Stahlgeschäft belastet

Gewinnwarnung: Fantasieschmelze bei SGL Carbon

17.07.13 12:00 Uhr

SGL Carbon, der Wiesbadener Hersteller von Grafitelektroden, hat massive Probleme im Kerngeschäft. Trotz aller Fantasie um leichte Carbonfasern — die Aktie stürzt ab.

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von Peer Leugermann, Euro am Sonntag

SGL Carbon hat den Hattrick geschafft. Wenn auch keinen positiven: Dreimal in Folge hat der Kohlefaserspezialist sinkende Gewinne prognostiziert. Einmal planmäßig mit dem Jahresausblick, zweimal ungeplant und umso deutlicher. Anfang des Jahres sprach Chef Robert Koehler noch von einem zehn- bis 15-prozentigen Rückgang des operativen Gewinns (Ebitda) im laufenden Jahr — im Vorjahr standen 240 Millionen Euro zu Buche. Im April wurden daraus 20 bis 25 Prozent. Die aktuelle Gewinnwarnung jedoch lässt einen Ergebniseinbruch von 50 bis 60 Prozent erwarten.

Koehler spricht von einer Wettbewerbsverschärfung, die „völlig überrascht“ habe. Das ist angesichts dieser Serie von Gewinnwarnungen zumindest verwunderlich. Eine Erholung bei den Hauptgeschäften Grafitelektroden und Grafitspezialitäten sieht der Vorstand weder im zweiten Quartal noch im weiteren Jahresverlauf. Auch das Ziel, 2013 erstmals einen positiven Cashflow zu erwirtschaften, ist Geschichte.

Die Aktie hat seit April kräftig verloren. In der vergangenen Woche brach sie erneut ein. Doch der Kurs könnte weiter fallen. Zahlreiche Analysten sehen durch die wiederholten Gewinnwarnungen das Vertrauen in das Management verspielt. In den Augen mancher ist die Aktie nicht mehr wert als 14 Euro. Der Hauptgrund dafür ist das harte Markt­umfeld im Kerngeschäft.

Die Grafitelektroden, die beim Schmelzen von Elektrostahl und Aluminiumschrott eingesetzt werden, liefern immer noch die Hälfte des Umsatzes. Doch seitdem China den Markt mit billigem Stahl überschwemmt, lohnt sich der Betrieb elektrischer Schmelzöfen immer weniger. Die Konjunktur in Europa lahmt, auch in Deutschland liegt das Stahlgeschäft darnieder. Und durch den schwachen Yen erstarkte japanische Wettbewerber verschlimmern die Situation zusätzlich.

Werkschließungen möglich
Börsianer erklären damit aber nur einen Teil des Kursrutsches. Vielen galt die Aktie seit Längerem als überbewertet, getrieben durch den dritten Bereich von SGL, das Geschäft mit Carbonfasern. Das Material macht Flugzeuge, Autos und Wind­anlagenrotoren leichter und gilt als Zukunftstechnologie. 16 Prozent trug die Sparte zum Vorjahresumsatz von 1,7 Milliarden Euro bei, also vergleichsweise wenig. Der Leichtbau sorg­te aber für die meiste Fantasie. Schließlich waren nacheinander BMW-Erbin Susanne Klatten mit ihrem Vehikel Skion (26 Prozent), VW (acht Prozent) und BMW (15,7 Prozent) eingestiegen.

Für September plant BMW die Markteinführung seines ersten Elektrofahrzeuges i3, dessen Karosserie teils aus Carbonfasern von SGL besteht. Das sind gute Nachrichten für die Wiesbadener. Denn in den vergangenen drei Jahren entstanden hier nur Verluste.

Trotzdem ist der Weg der Carbonfaser zum Industriestandard noch weit. Aktuell führen Auftragsverschiebungen bei der Produktion des Boeing Dreamliner 787, in dessen Rumpf das Material eingesetzt wird, zu einem Abschreibungsbedarf von 150 Millionen Euro.

Koehler und seine Mannschaft erstellen jetzt einen Maßnahmenkatalog, der auch drastische Schritte wie Stellenabbau und Werkschließungen beinhalten dürfte. Die Restrukturierung wird weitere Kosten verursachen. Auch deshalb haben die Ratingagenturen Moody’s und S & P die Kreditwürdigkeit von SGL jeweils um einen Schritt herabgestuft. Die schlechteren Bonitätsnoten dürften nun auch die Kreditaufnahme verteuern.

Die Kursfantasie ist damit dahin. Einen Treiber aber könnte es geben: Der Vertrag von Koehler läuft Ende 2014 aus. Die jüngsten Meldungen könnten den Wechsel jedoch beschleunigen. Das Verhältnis von Koehler zu Klatten gilt als belastet, weil der Chef die Wolfsburger angeblich als Gegengewicht zu BMW ins Unternehmen holte.

Eine rasche Personalie wäre womöglich ein Grund, in die Aktie einzusteigen. Alles andere aber spricht dagegen.

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