Rheinmetall-Chef im Interview: Haben Sie Waffen an Gaddafi geliefert?
Rüstungsgeschäfte sind in Deutschland umstritten. Klaus Eberhardt, Vorstandschef des Wehrtechnikkonzerns Rheinmetall im Interview mit €uro, über Politik, Waffenexporte und Wachstumspläne.
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Klaus Eberhardt, Vorstandschef des Wehrtechnikkonzerns Rheinmetall im Interview mit Wolfgang Ehrensberger und Mario Müller-Dofel, Euro.
Euro: Herr Eberhardt, als Chef eines Rüstungskonzerns sind Sie vielen Deutschen suspekt. Mit Waffen werden schließlich auch Menschen getötet. Stören Sie die Vorbehalte?
Klaus Eberhardt: Ich bin natürlich unzufrieden damit, dass es in der Bevölkerung extreme Vorbehalte gibt. Zumal die deutsche Rüstungsindustrie maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Mitteleuropa seit dem Zweiten Weltkrieg die längste Friedensphase seiner Geschichte erlebt. Deutschland hat schließlich auch durch unsere Produkte eine starke Verteidigungsarmee, die im NATO-Verbund Wohlstand, Frieden und Freiheit für unsere Gesellschaft sichert.
Allerdings ist die Bundeswehr auch im Ausland aktiv, was ein Grund für Vorbehalte ist. Ein weiterer sind die zunehmenden Rüstungsexporte deutscher Unternehmen.
Eberhardt: Unsere Armee unterstützt im Ausland dieselben Ziele wie im Inland. Dafür braucht sie die beste Ausrüstung. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir bei Rheinmetall sind stolz darauf, sie liefern zu können. Wir sind doch keine Waffenschieber, sondern handeln legal im nationalen Interesse. Rheinmetall macht streng kontrollierte Behördengeschäfte. Dass Deutschland der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt ist, haben wir – wie andere Industriezweige auch – der hohen Innovationskraft der Beschäftigten zu verdanken.
Gibt es so etwas wie Ethik- und Nachhaltigkeitsstandards im Waffengeschäft?
Eberhardt: Im europäischen Branchenverband haben wir solche Standards entwickelt. Dabei geht es vor allem um Anti-Korruptionsrichtlinien, brancheninterne Fairness und Umweltregeln. Um mehr Akzeptanz für das Wehrtechnikgeschäft zu schaffen, müssen wir solche Maßnahmen wohl in der breiten Öffentlichkeit intensiver kommunizieren.
Sie sagten einmal, dass Sie die Rüstungsdebatten in Deutschland teils „unerträglich“ finden. Was kritisieren Sie konkret?
Eberhardt: Ich will nicht kritisieren, sondern für mehr Akzeptanz werben. Anderswo – etwa in England, Frankreich und den USA – sind die Menschen stolz auf ihre Verteidigungsbranche und auf deren Erfolge in den internationalen Märkten.
Der im Februar zurückgetretene Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg kritisierte „groteske Verträge“ zugunsten der deutschen Rüstungsfirmen, also zum Nachteil der Steuerzahler. Und er schimpfte über eine „schludrige Auftragserfüllung“. Was sagen Sie dazu?
Eberhardt: Für Rheinmetall lasse ich das nicht gelten.
Dennoch: Die Kosten für Wehrtechnik laufen immer wieder aus dem Ruder und Lieferungen verzögern sich.
Eberhardt: Wenn die Bundeswehr und die deutsche Rüstungsindustrie den Anspruch haben, Standards zu setzen, was die Ausrüstung betrifft, dann bewegen wir uns häufig an den Grenzen des technisch und physikalisch Machbaren. Mit allen Risiken, die damit verbunden sind. Aber auch unsere Branche kann effizienter werden. Ich sehe durchaus Chancen, den Rüstungsprozess zu verschlanken und so die Lieferzeiten und die Life-Cycle-Kosten unserer Produkte zu reduzieren.
Guttenbergs Nachfolger als Verteidigungsminister, Thomas de Maizière, hält sich mit Kritik an deutschen Rüstungsfirmen zurück. Was erwarten Sie noch von ihm?
Eberhardt: Dass er als Verteidigungsminister ebenso gut arbeiten wird wie in seinen bisherigen Regierungsämtern.
Klingt nach einer schmeichelnden Standardantwort.
Eberhardt: Wenn ich etwas sage, meine ich es auch so. Ich habe zum Beispiel den Eindruck, dass Minister de Maizière bei der Bundeswehrreform realistisch bleibt. Mit den bisher avisierten Einsparungen in Höhe von 8,3 Milliarden Euro bis 2014 wäre nicht gewährleistet, dass unsere Soldatinnen und Soldaten die modernste Ausrüstung und damit den bestmöglichen Schutz bekommen. Nicht umsonst werden Guttenbergs Reformpläne nun nochmals gründlich geprüft.
Der Umsatzanteil der Bundeswehr am Rüstungsgeschäft von Rheinmetall hat sich in den vergangenen zehn Jahren auf 36 Prozent fast halbiert. Wird er weiter fallen?
Eberhardt: Davon ist auszugehen, weil wir durch das geplante Wachstum auf den internationalen Märkten unseren Exportanteil auf circa 80 Prozent erhöhen werden.
Auf der nächsten Seite lesen Sie, warum Rheinmetall-Chef Eberhardt sich keinen Krieg mit Rüstungsexportländern vorstellen kann und ob das Unternehmen Waffen an Libyens Diktator Gaddafi geliefert hat.
Eberhardt: Im Wissen um die verantwortungsbewusste, ausgewogene Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands halte ich ein solches Szenario für vollkommen unrealistisch. Zum Rüstungsexport gestatten Sie mir zwei Anmerkungen: Erstens können wir unsere Forschung und Entwicklung, die eben auch der Bundeswehr zugute kommt, nur über Exporterlöse finanzieren. Und zweitens gibt es aufstrebende Staaten, die es nicht akzeptieren würden, wenn Deutschland zwar durch Automobil- und Maschinenexporte Arbeitsplätze und Wohlstand schafft, sich aber einer partnerschaftlichen Rüstungskooperation verweigert.
Seit 2002 ist der Jahresumsatz der globalen Rüstungsindustrie um 60 Prozent auf rund 300 Milliarden Euro gestiegen. Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung ein?
Eberhardt: Wir nennen nur Prognosen zum Geschäft von Rheinmetall: Hier erwarten wir im Schnitt fünf Prozent Umsatzwachstum pro Jahr – Zukäufe nicht eingerechnet.
Obwohl einige Industrieländer ihre Etats wegen hoher Staatsschulden kürzen?
Eberhardt: Das täuscht mitunter, da die Militärausgaben oft kurzfristig gesenkt werden, aber langfristig steigen. Außerdem gibt es etwa im Mittleren Osten, Südostasien, Australien und in Südafrika ein steigendes Schutzbedürfnis. Das sind übrigens die wichtigsten Wachstumsmärkte für Rheinmetall.
Auch in Nordafrika wird seit Langem immer mehr Geld für Waffen ausgegeben. Dieses Jahr wurden dort aber schon einige Despoten vom Volk gestürzt. Und in Libyen versucht die NATO gerade, Muammar alGaddafi vom Diktatorenthron zu bomben. Haben diese Herrscher auch Waffen von Rheinmetall gegen ihr Volk gerichtet?
Eberhardt: Nach Nordafrika haben wir bislang kaum exportiert. Es gibt immer wieder Ersatzteillieferungen nach Ägypten, mehr aber nicht. Daher sind die politischen Turbulenzen in diesen Ländern für Rheinmetall bedeutungslos, was das Geschäft angeht.
Rheinmetall hat also keine Waffensysteme an Gaddafi geliefert?
Eberhardt: Nein. Dafür lag auch nie eine Genehmigung der Bundesregierung vor.
Wie läuft es für Sie in den USA?
Eberhardt: Dieses Land macht die Hälfte des Weltmarkts aus. Wir sind dort schon vor sechs Jahren mit Infanteriemunition ins Geschäft gekommen und bauen es jetzt konsequent mit dem Bau einer Munitionsfabrik in Camden, Arkansas, aus.
Und auf der arabischen Halbinsel?
Eberhardt: Diese Region hat sich geöffnet, vor allem die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die ein stabilisierendes Land im Nahen Osten sind. Dorthin hat Rheinmetall exzellente Geschäftsbeziehungen.
Bei der jährlichen Waffenschau in der Hauptstadt Abu Dhabi im Februar hatte Rheinmetall erstmals den größten Messestand. Hat es sich gelohnt?
Eberhardt: Die Messe ist eine der wichtigsten weltweit. Wir haben uns dort so groß präsentiert, weil wir auch die Military Trucks unseres 2010 gegründeten Gemeinschaftsunternehmens mit dem Lkw- und Motorenhersteller MAN zeigen wollten. Aber das Rüstungsgeschäft ist langfristig angelegt. Da kann man den Erfolg eines Messestands nicht nach wenigen Wochen in Euro und Cent ausdrücken.
Angesichts Ihrer Exportorientierung kommt Rheinmetall nicht umhin, neue Produktionskapazitäten aufzubauen. Bringt das auch Arbeitsplätze in Deutschland?
Eberhardt: Unsere Kundenländer wünschen eigene Fertigungen auf ihren Territorien, um auch im Konfliktfall darauf zugreifen zu können und die Wertschöpfung im Land zu halten. Aus diesem Grund bauen wir beispielsweise eine Fabrik in Abu Dhabi, in der alte Munition entsorgt und neue Munition hergestellt werden soll. In Südafrika haben wir 2008 ein Unternehmen mit fünf Fabriken gekauft. In Indien fordert die Regierung, gemeinsam mit indischen Unternehmen lokale Wertschöpfung aufzubauen. Der Aufbau von Produktion in neuen Märkten ist Teil unserer Geschäftspolitik. Und natürlich sichert jeder Erfolg im Ausland auch die hochwertigen Arbeitsplätze in Deutschland zusätzlich ab.
Auf der folgenden Seite lesen Sie, warum Rheinmetall mit bestimmten Dienstleistungen in Waffeneinsatzgebiete expandiert und wie Klaus Eberhardt den ärgsten deutschen Rheinmetall-Konkurrenten sieht.
Eberhardt: Durch die baldige Bilanzierung des Joint Ventures mit MAN und mit unseren Akquisitionen aus den vergangenen Monaten wird Rheinmetall den Umsatz im Rüstungsbereich von rund zwei Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 3,5 Milliarden Euro bis 2013 steigern. Damit kommen wir unter die Top 20. Dort dominieren natürlich viele jener Unternehmen, die im militärischen Flugzeugbau tätig sind. Wichtiger als die Platzierung in so einem Umsatzranking ist aber, dass wir in jedem unserer Geschäftssegmente unter den Top 3 der Welt bleiben.
Ihr deutscher Konkurrent Krauss-Maffei Wegmann (KMW), die Nummer 56 in besagter Weltrangliste, forciert das Wartungs- und Reparaturgeschäft in Einsatzgebieten. Welche Rolle spielt dieser Bereich bei Ihnen?
Eberhardt: Eine sehr wichtige, weil wir durch Wartung, durch Service und das Betreiben von Gefechtsübungszentren die Hand am Puls des Kunden haben. Dieses Geschäft macht derzeit 15 Prozent unseres Rüstungsumsatzes aus und wächst circa 20 Prozent jährlich. Die Margen sind hier höher als im Erstausrüstergeschäft.
Gern würden Sie Rheinmetall mit KMW fusionieren. Warum?
Eberhardt: Das liegt nahe, weil wir uns sehr gut ergänzen würden und wir vor einem weiteren Konsolidierungsschritt unserer Branche stehen. Sie könnten auch fragen, warum sich zwei deutsche Unternehmen mit exzellentem Ruf im Wettbewerb gegenseitig das Leben schwer machen. Aber vielleicht hält uns das schlank. Ich muss respektieren, dass KMW ein Familienunternehmen ist, dessen Gesellschafter offensichtlich eigenständig bleiben wollen. Immerhin kooperieren wir bei den meisten deutschen Programmen, zum Beispiel beim neuen Schützenpanzer Puma und beim Transportfahrzeug Boxer.
Rheinmetall hat in den vergangenen Jahren einige mittelständische Unternehmen gekauft. Werden Sie das weiter tun?
Eberhardt: Wir haben nach dem Ende des Kalten Krieges, als andere Unternehmen aus dem Verteidigungsgeschäft ausgestiegen sind, rund 20 Unternehmen akquiriert und so zur nationalen Konsolidierung beigetragen. Darunter waren auch Unternehmen, die aus eigener Kraft nicht überlebt hätten. Zuletzt haben wir aber überwiegend im Ausland zugekauft, um neue Märkte zu erschließen und uns Technologien zu sichern. Diesen Fokus behalten wir bei.
Anfang 2011 gingen Gerüchte um, der US-Rüstungsriese Northrop Grumman wollte Rheinmetall übernehmen. Sie dementierten das zwar. Aber viele Banken sehen Rheinmetall nach wie vor als Übernahmekandidat, zumal die Aktien komplett in Streubesitz sind. Haben Sie schon neue Übernahmeangebote bekommen?
Eberhardt: Die Gerüchte über Northrop waren Spekulationen der Kapitalmärkte, die jeglicher Grundlage entbehrten. Wir sehen uns nicht als Übernahmekandidat.
Weil die deutsche Regierung eine Übernahme verhindern würde?
Eberhardt: Ich beteilige mich nach wie vor nicht an haltlosen Spekulationen.
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