Das Inflationsgespenst geht um
Auf einmal ging es ganz schnell. Der plötzliche Zinsanstieg sorgte für zunehmende Nervosität an den Börsen.
Seit August vergangenen Jahres sind die Renditen der zehnjährige US-Staatsanleihen von 0,5 Prozent auf knapp 1,6 Prozent gestiegen. Auslöser ist eine aufkommende Inflationsangst. Der deutliche Anstieg hat in der vergangenen Woche Schockwellen am US-Anleihemarkt ausgelöst und auch den Aktienmarkt unter Druck gebracht. Besonders sensibel reagierten Wachstumsaktien auf Zinsveränderungen, weil die Unternehmen den Großteil ihrer Einnahmen in der Zukunft erwirtschaften.
Für den derzeitigen Zinsanstieg vor allem in den USA gibt es einige Gründe. Vor allem das gigantische Rettungspaket in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar, das derzeit in den USA verabschiedet wird, erhöht das Angebot an US-Staatsanleihen. Zusätzlich wirkt sich die erfolgreiche Impfkampagne in den USA positiv auf die Wachstumserwartungen der US-Wirtschaft aus. Letztlich befürchten die Anleger in den USA das die Inflation deutlich anziehen wird. Denn die Pandemie hat teilweise zu erheblichen Störungen in den globalen Lieferketten geführt. Dies führt in manchen Bereichen zu Preissteigerungen. Beobachter sprechen in diesem Zusammenhang von einer Flaschenhalsinflation. Diese tritt immer dort auf wo eine große Nachfrage auf ein reduziertes Angebot trifft. Die Frage ist nun, ob diese Preiserhöhungen ein vorübergehendes Merkmal einer wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie sein werden oder den Anfang einer länger anhaltenden Inflation darstellen.
"Money matters"?
Für Nobelpreisträger Milton Friedman ist Inflation immer und überall ein monetäres Phänomen. Als bedeutender Vertreter des Monetarismus ist für ihn die Geldmenge die entscheidende Stellgröße im Wirtschaftsablauf. Friedman selbst prägte dazu den Slogan: "Money matters" ("Es kommt auf die Geldmenge an"). Im Moment wächst die Geldmenge M2 - Bargeld, Sichtguthaben, Termingelder und Sparanlagen - in Europa mit einer Jahresrate von über zehn Prozent. Eigentlich müssten bei zehn Prozent mehr Geld bei gleichem Warenangebot die Preise um 10 Prozent steigen. Allerdings zeigt die Entwicklung der letzten Jahre, das nicht automatisch alles teurer werden muss, nur weil mehr Geld vorhanden ist. Viel entscheidender für die Preisentwicklung sind derzeit die Produktionskosten. Vor allem die Löhne und Gehälter haben neben den Rohstoffpreisen einen entscheidenden Einfluss auf die Produktionskosten. In der Vergangenheit kam es immer dann zu erheblichen Teuerungsschüben, wenn Löhne und Gehälter stark stiegen. Deshalb kommt es bei niedriger Arbeitslosigkeit zu höheren Preisen. Denn nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage müssen Unternehmen bei Arbeitskräftemangel mehr bezahlen, um Mitarbeiter zu gewinnen.
Von Vollbeschäftigung weit entfernt
Von Vollbeschäftigung sind die großen Volkswirtschaften aber weit entfernt. Die Pandemie hat ihre Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Dabei hat der deutsche Arbeitsmarkt dank der Kurzarbeit die Krise vergleichsweise glimpflich überstanden. In anderen europäischen Volkswirtschaften und den USA sind die Arbeitslosenquoten allerdings im Zuge der Krise kräftig gestiegen. In den USA in der ersten Welle sogar auf ein Rekordhoch von 14,7 Prozent. Mittlerweile hat sich die Situation etwas entspannt, aber es sind immer noch viele Millionen Menschen mehr arbeitslos als vor der Krise. In den USA gingen während der Pandemie bislang mehr als 22 Millionen Jobs verloren, von denen aber erst rund die Hälfte zurückgewonnen wurde.
Inflation nur ein temporäres Phänomen?
Viele Volkswirte sehen deshalb in dem derzeitigen Anstieg der Inflation und der Zinsen nur ein temporäres Phänomen. Die US-Notenbank und auch die Europäische Zentralbank haben sich in ihren letzten Sitzungen zu den steigenden Preisen geäußert und die Botschaft verkündet, dass zwar ein Inflationsdruck durchaus spürbar, dieser aber unter Kontrolle und nötig sei. Dabei sind die Notenbanken generell bereit, eine etwas höhere Inflation zu tolerieren. Die jüngste Messung der Kerninflation vom Dezember 2020 in den USA ergab eine Inflationsrate von nur 1,5 Prozent im Jahresvergleich. Allerdings zog die Inflation im neuen Jahr leicht an. Nach Monaten sinkender Preise sind die Lebenshaltungskosten auch im Euroraum zu Jahresbeginn wieder gestiegen. Im Januar zog die Teuerung im Jahresvergleich um 0,9 Prozent an. Es waren vor allem die Energiepreise, die hinter dem Teuerungsschub standen. Vor allem der steigende Ölpreis treibt die Preise. Auch andere, besonders metallische Rohstoffe, sind zuletzt viel teurer geworden. Laut dem Bloomberg Commodity Index, in dem 20 Rohstoff-Futures enthalten sind, kletterten die Weltrohstoffpreise auf Dollarbasis seit Jahresbeginn um knapp zwölf Prozent. Volkswirte rechnen derzeit damit, dass die monatliche Inflationsrate im Jahresverlauf 2021 temporär die Marke von zwei Prozent überschreiten kann. Von Weimarer Verhältnissen und einer Hyperinflation, die so mancher Crashprophet gerne herbeireden würde, sind wie nach wie vor weit entfernt.
Für Tagesgeldsparer wird das Inflationsgespenst teuer
Für konservative Tagesgeldsparer wird es nicht einfacher. Denn nicht nur das zusätzliche Verwahrentgelt, auch die Inflation wird 2021 an dem nicht angelegten Vermögen knabbern. Wer nicht handelt wird Geld verlieren. Obskure Tagesgeldangebote von vermeintlich innovativen Banken, die mit besonderen Konditionen glänzen, sollte man meiden. Als Faustregel gilt: Drei Monats-Nettoeinkommen sollte man als liquide Rücklage bilden. Alles darüber hinaus sollte man investieren. Vor Gespenstern braucht man sich dabei nicht zu fürchten. Denn sie erscheinen stets bei Nacht, vor allem im Winter in der Geisterstunde zwischen Mitternacht und 1:00 Uhr. Das gilt auch für das Inflationsgespenst. Eine temporäre Erscheinung, die für Tagesgeldsparer aber teuer werden kann.
von Markus Richert, CFP® und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln
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