Neuer Amazon-Chef will AWS umkrempeln - sieht so auch die Zukunft von Amazon aus?
Der neue Amazon-Chef Andy Jassy ist ein Amazon-Urgestein. Seit Jahren verantwortet er das profitable Cloudsegment AWS, zuletzt hatte er für die Sparte umfangreiche Neuanpassungen angekündigt. Werden die Pläne des neuen CEO auch ihre Spuren beim Gesamtkonzern hinterlassen?
Werte in diesem Artikel
• Neu-CEO Andy Jassy hat als AWS-Chef Neuausrichtung der Sparte angekündigt
• Re-Invention als Schlüssel zum Erfolg
• Was bedeuten die Pläne für den Gesamtkonzern?
Nach dem Rückzug von Amazon-Gründer Jeff Bezos von der operativen Konzernspitze wird ab dem dritten Quartal Andy Jassy der neue CEO des Internetriesen. Der 53-Jährige hat vor seiner Berufung zum Konzernchef den wichtigsten Wachstumsbereich des Unternehmens verantwortet: Amazon Web Services. Das Cloudsegment ist bereits jetzt der Gewinntreiber des Unternehmens, das Geschäft ist enorm wachstums- und margenstark und verspricht, dies auch in Zukunft zu bleiben. Der Schlüssel zum anhaltenden Erfolg sei es jedoch, sich ständig neu zu erfinden, betonte Andy Jassy im Dezember auf Amazons Hausmesse re:invent. Bei der Veranstaltung kündigte der Manager vor diesem Hintergrund eine veränderte Geschäftsstrategie an. Werfen diese Pläne auch ein Schlaglicht auf die künftige Ausrichtung von Amazon?
AWS vor umfangreichen Anpassungen
Künftig wird sich AWS nicht mehr nur auf Online-Dienste beschränken, sondern Hardware und auch Software an Kunden verkaufen. Diese können AWS-Kunden dann in ihren eigenen Rechenzentren betreiben. Damit wirft AWS alte Grundsätze über Bord, denn eigentlich hatte sich die Sparte als One-for-all-Anbieter positioniert.
Doch die Corona-Krise hat die Schwäche dieser Ausrichtung aufgezeigt. Denn obwohl zahlreiche Unternehmen ihre Daten und Dienste zunehmend in die Cloud auslagern wollen und die Nachfrage nach Cloud-Diensten unverändert hoch ist, scheitert dieses Vorhaben in der Realität doch häufig an finanziellen oder regulatorischen Hürden. Ermöglicht ihnen Amazon aber - durch entsprechende Software -, dass Kunden quasi eine Hybrid-Strategie fahren können und nur einen Teil ihrer Daten in die Cloud auslagern, während andere Daten im hauseigenen Rechenzentrum verwaltet werden können, dürfte dies dem Bedürfnis vieler Interessenten eher entgegen kommen. Zudem fahren viele Cloud-Interessenten eine Multicloud-Strategie, sie haben je nach Bedarf verschiedene Dienste bei verschiedenen Cloud-Anbietern.
Multicloud - ein Segment, dem sich nun auch AWS öffnen will, entsprechend wird das Unternehmen zunehmend zu einem klassischen IT-Anbieter statt eines reinen Cloud-Dienstes.
Re-Invention als Schlüssel zum Erfolg
Dass AWS sich in diesem Bereich anders aufstellen will, als bislang, ist ein Schritt dahin, sich neu zu erfinden - ein Schritt, der laut Jassy für Unternehmen, die eine Führungsrolle einnehmen wollen, unverzichtbar ist. Im Rahmen der Amazon-Hausmesse verwies er dabei jüngst auf Unternehmen wie Airbnb, Peloton oder Stripe, die ihre Branchen praktisch neu erfunden haben. "Wer ein Führer sein will, der sich neu erfindet, muss verrückt, unerbittlich und hartnäckig sein", so der Manager. Es sei ebenso wichtig, die Konkurrenz zu beobachten, wie es auch sei, zu wissen, was die Kunden über die eigenen Produkte denken, betont er. "Man muss wissen, was funktioniert und was nicht".
Auf dem Weg zu einem solchen Unternehmen gebe es auch Hindernisse, so Jassy weiter. So werde es im Unternehmen immer Menschen geben, die versuchen, diese Erkenntnisse und Daten zu verstecken - aus verschiedensten Gründen. Dennoch seien diese Daten elementar, um an sie zu gelangen, müsse man "unerbittlich" sein, es sei "der Weg zur Wahrheit". "Und wenn man dann feststellt, dass es etwas gibt, das man neu erfinden und ändern muss, muss man den Mut haben, […] sich zu ändern und zu bewegen", beschreibt Jassy den Prozess.
Kommen jetzt auch auf Amazon andere Zeiten zu?
Die Schritte, die Jassy für die Geschäftseinheit AWS skizziert hat und die dazu führen sollen, dass sich das Cloudsegment neu erfindet, lassen sich auch auf den Gesamtkonzern Amazon übertragen. Schließlich ist das Unternehmen nur deshalb zu einem der größten globalen Techkonzerne aufgestiegen, weil sich auch der einstige Online-Buchhändler immer wieder neu erfunden hat. Mit der Gründung im Jahr 1994 stellte Jeff Bezos nicht nur das Buchhandelsgeschäft auf den Kopf, sondern stellte auch den bisher eher rudimentären Online-Handel vor neue Herausforderungen. Doch ein reiner E-Commerce-Konzern ist Amazon bereits seit geraumer Zeit nicht mehr, inzwischen gibt es mit Amazon Prime eines der erfolgreichsten Kundenbindungsprogramme der Welt, Amazon hat nicht nur eigene Hardware auf den Markt gebracht, sondern bietet zahlreiche Online-Dienste an, darunter Film- und Serienstreaming, Computerspiel-Streaming, Musikstreaming aber eben auch Clouddienste.
Amazon hat sich im Laufe der Unternehmensgeschichte also stets neu erfunden. Sucht man nach einem Etikett, das die Geschäfte des Unternehmens beschreibt, sieht man sich auf die sehr schwammigen Bezeichnungen "Internetkonzern", "Onlineunternehmen" oder "Techfirma" zurückgeworfen. Keines dieser Labels beschreibt aber umfangreich, was Amazon als Gesamtkonzern ausmacht.
Dass Andy Jassy den Weg von Amazon offenbar auf AWS übertragen will, könnte auch ein Omen für die Weiterentwicklung des Gesamtunternehmens sein. Denn auch für Jeff Bezos stand Kundenorientierung und einen konsequente Weiterentwicklung stets weit oben auf der Agenda. Dies dürfte auch der neue Amazon-Chef weiter verfolgen, wie seine Pläne für den von ihm verantworteten AWS-Bereich deutlich aufzeigten.
So wird es wohl auch künftig schwer sein, ein Label zu finden, das die Geschäftsausrichtung von Amazon vollumfänglich beschreibt. Auch Jassy wird wohl darauf drängen, Amazon in profitablen Bereichen weiterzuentwickeln, ohne dabei den Kundenfokus aus den Augen zu verlieren, während Amazon weiter in neue Geschäftsbereiche vorstoßen könnte. Insofern kommen auf Amazon wohl tatsächlich andere Zeiten zu - das wäre unter der Leitung von Jeff Bezos allerdings wohl kaum anders gewesen.
Redaktion finanzen.net
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