Emerging Market Bonds: Drahtseilakt zwischen Rendite und Totalausfall?
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Anleihen aus Schwellenländern bieten viele Chancen mit hohen Kupons und interessanten Kurssteigerungspotenzialen. Sie sind aber keine "sichere Bank", die Auswahl sollte immer unter dem Aspekt der Risikominderung geschehen.
Auf der Suche nach Rendite müssen Anleger heute mehr Risiken eingehen als in der Vergangenheit. Daher rückt der Blick auch innerhalb der traditionellen Anlageklassen auf besondere Instrumente, von denen viele Investoren früher eher Abstand gehalten haben. Dazu gehören unter anderem Anleihen aus Schwellenländern, auch als Emerging Market Bonds bekannt. Ein Zahlenbeispiel: Fonds, die in Hartwährungsemissionen investieren, sind in Europa inzwischen die elftgrößte Fondskategorie mit einem verwalteten Vermögen von 149 Milliarden Euro. Das hat auch damit zu tun, dass Schwellenländer an wirtschaftlicher Bedeutung zunehmen: Rund 40 Prozent des globalen Bruttoinlandprodukts (BIP) stammen aus diesen Ländern.
Grundsätzlich bieten diese Bonds ein hohes Renditepotenzial. Zwischen sechs und sieben Prozent jährlich sind für Anleger drin - auch wenn 2018 nicht gerade ein Vorzeigejahr für diese Anlageklasse gewesen ist mit einem durchschnittlichen Kursrückgang von sieben Prozent. Dies lag vor allem an den steigenden US-Zinsen sowie länderspezifischen Problemen wie etwa in Argentinien und der Türkei. Experten erwarten aber für 2019 ein besseres Umfeld. Die negativen externen Faktoren, die 2018 noch das Segment belastet haben, hätten sich stabilisiert, umgekehrt oder würden bereits in den Kursen eingepreist, sodass Schwellenländeranleihen wieder attraktiver erscheinen. Wer jetzt einsteigen will, findet noch eine Reihe von vergleichsweise günstigen Angeboten Bei vielen Schwellenländeranleihen sind weit überdurchschnittliche Kuponzahlungen zu erwarten, bei Notierungen von aktuell deutlich unter 100.
Es steht aber generell in Frage, ob Einzelanleihen in Hartwährung überhaupt Sinn ergeben. Neu aufgelegte Anleihen guter Qualität weisen stark reduzierte Kupons auf. Hingegen können Fonds, sei es als Marktabbildung mittels ETF oder auch aktiv gemanagt, gerade in einem solch komplexen und teils schnelllebigen Segment einen Mehrwert schaffen und die Diversifikation erhöhen. Der "USD Emerging Markets Government Bond" von Vaguard beispielsweise bildet den Index öffentlich gehandelter, auf US-Dollar lautender Schuldscheine mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr sowie einem Mindestemissionsvolumen von 500 Millionen US-Dollar ab. Der Fonds investiert in knapp 1000 Anleihen und schüttet monatlich aus.
Um Schwankungsrisiken zu entgehen, sollten Anleger aber vorab strategisch entscheiden, welches Ziel sie mit Schwellenländeranleihen verfolgen. Wollen sie über einige Jahre hinweg einen überdurchschnittlichen Kupon sichern oder über einen dynamischen Ansatz Renditeopportunitäten wahren? Ist das Ziel die jährliche Zinszahlung, können die Anleihen recht entspannt ohne den strengen Blick auf die Kurse liegengelassen werden (sofern der Emittent den individuellen Risikocheck hinsichtlich Bonität und Ausfallwahrscheinlichkeit übersteht); die Wette auf kurzfristige Kursgewinne hingegen kann natürlich auch negativ ausgehen, wie 2018 gezeigt hat.
Die Chancen am Anleihenmarkt sind groß, es locken hohe Kupons und interessante Renditeaussichten. Diese Opportunitäten sollten aber den Blick für die Gefahren nicht trüben: Schwellenländer-Bonds bleiben eine volatile Angelegenheit. Diese Einschätzung passt zu einer weiteren Zahl: Wie die Rating-Agentur Moody’s herausstellt, hat die Ausfallrate von Staatsanleihen weltweit nach zwei Jahrzehnten eines niedrigen Standes 2017 mit 3,1 Prozent den höchsten Stand seit 1989 erreicht.
von Thilo Stadler, Vermögensverwalter bei I.C.M. Independent Capital Management in Mannheim und Neuss
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