Vermögensverwalter-Kolumne

Auf steigende Volatilität und eventuelle Rezessionsphasen vorbereitet sein

15.07.19 13:05 Uhr

Auf steigende Volatilität und eventuelle Rezessionsphasen vorbereitet sein | finanzen.net

Tages- und Festgeld sind de facto Geschichte, und Bankleistungen werden immer teurer, und die EZB könnte nach Anleihenkäufen auch Aktienkäufe möglich machen. Das hat weitreichende Konsequenzen für die Sparer.

Nach acht Jahren kommt es jetzt zu einem Wechsel an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB). Auf den Italiener Mario Draghi folgt die Französin Christine Madeleine Odette Lagarde, die bislang seit 2011 geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds und zuvor von Juni 2007 bis Juni 2011 als Wirtschafts- und Finanzministerin im Kabinett von Premierminister François Fillon amtierte.

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In Erinnerung wird zumindest die zweite Hälfte der Amtszeit Mario Draghis durch seine strikte Nullzinspolitik, die schließlich zur Einführung von Negativzinsen auf vermeintlich hohe Bankguthaben geführt hat. Um dies mit ein paar Zahlen zu untermauern: Von 2016 bis 2018 flossen bereits 18 Milliarden Euro Negativzinsen an die EZB, davon stammten 5,7 Milliarden Euro, also ein Drittel, von deutschen Kreditinstituten.

Mitte Juni dann der nächste "Knall": Sollte sich der Wirtschaftsausblick nicht verbessern und die Inflation im Euroraum nicht anziehen, werde eine zusätzliche Lockerung der Geldpolitik erforderlich sein, sagte Draghi bei der jährlichen Notenbankkonferenz der EZB im portugiesischen Sintra. Eine Verschärfung des Strafzinses für Bankeinlagen war schon zuvor deutlich diskutiert worden.

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Ebenso erhebliche Konsequenzen wird das Ansinnen haben, in den Wert des Bargelds einzugreifen. Die neue EZB-Chefin Christine Lagarde will, dass die Notenbanken das Bargeld abschaffen, um digitale Währungen einzuführen. Schon vergangenen November stellte sie in einer Rede vor den versammelten Weltspitzen der Finanztechnologie (Fintech) die Nutzung von Bargeld infrage und unterstützte die Einführung von digitalen Währungen durch die Notenbanken: "Ein staatlich abgesicherter Token (Ersatzwährung) oder ein Konto, das direkt bei der Notenbank geführt wird und Personen und Unternehmen für Zahlungen an Privatkunden zur Verfügung steht - warum nicht?" Schweden und Estland sind bereits auf dem Weg zur bargeldlosen Wirtschaft.

Als Alternative wird die Entkopplung des Bargelds vom Giralgeld diskutiert, um damit Bargeld als eine Art "Parallelwährung" zu behandeln. Es geht nicht darum, die Eins zu Eins-Parität zwischen Bargeld und Giralgeld aufzugeben, sondern vielmehr sie auch bei Negativzins aufrecht zu erhalten durch Erhebung eines Umtauschzinses auf Bargeld. Dieser Strafzins würde zum Beispiel erhoben, wenn Bargeld von einem Konto abgehoben wird. Dieser Weg könnte derart gestaltet werden, dass Cash so unattraktiv wie die Bankeinlage ist.

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Die Auswirkungen für die Sparer sind klar: Tages- und Festgeld sind de facto Geschichte, und Bankleistungen werden immer teurer, da die Institute wegfallende Zinsgewinne kompensieren müssen. Zumal es nicht ausgeschlossen erscheint, dass die EZB nach Anleihenkäufen auch Aktienkäufe möglich machen wird. Das könnte dem Vorbild Japans folgen: Die japanische Notenbank hält inzwischen vier Prozent des japanischen Aktienmarkts.

Auch das hätte weitreichende Auswirkungen auf die Anleger, denn in den Aktienanalysen der Banken würde es dann nur um die Frage gehen, wann die EZB kaufen werde. Herkömmliche Markt- und Bewertungsmechanismen würden damit zumindest teilweise außer Kraft gesetzt, die Aktienanlage würde sich verändern. Für Anleger bedeutet dies in Kombination mit dem anhaltenden Niedrigzinsumfeld, dass sie jenseits klassischer "sicherer Anlagehäfen" nach Ertragsquellen suchen müssen.

Von Sebastian Gebhardt, Vermögensverwalter bei I.C.M. Independent Capital Management in Neuss

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