Im Umfeld von Zinserhöhungen: Zu diesen Investitionen raten Finanzexperten nun
Die Zinsen steigen und steigen: Um der Inflation Herr zu werden, heben die Währungshüter den Leitzins seit Monaten an. Für Anleger bringen die Zinserhöhungen eine große Unsicherheit mit sich. Welche Möglichkeiten gibt es nun, um das eigene Portfolio abzusichern?
• Notenbanken im Zinserhöhungsmodus
• Aktienmarkt mit Unsicherheiten verbunden
• Aktien oder Anleihen - was lohnt sich mehr?
Die Zinsen steigen: Fed dreht an Stellschraube
Das laufende Jahr steht ganz im Zeichen der hohen Inflationsraten. Um dem hohen Preisdruck für Verbraucher und Unternehmen Abhilfe zu verschaffen, passt der Großteil der Notenbanken weltweit derzeit die Geldpolitik an und zieht die Leitzinsen nach oben. Die US-amerikanische Zentralbank Fed hat bereits mit einigen Zinserhöhungen vorgelegt, die Europäische Zentralbank folgt mittlerweile der Strategie aus den Vereinigten Staaten. Dieses Vorgehen macht sich jedoch auch auf dem Finanzmarkt bemerkbar. Nicht nur drückt die Angst vor einer Rezession die Stimmung der Anleger, höhere Zinsen wirken sich außerdem auf die Bewertung von Aktien aus. So steigt mit den Zinssätzen auch die Diskontierungsrate, die bei traditionellen Aktienbewertungsmodellen Anwendung findet, was wiederum den fairen Wert einer Aktie drückt. Die Einbußen sind am Markt deutlich spürbar: So verlor der breit aufgestellte US-Index S&P 500 in diesem Jahr bereits mehr als 21 Prozent, beim Technologie-Index NASDAQ Composite beträgt der Kursschwund gar rund 30 Prozent (auf Basis des Schlusskurses vom 6. Oktober 2022).
Aktien, Anleihen oder beides? Wie sollten sich Anleger in diesen unsicheren Zeiten positionieren? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage scheint es nicht zu geben, sind sich Experten doch uneinig darüber, welches die optimale Investitionsstrategie ist.
Keine größeren Anpassungen vornehmen
Eine mögliche Vorgehensweise könnte es jedoch sein, die Füße weitgehend still zu halten und das eigene Portfolio in seinen Grundzügen beizubehalten. "Sofern sich ihre Ziele oder ihre langfristige Bereitschaft, der Volatilität standzuhalten, nicht wesentlich geändert haben, würde ich Anlegern raten, den Status quo ihrer Portfolioallokation beizubehalten", riet etwa Vermögensverwalter Kenneth Chavis IV von LourdMurray gegenüber dem Finanzportal "Bankrate". Kleinere Anpassungen in Form einer Neugewichtung bestehender Anteile könnten jedoch vorgenommen werden. Auch könne man Positionen zu niedrigen Kursen und damit zu Schnäppchenpreisen ausbauen, so der Experte.
Am Aktienmarkt investiert bleiben
Auch Hugh Johnson, Chefökonom von Hugh Johnson Economics, schlug gegenüber dem Portal vor, dem Aktienmarkt nicht den Rücken zu kehren. "Ich würde ein bedeutendes Engagement in Aktien beibehalten", riet der Experte. "Obwohl es schwierig ist, Wenden im aktuellen Bärenmarktzyklus zeitlich festzulegen oder vorherzusagen, ist eine Wende in den nächsten drei bis sechs Monaten wahrscheinlich. Die Renditen aus Aktien in den ersten drei Monaten dürften im Vergleich zu den darauffolgenden Dreimonatszeiträumen vergleichsweise hoch und deutlich höher sein als die Renditen von festverzinslichen Wertpapieren." Am Aktienmarkt sei eine sehr defensive Stimmung wahrzunehmen, was darauf schließen lasse, dass sich ein Ausstieg aus Unternehmensanteilen nicht mehr lohne. Stattdessen sollten Anleger Johnson zufolge eine Verteidigungsstrategie ausarbeiten und "ein sinnvolles Engagement in Aktien" beibehalten.
50/50-Mix aus Aktien und Anleihen
Darüber hinaus könnte es sich auch lohnen, dem Aktienmarkt zwar einerseits treu zu bleiben, andererseits aber auch in Anleihen zu investieren. Dieser Meinung ist auch Dec Mullarkey von SLC Management: "Ein 50/50-Mix aus Aktien und Anleihen sieht überzeugend aus", empfahl er Anlegern laut Bankrate. "Die Anleiherenditen befinden sich auf einigen der attraktivsten Niveaus seit Jahrzehnten." Besonders 1- bis 2-jährige Staatsanleihen seien für Anleger angesichts der flachen Renditekurve attraktiv. Zwar hätten sich die Aktienkurse in den letzten Monaten weitgehend volatil gezeigt, dies dürfte sich aber ändern, sobald der hohe Preisdruck abgenommen habe. Dann werden die Kurse am Aktienmarkt wieder steigen. Eine Normalisierung der Inflationsraten dürfte Mullarkey zufolge im Laufe des nächsten Jahres geschehen. "Die Erwartung ist, dass die Fed ihre Straffung bis Mai nächsten Jahres mit einer Fed Funds Rate von über 4 Prozent unterbrechen wird", so der Experte.
Trotz schwachem 60/40-Modell: Fokus auf Anleihen
Anleger, die das 60/40-Modell anwenden, das ein 60-prozentiges Engagement in Aktien und einen Anteil von 40 Prozent an Anleihen vorsieht, dürften in diesem Jahr jedoch vor einigen Herausforderungen gestanden haben. "Auf einer ‚realen‘ Basis nach der Inflation wird dies derzeit wahrscheinlich das schlechteste Jahr aller Zeiten für ein traditionelles 60/40-Aktien- und Anleihenportfolio", warnte Cambria Investment Management-CIO Meb Faber Ende September auf seinem Twitter-Profil. Das 60/40-Portfolio ist laut "CNBC" als Absicherung zu verstehen, da Aktien- und Anleihenmarkt selten gleichzeitig fallen. Mit zunehmenden Rezessionsängsten stehen aber beide Bereiche unter Druck.
Dennoch riet Anlageberaterin Durriya Pierce gegenüber "U.S. News" dazu, den Fokus auf Anleihen zu legen. "Anleihen reagieren besonders sensibel auf Zinsänderungen. Wenn die Zinsen steigen, tendieren die (Anleihe-)Kurse dazu, zu sinken, während sie höhere Renditen bieten", so die Finanzplanerin. "Die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen ist derzeit fast dreimal so hoch wie noch vor einem Jahr."
Ausbau von Anleihen nicht empfohlen
"Ich würde das Engagement in Anleihen derzeit nicht erhöhen", entgegnete jedoch Wayne Wicker von MissionSquare Retirement gegenüber Bankrate. "Da die Fed jedoch weiterhin ihre Politik der Anhebung des Fed Funds Rate durchführt, sollten Anleger die Möglichkeit erhalten, ihr Engagement irgendwann in den nächsten zwölf Monaten zu erhöhen." Auch Brad McMillan vom Commonwealth Financial Network rät zur Vorsicht. "Da die Zinsen in den nächsten sechs Monaten wahrscheinlich weiter steigen werden, sollten Sie die Duration kurz und die Allokationen in festverzinslichen Wertpapieren auf dem gleichen Niveau wie zuvor halten", lautete sein Rat an Anleger.
Ende der Zinserhöhungen in Sicht?
Wichtig sei jedoch auch die Wahl des richtigen Zeitpunkts für eine Strategieanpassung, wie einige der befragten Experten betonten. So sollten Anleger das Ende der geldpolitischen Straffung der Fed im Blick behalten und dann entsprechend reagieren. "Investieren Sie mehr in Aktien und Risikoanlagen, sobald die Fed aufhört zu erhöhen", riet etwa Kim Caughey Forrest von Bokeh Capital Partners. "Bleiben Sie in der Zwischenzeit investiert, da die Kaufkraft von Bargeld durch höhere Zinsen und Inflation gemindert wird." Auch CFRA Research-Chefstratege Sam Stovall verwies auf den Zeitpunkt, zu dem die Fed ihre Zinserhöhungen beendet. "Kämpfen Sie nicht gegen die Fed", so der Analyst gegenüber Bankrate. "Halten Sie ein überdurchschnittliches Liquiditätsniveau aufrecht, bis es den Anschein hat, als ob die Fed mit der Zinserhöhung fertig ist."
Höhere Zinsen zum eigenen Vorteil nutzen
Für Sparer könne es sich außerdem lohnen, den Zinssatz des Sparkontos zu maximieren, wie Jamie Bosse von Aspyre Wealth gegenüber U.S. News angab. "Ich empfehle Kunden, ihre Notgroschen auf einem hochverzinslichen Sparkonto anzulegen. Auf diese Weise ist das Geld produktiv, ohne einem Anlagerisiko ausgesetzt zu sein", so die Vermögensverwalterin. Hier könne sich im Zweifelsfall ein Bankwechsel eignen. "Online-Banken bieten in der Regel einen höheren Zinssatz."
Redaktion finanzen.net
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