Neuer Twitter-Eigentümer Elon Musk schließt Insolvenz nicht aus
Twitter steckt zwei Wochen nach der Übernahme durch Tech-Milliardär Elon Musk in schweren Turbulenzen.
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Musk schloss bei einem Auftritt vor Mitarbeitern eine Insolvenz nicht aus. Die Vergabe von Verifikationshäkchen an Abokunden ohne Prüfung löste ein Chaos mit täuschend echt aussehenden Fake-Accounts aus. Die US-Verbraucherschutzbehörde FTC schickte Twitter daraufhin eine ungewöhnlich scharfe Warnung. Weitere Top-Manager in Schlüsselpositionen verließen das Unternehmen.
Musk warnte die Mitarbeiter, dass bei Twitter im kommenden Jahr ein Milliardenloch in der Bilanz klaffen könnte. "Wir müssen definitiv mehr Geld reinbringen als wir ausgeben", sagte er laut einem Mitschnitt des Treffens, den das Technologieblog "The Verge" als Text veröffentlichte. Wenn dies nicht gelinge, sei eine Insolvenz nicht ausgeschlossen, sagte Musk. "Das ist eine Priorität." Sein jüngster Verkauf von Aktien des Elektroautobauers Tesla im Wert von vier Milliarden Dollar sei dazu gedacht gewesen, Twitter am Leben zu erhalten.
Am Freitag schrieb Musk, der auch Tesla und die Raumfahrtfirma SpaceX führt, in einem Tweet: "2023 wird vermutlich hart, aber meine Unternehmen sind gut aufgestellt." Twitter habe ein Allzeithoch an aktiven Nutzern erreicht. "Ein toller Tag!"
Der Milliardär hatte Twitter für 44 Milliarden Dollar gekauft. Der Dienst schrieb bereits vor der Übernahme rote Zahlen. Nach dem Verkauf beklagte Musk einen Umsatzeinbruch, weil einige große Werbekunden Anzeigen auf der Plattform ausgesetzt haben. Sie sorgen sich, dass ihre Werbung neben anstößigen Tweets auftauchen könnte, wenn Musk wie angekündigt die Regeln lockern sollte.
Auf Twitter lastet zudem ein Kredit von rund 13 Milliarden Dollar, den Musk für den Kauf aufgenommen hat. Die Bedienung dieser Schulden soll alleine rund eine Milliarde Dollar im Jahr kosten. Musk will die Werbe-Erlöse, die bisher 90 Prozent der Einnahmen ausmachen, durch ein Abogeschäft ergänzen. Der Start seines neuen Abos mit Verifizierungshäkchen sorgte zunächst für Chaos, weil einige Nutzer Prominente und Unternehmen mit Fake-Accounts imitierten.
Twitter hatte am Mittwoch die von Musk angekündigte Neuordnung bei der Vergabe der Häkchen umgesetzt. Bisher wurden sie von Twitter nach einer Prüfung Prominenten, Politikern und Unternehmen zugestanden. Nach dem neuen System bekommt das Häkchen jeder, der 8 Dollar im Monat bezahlt. Eine Identitätsprüfung gibt es nicht. Das Häkchen sieht dabei in beiden Fällen gleich aus. Ob man es mit einem früheren tatsächlich verifizierten Account oder mit einem neuen gekauften Häkchen zu tun hat, erfährt man nur aus dem Text nach Anklicken des Symbols.
Einige Nutzer legten täuschend echt aussehende Fake-Accounts an - für Basketball-Star LeBron James, die Spielefirma Nintendo und Ex-Präsident Donald Trump. Der Pharmakonzern Eli Lilly (Eli Lilly and) entschuldigte sich bei Twitter-Nutzern, die ein Fake-Account glauben ließ, Insulin werde künftig kostenlos vertrieben. Ein angebliche verifizierter Fake-Account von Chiquita verkündete, die brasilianische Regierung gestürzt zu haben.
In der Nacht zum Freitag tauchte in den schon früher verifizierten Profilen wieder ein zusätzliches graues Häkchen mit dem Wort "Official" daneben auf. Musk hatte Mitte der Woche die Einführung des Symbols gestoppt. Als weitere Maßnahme verkündete er, dass Accounts, die sich für andere ausgeben, künftig das Wort "Parodie" direkt im Namen führen müssten. Das Problem mit den Fake-Accounts war allerdings nicht, dass es keine Regeln dagegen gab, sondern dass sie nicht schnell genug entdeckt und gelöscht werden konnten - während sie Verifikationshäkchen hatten.
"Wir beobachten die jüngsten Entwicklungen bei Twitter mit großer Sorge", teilte ein FTC-Sprecher am Donnerstag mit. Kein Unternehmen oder dessen Chef stünden über dem Gesetz.
Twitter hatte sich nach früheren Verstößen bei der FTC verpflichtet, neue Funktionen vor der Einführung einer Prüfung im Bezug auf Datenschutz und Sicherheit zu unterziehen. Musk versicherte laut Medienberichten in einer E-Mail an die Mitarbeiter nach der FTC-Warnung, Twitter werde alles tun, um die Vereinbarung mit der Behörde einzuhalten. Die FTC kann hohe Strafen verhängen. So zahlte Facebook nach ihren Ermittlungen 2019 fünf Milliarden Dollar.
Musk warnte die Beschäftigten auch in einer E-Mail vor schwierigen Zeiten. Die wirtschaftliche Lage sei "schlimm", besonders für ein Unternehmen, das von Werbeeinnahmen abhänge. Er kündigte neue Richtlinien für Heimarbeit an: Künftig ist sie nur noch mit seiner ausdrücklichen persönlichen Erlaubnis zulässig. Vor der Übernahme durften Twitter-Beschäftigte von überall aus arbeiten. Musk gilt als Gegner des Homeoffice-Trends. Das hat er bereits bei Tesla deutlich gemacht.
Musk hatte in der vergangenen Woche rund jeden zweiten der etwa 7500 Jobs bei Twitter gestrichen. Jetzt sagte er beim Mitarbeitertreffen, die Firma habe immer noch zu viele Beschäftigte.
Am Donnerstag verließen weitere Top-Manager die Firma: der für das Herausfiltern anstößiger Inhalte verantwortliche Yoel Roth und die Chefin für Informationssicherheit, Lea Kissner. Die erst seit kurzem für die Beziehungen zu Werbekunden zuständige Robin Wheeler reichte Medienberichten zufolge ihren Rücktritt ein, wurde von Musk jedoch zum Bleiben überredet. Sie twitterte, dass sie immer noch dabei sei.
Britischer Wirtschaftsminister schreibt wegen Kündigungen an Twitter
Der britische Wirtschaftsminister Grant Shapps hat nach den massenhaften Entlassungen bei Twitter in einem Schreiben an den Social-Media-Konzern die Einhaltung arbeitsrechtlicher Regeln angemahnt. Das Ministerium habe bestätigt, dass ein solcher Brief abgeschickt worden sei, berichtete der britische "Guardian" am Donnerstagabend. Shapps hatte in einem anderen Schreiben an die Gewerkschaft Prospect, die mehrere britische (Ex-)Twitter-Mitarbeiter vertritt, betont, kein Unternehmen stehe über dem Gesetz.
Dem Bericht zufolge sollen im Zuge der Kündigungswelle auch Hunderte Beschäftigte der britischen Twitter-Einheit ihren Job verloren haben. Das britische Arbeitsrecht sieht bei Entlassungen von mehr als 20 Beschäftigten vor, dass Arbeitgeber verpflichtende Konsultationen durchführen müssen. Bei Twitter erfuhren Tausende hingegen ohne Vorwarnung per E-Mail, ob ihr Job weiter bestehen wird oder nicht. Medien hatten von rund 3700 betroffenen Jobs berichtet, was in etwa der Hälfte der Belegschaft entspreche.
so/hbr/DP/zb
SAN FRANCISCO (dpa-AFX)
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