Übernahmeangebot lanciert

Merck KGaA: Knaller vor Silvester

10.12.13 14:00 Uhr

Zukäufe in der Pharmasparte wurden erwartet - stattdessen greift Merck-Vorstand Karl-Ludwig Kley in der Spezialchemie beherzt zu. Börsianer feiern den Deal.

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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Karl-Ludwig Kley machte die Präsentation sichtlich großen Spaß: „Es muss nicht immer der große Böller sein, es kann auch die kleine Wunderkerze sein. Beides führt zu einem schönen Silvester“, freute sich der Chefstratege des Pharma- und Spezialchemiekonzerns über seine gelungene Überraschung. Merck will die britische Spezialchemiefirma AZ Elec­tronic Materials kaufen.

Nach zahlreichen Rückschlägen der Darmstädter bei der Erforschung neuer Medikamente hatten Analysten eigentlich erwartet, dass der DAX-Konzern sein Pharmageschäft stärken würde. An der Börse zündete Kleys „kleine Wunderkerze“ ein Kursfeuerwerk und schoss die Aktie auf ein neues Allzeithoch.

Die Briten stellen Chemikalien zur Herstellung integrierter Schaltkreise her, die in Tablets, Smartphones, MP3-Playern oder Spielekonsolen eingesetzt werden. Merck ist weltweit der größte Hersteller von Flüssigkristallen, die in Flachbildschirm-TVs, Laptop-Bildschirmen und Handy-Displays verwendet werden.

Vorzeigesparte gestärkt
Das AZ-Portfolio ist damit eine passende Erweiterung für Mercks hochprofitables Geschäft mit Flüssigkristallen. Wegen der geringen Überschneidungen sind die geschätzten Synergien durch den Kauf überschaubar — lediglich 25 Millionen Euro jährlich können gespart werden. Allerdings ist auch das Geschäft der Briten, die rund 530 Millionen Euro Umsatz bei einer operativen Marge von über 27 Prozent erzielen, hochprofitabel. Merck schafft als Weltmarktführer bei Flüssigkristallen mit 1,2 Milliarden Euro Umsatz sogar eine Marge von 50 Prozent.

Der große Haken: Das Geschäft ist sehr teuer. Mit 2,1 Milliarden Euro Cash zahlt der Konzern 40 Prozent Aufschlag auf den durchschnittlichen Börsenwert von AZ. Zusätzlich wird Merck 238 Millionen Euro Schulden übernehmen.

Nicht um jeden Preis
Dennoch will Merck-Chef Kley den Coup nicht um jeden Preis durchziehen. Die Offerte gilt nur, wenn der Konzern Zugriff auf 95 Prozent der AZ-Aktien bekommt. Die Hürde könnte während des Übernahmeprozesses noch gesenkt werden, sagt Finanzvorstand Matthias Zachert. Der Preis sei jedoch fair und die 95-Prozent-Hürde eine „ganz klare Bedingung“.

Den Vorstand von AZ hat Zachert bereits überzeugt. Da die Materialien für Kunden, beispielsweise Apple, immer wichtiger würden und das Geschäft wachse, seien große Forschungs- und Entwicklungskapazitäten notwendig, um neue Kunden zu gewinnen, wirbt AZ-Verwaltungsratschef John Whybrow bei Aktionären. Mit Merck könne AZ stärker wachsen.

Spekulationen über eine weitere Übernahme im Pharmasektor versuchte Kley zu dämpfen. Das Geschäft müsse nicht unbedingt durch Transaktionen ausgebaut werden. Man sei nicht bereit, für Pharma- und Biotechunternehmen Mondpreise zu bezahlen.

Gleichwohl halten die Darmstädter Ausschau nach weiteren Zielen. Nach dem Umbau könne man sich auf Wachstum konzentrieren, sagte Kley. Und mit der guten Bilanzstruktur seien weitere Übernahmen denkbar — drei Milliarden Euro Cash hat Merck vor dem AZ-Deal.
In der Pharmasparte wird jedoch vorerst weiter gespart. Im Zug des Sparprogramms trennte sich Merck bereits von der Hälfte der Führungskräfte. Um die Kosten in der Arzneimittelforschung im Rahmen zu halten, sollen künftig externe Investoren klinische Studien mitfinanzieren. Eine gute Idee — doch zugleich bleibt der Konkurrenzdruck in Mercks Spezialgebieten Alzheimer und multiple Sklerose (MS) hoch.

In Europa steht beispielsweise US-Konkurrent Biogen Idec vor der Zulassung seines neuen MS-Medikaments Tecfidera. Fachleute erwarten, dass sich das Präparat auch gegen Mercks MS-Medikament Rebif schnell durchsetzen könnte.

Der Druck auf Kley, im Pharmageschäft weitere Übernahmen zu stemmen, bleibt. Vorläufig spielt der Merck-Chef die Sache runter. Man werde auch künftig stets kaufmännische Vernunft und Besonnenheit walten lassen. Der Mann weiß, was Aktionäre gern hören. 

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