Twitter-Nutzer stimmen für Musk-Rücktritt - Reporter-Accounts wieder freigeschaltet - Vorgehen gegen Konkurrenz
Mit einer überraschenden Abstimmung über seine eigene Zukunft als Chef des Kurznachrichtendienstes Twitter hat Tech-Milliardär Elon Musk für Aufsehen gesorgt.
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Die Tage von Elon Musk als Firmenchef von Twitter könnten gezählt sein - wenn sich der Multimilliardär an die Ergebnisse einer Umfrage hält, die er selbst am Sonntagabend gestartet hat. 17,5 Millionen Nutzerinnen und Nutzer stimmten ab. Und das Ergebnis fiel deutlich aus: 57,5 Prozent votierten für einen Rücktritt Musks als "Head of Twitter". 42,5 Prozent stimmten für einen Verbleib des 51-Jährigen auf dem Chefsessel.
Should I step down as head of Twitter? I will abide by the results of this poll.
- Elon Musk (@elonmusk) December 18, 2022
Das Abstimmungsergebnis ist nicht repräsentativ. Allein Elon Musk hat auf der Plattform mehr als 122 Millionen Follower. Im Vergleich dazu sind 17,5 Millionen Votes nicht besonders viel. Die Umfrage stand zwar prinzipiell allen Mitgliedern der Plattform offen, jedoch nur für zwölf Stunden. Musk hatte aber zuvor versichert, sich an das Ergebnis des Votums zu halten. "Wie das Sprichwort sagt: "Sei vorsichtig, was du dir wünschst, es könnte in Erfüllung gehen"."
Es spricht viel dafür, dass Musk sich schon vor der Umfrage dazu entschieden hat, sich aus dem Tagesgeschäft bei Twitter zurückzuziehen. Der Multimilliardär ist nämlich bekannt dafür, dass er Umfragen startet, um bereits getroffene Entscheidungen zu rechtfertigen. Am bekanntesten dürfte in der Vergangenheit die Frage von Musk auf Twitter gewesen sein, ob er 10 Prozent seiner Anteile an Tesla verkaufen sollte. Das brachte ihm unter anderem Ärger mit Tesla-Investoren ein, die sich über den Tisch gezogen fühlten. Unterlagen, die später veröffentlicht wurden, zeigten nämlich, dass Musk längst einen Plan zum Verkauf der Aktien ausgehandelt hatte.
Zuvor hatten Großinvestoren wie Ross Gerber, CEO von Gerber Kawasaki Wealth & Investment Management, Befürchtungen geäußert, Musk lasse sich durch seine Aktivitäten bei Twitter zu sehr ablenken und fülle seine Position als Tesla-Chef nicht angemessen aus. Die Tesla-Aktie hatte seit dem Frühjahr rund die Hälfte ihrer Bewertung von mehr als 1 Billion Dollar verloren.
Elon Musk hatte den Kurznachrichtendienst im Oktober für 44 Milliarden US-Dollar übernommen. Nach Ansicht von Experten lag der Preis viel zu hoch, weil Twitter bislang kaum Gewinne geschrieben hat und bei der Reichweite hinter anderen sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder TikTok hinterherhinkt. 27 Milliarden Dollar der Kaufsumme stammen von Musk selbst, der dafür in großem Umfang Tesla-Aktien verkaufen musste und auch deshalb aktuell nicht mehr der reichste Mann der Welt ist.
13 Milliarden aus der Kaufsumme wurden Twitter als Bankschulden aufgebürdet, den Rest steuerten Investoren wie Oracle-Mitbegründer Larry Ellison, die Qatar Holding und der saudische Prinz Alwaleed Bin Talal Alsaud bei. Nach den Negativschlagzeilen der vergangenen Wochen und den damit verbundenen sinkenden Werbeeinnahmen müssen nun die Twitter-Investoren und Banken um ihr Geld fürchten.
Um Kosten zu sparen, entließ Musk direkt nach seinem Antritt rund die Hälfte der Belegschaft. Außerdem kehrten etliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Unternehmen freiwillig den Rücken, weil sie mit Musks Kurs nicht einverstanden waren. Zu den umstrittenen Entscheidungen gehörte, das gesperrte Konto von Ex-US-Präsident Donald Trump wieder freizuschalten, das nach dem Sturm von Trump-Unterstützern auf das Kapitol in Washington im Januar 2021 gesperrt worden war.
Zu den Leuten, die sich künftig wieder auf Twitter austoben können, gehört unter anderen der berüchtigte Neonazi Andrew Anglin, dessen antisemitische Verschwörungstheorien und Hassreden gegen Andersdenkende von mehreren Gerichten als so gefährlich eingestuft wurden, dass sie ihn zur Zahlung von Millionen von Dollar an seine Opfer verurteilt haben.
Auf der anderen Seite nutzte Musk seine neue Macht über Twitter, um öffentlich zugängliche Informationen über die Position seines Privatjets auf der Plattform zu unterdrücken. Das Konto @ElonJet wurde blockiert. Außerdem ließ Musk in einem Aufwasch die Konten von etlichen Journalisten sperren, die über die Kontroverse berichtet hatten. Nach einem Sturm der Entrüstung ließ Musk aber die meisten Journalisten-Accounts wieder freischalten.
Sollte sich Musk tatsächlich als Twitter-Chef zurückziehen, stehen schon einige Kandidaten bereit, die neuer "Head of Twitter" werden könnten. Favorit ist der Investor Jason Calacanis (51). Als Musk ihn während der Verhandlungen fragte, ob er sein strategischer Berater sein wolle, falls der Twitter-Deal zustande käme, schwor Calacanis in einer Textnachricht die Treue: "Vorstandsmitglied, Berater, was auch immer... Du hast mein Schwert", schrieb Calacanis. "Bringe mich ins Spiel, Coach! Twitter-CEO ist mein Traumjob."
Aber selbst wenn Musk seinem Vertrauten Calacanis oder dem rechtsgerichteten Risikokapitalgeber David Sacks den Posten des Twitter-CEOs überlassen würde, könnte man das nicht als Rückzug werten. Musk wird nämlich Mehrheitseigentümer des sozialen Netzwerks bleiben, was ihm nach wie vor eine enorme Kontrolle über die inhaltliche Ausrichtung von Twitter gibt.
Twitter geht mit neuen Richtlinien gegen Konkurrenz-Plattformen vor
Das Online-Netzwerk Twitter erlaubt es seinen Nutzerinnen und Nutzern künftig nicht mehr, ihre Präsenz auf bestimmten Konkurrenz-Plattformen zu bewerben - darunter Facebook, Instagram oder Mastodon. Die neue Regel gelte sowohl für Tweets als auch für die Biografie des eigenen Accounts, teilte Twitter am Sonntag mit. "Wir wissen, dass viele unserer Nutzer auch auf anderen Social Media-Plattformen aktiv sind. In Zukunft wird Twitter jedoch keine kostenlose Werbung für bestimmte Social Media-Plattformen auf Twitter mehr zulassen", hieß es. Tech-Milliardär Elon Musk hatte Twitter im Oktober übernommen und setzt bei dem Online-Dienst seitdem seine Vorstellungen durch.
"Konten, die hauptsächlich dazu verwendet werden, um Inhalte auf einer anderen sozialen Plattform zu bewerben, können gesperrt werden", schrieb Twitter. Generell könne bei mehrfachen Verstößen die dauerhafte Sperrung des Accounts erfolgen. Betroffen sind auch die von Ex-US-Präsident Donald Trump mitgegründete Plattform Truth Social sowie Tribel, Post und Nostr. Man erkenne an, dass "bestimmte Social Media-Plattformen alternative Erfahrungen zu Twitter bieten und es Nutzern ermöglichen, Inhalte von diesen Plattformen aus auf Twitter zu posten". Diese Art von "Cross-Posting" verstoße nicht gegen die neue Richtlinie. Auch bezahlte Werbung der betroffenen Plattformen sei weiter erlaubt.
Twitter hatte seit Donnerstag die Accounts mehrerer prominenter US-Journalisten gesperrt. Ein Großteil der Accounts ist zwar mittlerweile wieder freigeschaltet - die Kritik an dem Vorgehen war aber riesig. Viele Nutzerinnen und Nutzer bewarben daraufhin - aber auch schon zuvor - den Twitter-Konkurrenten Mastodon als Alternative für Twitter. Musk hatte sich in der Vergangenheit immer als Vorkämpfer für Meinungsfreiheit präsentiert. Auf Twitter propagierte er schließlich Verschwörungstheorien und nutzte die Plattform, um in seinen Tweets für die US-Republikaner zu werben.
SAN FRANCISCO/SAN BERNADINO (dpa-AFX)
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