg des Starinvestors ist immer noch ein Gütesiegel.
Schließlich gilt Buffett als Mann mit Weitsicht, der es ein Leben lang genutzt hat, sensationell niedrige Preise für Unternehmen zu erkennen und damit eines der größten Vermögen der Gegenwart angehäuft hat. 130 Milliarden US-Dollar Barreserven hält Berkshire Hathaway aktuell. Das entspricht in etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung von Zypern, Bolivien und Slowenien - zusammen, und vor der Corona-Rezession. Und das sind nur die sofort flüssigen Mittel der gigantischen Firma Berkshire Hathaway, die Buffett in seinem Leben aufgebaut hat: Fast 80 Unternehmen gehören der Holding ganz, von Versorgern über Versicherungen, Einzelhändlern und Zeitungen bis hin zu einer Eisenbahnlinie, fast 400.000 Menschen arbeiten für eine der direkten Berkshire-Töchter.
Dazu kommen Aktienpakete im Wert von rund 250 Milliarden US-Dollar. 245 Milliarden Dollar Umsatzerlöse und 81,5 Milliarden Gewinn nach Steuern bilanzierte Berkshire 2019 - Dimensionen, die kaum zu greifen sind. Heerscharen von Investoren haben versucht, hinter das Geheimnis von Buffetts Erfolg zu kommen und seine Methoden zu kopieren. Doch bislang konnte niemand Ähnliches erreichen.
Geboren wurde Warren E. Buffett vor 90 Jahren in Omaha, Nebraska, einem verschlafenen Städtchen im Midwest der USA. Vater Howard hatte einen Job im Wertpapierhandel einer Bank, bis sein Arbeitgeber wie Hunderte andere US-Banken in der Großen Depression schließen musste. Schon früh interessierte Warren Buffett sich für ertragreiche Geschäftsmodelle und hortete Münzen in einer Schublade, die er mit dem Tür-zu-Tür-Verkauf von Cola-Flaschen oder Kaugummis und später mit dem Verkauf aufgesammelter, verschlagener Golfbälle verdiente.
Der Graham-Jünger
Als Zeitungsjunge schuf er die finanzielle Grundlage für sein heutiges Milliardenvermögen. Mit 14 Jahren reichte Buffett seine erste Steuererklärung ein und hatte bereits 2.000 Dollar angehäuft, damals ein kleines Vermögen. Mit 20 Jahren hatte er sein Kapital durch Aktiendeals, Zeitungsrouten und ein paar kleinere Geschäfte auf 20.000 Dollar verzehnfacht. Er wusste mehr über Aktien und Börse als viele Profis und hatte einen hervorragenden Abschluss der University of Nebraska in der Tasche.
Buffett besaß die intellektuellen Fähigkeiten, den Ehrgeiz und die Zielstrebigkeit, die ein Investor mitbringen soll. Sein Vater hatte ihn zudem geschult, unabhängig zu denken und sich auch gegen Mehrheitsmeinungen zu stellen. Was Buffett fehlte, war eine systematische Methode, wie er das alles an der Börse gewinnbringend einsetzen konnte.
In einer Bibliothek entdeckte er ein Buch, das er entgegen seiner Gewohnheit gleich mehrmals las: "Security Analysis" von Benjamin Graham und David Dodd. "Ich dachte damals, dass dies das bei Weitem beste Buch über Investieren ist, das je geschrieben wurde, und ich denke es immer noch", sagt er. Als er herausfand, dass die Autoren an der Columbia University in New York lehrten, bewarb er sich dort und wurde angenommen.
Benjamin Graham - der intellektuelle Teil des Autorenteams - wurde schnell weit mehr als sein Lehrer. Graham hatte eine Methode entwickelt, wie man den Wert einer Aktie ausrechnen kann, für die damalige Zeit ein revolutionärer Ansatz. Buffett war begeistert von der Kombination aus Detektivarbeit, gesundem Menschenverstand und einem mathematisch konkreten Ansatz. Er zeigte sich als hochbegabt bei der Anwendung der Graham-Methode. Zudem waren Aktien in den 1950er-Jahren derartig unbeliebt, dass es nicht schwierig war, echte "Graham-Investments" zu finden. "Das war so, wie Fische aus einem Fass zu fangen", erinnert er sich.
Buffett investierte wie besessen: Als Student, während er später eine Zeit lang für Grahams Investmentfirma arbeitete und dann vor allem, als er nach Omaha zurückkehrte. Dort gründete er erst eine, dann mehrere Investmentpartnerschaften, mit denen er sein eigenes, aber auch das Geld seiner Familie, von Freunden und später auch von Fremden anlegte.
Er kaufte Anteile an Einzelhändlern, Banken, der Rabattmarkenfirma Blue Chips und einer Textilfirma namens Berkshire Hathaway. Später kamen Aktienpakete von American Express und Disney hinzu. Die Anzahl seiner Partnerschaften und sein Vermögen wuchsen ständig steil an. Zwischen 1957 und 1968 erzielte Buffett mit seinen Partnerschaften regelmäßig gut 30 Prozent Rendite pro Jahr und machte so aus jeweils 10.000 Dollar mehr als eine Viertelmillion. Doch nach und nach wurde das Fass mit den Graham-Fischen immer leerer: Ende der 1960er waren Aktien wieder im Aufschwung, und der reine Graham-Ansatz brachte so gut wie keine Treffer mehr. Daher löste Buffett alle Partnerschaften auf und wollte in den Ruhestand gehen.
Auch die Anteile an der Textilfirma Berkshire Hathaway wollte er für einen anständigen Preis losschlagen. Als das offizielle Angebot in Buffetts Büro in Omaha eintraf, war der Angebotspreis aber ein paar Cent niedriger als ausgemacht. Er schaltete auf stur. Statt zu verkaufen, kaufte er Berkshire-Aktien nach und besaß so nach einiger Zeit ein Drittel des Unternehmens. "Ich war der Hund, der das Auto gefangen hatte", sagt er.
Buffett übernahm den Aufsichtsratsvorsitz und begann, Berkshires freie Mittel für seine Investmentideen zu nutzen. Später funktionierte er die Firma als Holding für alle anderen Beteiligungen um. Unter dem Einfluss von Charlie Munger hatte Buffett Anfang der 1970er-Jahre endlich eine neue Methode gefunden, den inneren Wert eines Unternehmens zu definieren.
Munger kannte er seit 1959 und war seither mit ihm in ständigem Austausch über Investitionsideen gewesen. Vor allem Munger versuchte die Schwachstellen des Graham-Ansatzes zu überwinden. Denn der lief nicht nur in den boomenden Aktienmärkten der späten 1960er-Jahre ins Leere. Wer ein echtes Graham-Schnäppchen kauft, macht zudem nur genau einmal einen großen Gewinn, danach muss er nach einer neue Idee suchen.
Stattdessen wollten die beiden lieber Unternehmen finden, die sie behalten und von denen sie auf Dauer profitieren konnten. Firmen, die ohne großen zusätzlichen Kapitaleinsatz ständige Gewinne abwarfen. Vor allem Munger suchte solche "hervorragenden" Unternehmen und überzeugte Buffett beim Kauf des kalifornischen Schokoladenherstellers See’s Candies davon, dass man für solche Schätze auch durchaus mehr bezahlen kann. Mit Erfolg: See’s entwickelte sich zu einem der besten Investments, die Buffett je getätigt hat.
Ein Burggraben als Erfolgsmodell
Die Kaufkandidaten für Berkshire mussten ein paar Voraussetzungen erfüllen: Sie brauchen ein stetiges, prognostizierbares Geschäftsmodell, wenig Schulden oder Altlasten, sodass sie eine Krise überstehen könnten, und eine kaum angreifbare Position im Markt. Dieser "Burggraben", wie Munger und Buffett das nennen, war in früheren Jahren vor allem ein Markenname wie Coca-Cola, später auch eine regulierte Branche wie das Versorgergeschäft oder ein Business mit immensem Kapitalbedarf, der Neueinsteiger abhält, wie eine Eisenbahnlinie.
Beide gehen davon aus, dass alle Krisen des Kapitalismus vorübergehend sind. Sie prognostizieren nie die Börsenverläufe, wie hoch oder niedrig der Kurs eines Unternehmens steht, ist für Buffett und Munger nur interessant, wenn sie etwas kaufen wollen. "Wir sehen Aktien als Geschäftsanteile und nicht als Indexanteile", erklärt Warren Buffett das Prinzip.
Mit den Jahren fanden die beiden viele "hervorragende Unternehmen": Berkshire wuchs und wuchs, sie kauften ganze Firmen, große Einzelhänd- ler, Industrieunternehmen, Teppichhersteller, Ziegeleien, eine Autohauskette und immer wieder große Aktienpakete von Coca-Cola, der Ratingagentur Moody’s, von Banken, Chemiefirmen und vieles mehr. Lange Zeit war so gut wie jedes der Engagements ein Treffer und lieferte stetige Gewinne oder Dividendenzahlungen an Berkshire, die dann wieder investiert wurden.
Dort sind außer Buffett nur zwei Handvoll voll Mitarbeiter beschäftigt. Berkshire Hathaway ist damit das ungewöhnlichste Headquarter eines internationalen Konzerns. Es gibt keinen großen Überbau, keine Research- oder Personalabteilung oder gar aufwendige Kontrollapparate - all das überlässt Berkshire seinen Tochterfirmen. Noch will Buffett nicht aufhören. Auch wenn er in den vergangenen Monaten wieder einmal zu hören bekommen hat, dass er die Zeiten nicht mehr verstehen würde - wie jedes Mal in seiner Karriere, wenn er einen Börsenboom aussaß, ohne eine einzige Aktie zu kaufen.
Es sind daher wohl kaum die Schlagzeilen, die ihn dazu bewegt haben, nun doch kräftig zu investieren - vor einigen Wochen zehn Milliarden in das Erdgastransport- und -speicherunternehmen Dominion Energy sowie eine gute Milliarde Dollar in eine Aufstockung seines Anteils an der Bank of America. Nun hat Buffett in Japan zugeschlagen. Hier dürften die günstigen Bewertungen - vier der fünf Unternehmen notieren unter ihrem Buchwert - seine Aufmerksamkeit erregt haben.
Ohnehin gilt der japanische Aktienmarkt als Paradies für Value-Investoren. "Ich freue mich sehr, dass Berkshire Hathaway ein Teil von Japans Zukunft wird", sagt Buffett zu seinen milliardenschweren Investments. Und vergleicht seine neuen Engagements mit seinen erfolgreichen Beteiligungen an Coca-Cola, American Express und der Ratingagentur Moody’s.
Die Aktie:
Berkshire Hathaway
Die Holding Berkshire ist breit aufgestellt. Zum Portfolio gehören rund 90 Firmen, etwa aus den Bereichen Versicherungen und Industrie, die der Konzern kontrolliert. Hinzu kommen große Aktienpakete. In übertriebenen Haussephasen blieb Buffett mit seiner konservativen Strategie oft hinter dem Markt zurück. Über Krisenzeiten hinweg schnitt er bislang immer besser ab. Für Langfristanleger ist die B-Aktie (ISIN: US 084 670 702 6) der Holding eine Gelegenheit.
Vita:
Vom Austräger zum Milliardär
Warren Buffett wurde am 30. August 1930 in Omaha geboren. Er ist das zweite Kind von Leila und Howard Buffett. Sein Vater war von Beruf Broker und wurde später Kongressabgeordneter. Nach der High School studierte Buffett und erwarb an der Columbia University in New York den Master of Economics. Einer seiner Lehrer war Benjamin Graham. Später machte Buffett sich selbstständig und wurde mit 30 Jahren Millionär und mit 55 Jahren Milliardär. 1962 begann er Aktien von Berkshire Hathaway zu kaufen, das ihm seit 1969 als Investmentpool dient. Heute setzt Berkshire rund 250 Milliarden US-Dollar um.
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