Wie steht es eigentlich um die Börsenpläne der Alibaba-Tochter Ant Group?
Es hätte der größte Börsengang aller Zeiten werden sollen, doch kurz vor dem IPO kam plötzlich die Absage: Die Börsenpläne der Ant Financial Group, die damals noch Ant Financial hieß, platzten. So steht es aktuell um die Börsenpläne der Alibaba-Tochter.
Werte in diesem Artikel
• Ant Group wollte Mega-IPO feiern - Regulierer zogen den Stecker
• Massive Umstrukturierung der Ant Group
• Weg für Wiederaufleben der Börsenpläne frei?
So platzte das Mega-IPO
Als die Aufsichtsgremien der Börsen in Shanghai und Hongkong die Börseneinführung der Ant Group im November 2020 überraschend vorerst aussetzten, waren die Gründe für diese Entscheidung zunächst unklar. Offiziell hieß es von der Börse in Shanghai, dass sich das "aufsichtsrechtliche Umfeld" bedeutend geändert habe, was dazu führen könne, dass die Ant Group die Bedingungen für den Börsengang und die Offenlegungspflichten nicht erfüllen könnte.Erst im Nachgang wurden die Gründe für die Absage deutlicher: Offenbar hatte Jack Ma, der Gründer der Ant-Mutter Alibaba, Kritik an den chinesischen Staatsbanken geäußert, was bei der Führung des Landes alles andere als gut ankam. Hinsichtlich der Politik lokaler und globaler Regulierungsbehörden hatte Ma Innovation statt Regulierung gefordert und erklärt: "Gute Innovation hat keine Angst vor Regulierung, aber sie hat Angst vor veralteten Vorschriften".
Bei einem Treffen mit Chinas Zentralbank und anderen Aufsichtsbehörden war dem Finanzdienstleister dem Vernehmen nach mitgeteilt worden, dass sich die Ant Group bei ihrer Expansion den gleichen Beschränkungen hinsichtlich Kapital und Verschuldung unterwerfen müsse wie chinesische Banken. Offenbar wurde Ant in Sachen Kreditvergabe als zu starke Konkurrenz für die etablierten Institute bewertet.
IPO-Absage kostete Alibaba Milliarden
Für die Alibaba-Aktie, die in Erwartung des größten Börsengangs aller Zeiten zuvor kräftig zugelegt hatte, war die IPO-Absage ein Supergau. Die Aktie sackte massiv ab, seit dem Rekordhoch, das Ende Oktober 2020 an der US-Börse NYSE bei 319,31 US-Dollar markiert wurde, ging es zeitweise bis auf 73,28 US-Dollar im März 2022 abwärts - die Corona-Krise und insbesondere das schwache Finanzmarktumfeld 2022 setzten dem Anteilsschein zusätzlich deutlich zu.
Schuld daran war auch eine Maßnahme chinesischer Regulierer: Im April 2021 verdonnerten die chinesischen Wettbewerbshüter die Ant-Mutter Alibaba zu einer Rekordstrafe von 18 Milliarden Yuan. Der Konzern habe seine marktbeherrschende Position ausgenutzt, um Händler zu bestrafen, die ihre Waren über konkurrierende Plattformen anbieten wollten, hieß es. Konkret warfen die Regulierer der Online-Plattform vor, gegen das Kartellrecht verstoßen zu haben, indem Alibaba Händler gezwungen habe, sich exklusiv für die Alibaba-Plattform zu entscheiden. Diese Praxis wird "er xuan yi" genannt, übersetzt "Wähle eine von zweien" - dies behindere den Wettbewerb und schädige die Rechte und Interessen der Verbraucher.
Auch die Tochter Ant rückte in den Monaten nach dem geplatzten IPO zunehmend in den Fokus chinesischer Regulierungsbehörden. Insbesondere die Marktmacht der Ant Group, aber auch die des heimischen Konkurrenten Tencent war den Aufsehern dabei ein Dorn im Auge. Jack Ma beugte sich dem Druck der Behörden und ordnete eine Umstrukturierung der Ant Group in eine Finanzholding an. Dieser Schritt ermöglicht den Aufsichtsbehörden umfangreiche Kontrolle über das Unternehmen, das nun als Holding strengere Auflagen erfüllen muss. Die Umwandlung zwang Ant zur einer Anpassung des Geschäftsmodells - das Verbraucherkreditgeschäft wurde massiv eingeschränkt, Ant agiert nun vorrangig als Zahlungsdienstleister. Das wirkte sich massiv auf den Unternehmenswert von Ant aus - von ehemals geschätzten 280 Milliarden US-Dollar sackte die Bewertung massiv ab. Fidelity Investments schätzte den Wert im vergangenen Jahr auf 78 Milliarden US-Dollar, Bloomberg Intelligence-Analyst Francis Chan sieht die Ant Group eher bei 64 Milliarden US-Dollar Unternehmenswert.
Kommt das Ant-IPO mit zwei Jahren Verspätung?
Rund zwei Jahre nach den Ereignissen sind die Börsenpläne für Ant nun offenbar aber wieder im Bereich des Möglichen. Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge, die sich auf mit der Sache vertraute Personen beruft, könnte Ant in Kürze eine Lizenz erhalten , mit der das Unternehmen eher wie eine Bank beaufsichtigt würde, dies würde den Weg für einen Börsengang ebnen. Dem Vernehmen nach sollen sich chinesische Finanzaufseher in frühen Gesprächen um einen neuerlichen Anlauf zu einer entsprechenden Erstnotiz befinden, hieß es unlängst bei Bloomberg. Von Seiten der chinesischen Wertpapieraufsicht CSRC (Chinese Securities Regulatory Commission) war unterdessen zu hören, man dementiere, an einem Aufleben des Börsengangs zu arbeiten. Allerdings unterstütze man die Börsennotierung von "berechtigten" Unternehmen in China und auch im Ausland.
Alibaba und Ant entwirren ihre Aktivitäten
Auch wenn Ant selbst Anfang Juni betonte, es gebe keine Pläne, einen Börsengang neu zu starten, konzentriere man sich aktuell auf "Bereinigungsarbeiten": Für ein Wiederaufleben der Börsenpläne spricht, dass die Ant Group und Alibaba aktuell bemüht sind, ihre gemeinsamen Aktivitäten zu entwirren und eine weniger deutliche Verflechtung anzustreben. Dies berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Verweis auf vier mit der Angelegenheit vertraute Quellen. Man suche unabhängig voneinander nach neuen Geschäften, einige Kooperationsvereinbarungen seien bereits aufgelöst worden. Der Agentur zufolge habe man begonnen, den Zugang zu den Diensten des jeweils anderen einzuschränken, um Kunden zu konkurrieren und sogar Allianzen mit Rivalen einzugehen. So habe Ants globaler grenzüberschreitender Zahlungsdienst Alipay+ Anfang dieses Jahres eine Zusammenarbeit mit dem Fast-Fashion-E-Commerce-Unternehmen Shein angekündigt, das für einige ausländische operative Einheiten von Alibaba als Rivale gilt. Alibaba wiederum buhle um Zahlungsmöglichkeiten im Ausland und startete im April Alibaba.com Pay, einen grenzüberschreitenden Transaktionsdienst für kleine Unternehmen.
Die enge Verflechtung beider Konzerne war bei den ursprünglichen IPO-Plänen 2020 noch als eines der Hauptargumente für einen Ant-Börsengang aufgeführt worden. "Die Schritte von Ant und Alibaba in Richtung einer operativen Trennung unterstreichen die neue Realität in Chinas Geschäftslandschaft, da die Regierung von Präsident Xi Jinping die Machtkonzentration in den Händen von Konzernen des Privatsektors missbilligt", schreibt Reuters weiter.
Wie die Börsenpläne aussehen könnten
Ob die teilweise operative Trennung tatsächlich für ein Wiederaufleben der Börsenpläne der Ant Group spricht, bleibt abzuwarten. Angesichts der deutlichen Umstrukturierung der Alibaba-Tochter in den vergangenen Jahren ist aber damit zu rechnen, dass insbesondere der Finanzteil von Ant börsennotiert werden würde - dazu zählt vorrangig das Zahlungsgeschäft Alipay, aber auch die Vermögensverwaltung und das deutlich geschrumpfte Verbraucherkreditgeschäft könnte Teil eines IPO sein. Noch ist die Umstrukturierung des Geschäfts aber nicht abgeschlossen, so dass unklar ist, wie ein die Ant Group schlussendlich operativ aufgestellt sein wird.
Redaktion finanzen.net
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