Prof. Otte-Kolumne Max Otte

Warum ich Google als Unternehmen nicht mag, die Aktie aber sehr

22.06.15 15:16 Uhr

Warum ich Google als Unternehmen nicht mag, die Aktie aber sehr | finanzen.net

im letzten Herbst, als die Kurse auch für Qualitätstitel kurzzeitig einbrachen, kauften die nach meiner Strategie geführten Fonds Aktien von Google (WKN: A0B7FY).

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Die Aktie hat seit dem Börsengang im Jahr 2004 in den letzten zehn Jahren Kurssteigerungen von fast 1000 Prozent hingelegt.

Und dennoch sind die Fonds nach einem kurzen Kurseinbruch vergangenen Herbst eingestiegen. Die Position steht mittlerweile bereits mit über zehn Prozent im Plus. Denn die Gewinne und der operative Cashflow sind viel stärker gewachsen als der Kurs, womit die Aktie deutlich billiger geworden ist. Heute notiert Google bei einem KGV von ca. 24. Das ist nicht billig. Und sicher wird sich das Wachstum auch etwas abschwächen.

Aber wenn Google nur mit zehn Prozent wächst, läge das KGV in drei Jahren bei 18. Und wenn Google mit 20 Prozent wächst, läge es in drei Jahren bei 15. Ja, die Aktie ist nicht ganz billig. Aber Google hat ein Monopol. Der Marktanteil bei stationären Suchanfragen liegt weltweit bei nahezu 70 Prozent, bei mobilen Suchanfragen bei 90 Prozent. Mit Google Maps, dem Browser Chrome sowie dem Videoportal YouTube besitzt Google weitere starke Marken. Und das Unternehmen dringt aggressiv in neue Zukunftsfelder, wie zum Beispiel intelligente Haustechnik, intelligente Brillen und autonomes Fahren, ein.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Google macht mir auch Angst. Und ich bin kein Mensch, der normalerweise von der im Ausland allseits diagnostizierten "German Angst" geprägt ist. Googles Chefdenker Ray Kurzweil ist ein führender Vertreter des Transhumanismus - der sich für eine Verschmelzung von Mensch und Maschine und eine Überwindung der Gattung Homo Sapiens einsetzt. Wie bei Amazon (WKN: 906866) oder Apple (WKN: 865986) agiert das Management absolut rücksichtlos, wenn es gilt, Wettbewerber aus dem Weg zu räumen. Das Motto der Unternehmensgründer Larry Page und Sergey Brin - "Do not evil!" - klingt da etwas, sagen wir, bemüht.

Aber Google wird einen Teil unserer Zukunft bestimmen - so oder so. Wenn wir das ändern wollen, müsste die europäische Politik endlich mit Kartellverfahren ernst machen, so wie sie vor ungefähr zehn Jahren Microsoft eine wichtige Kartellstrafe aufgebrummt hatte. Aber zunehmend verkommt die Europäische Kommission zu einer Provinzveranstaltung. Insbesondere die amerikanischen Technologiekonzerne haben die Politik diesseits und jenseits des Atlantiks fest in ihrer Hand.

Google diktiert den europäischen Medienpartnern die Konditionen und zeigt so auch die Macht des Monopolisten. Im Februar 2014 veröffentlichte die FAZ einen Appell von Martin Schulz mit der Überschrift "Technologischer Totalitarismus" und stieß damit eine Debatte an, an der sich seitdem viele prominente Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft beteiligt haben. Im Suhrkamp-Verlag sind jetzt die Beiträge zu dieser Debatte unter dem gleichnamigen Titel "Technologischer Totalitarismus" erschienen. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, schreibt hierzu in einem offenen Brief an Eric Schmidt:

"Wenn Google einen Algorithmus ändert, bricht bei einem unserer Tochterunternehmen in wenigen Tagen der Traffic um 70 Prozent ein. Das ist ein realer Fall. Und das dieses Tochterunternehmen ein Wettbewerber von Google ist, ist dabei sicher Zufall. Wir haben Angst vor Google. Ich muss das einmal so klar und ehrlich sagen, denn es traut sich kaum einer meiner Kollegen, dies öffentlich zu tun. Und als Größter unter den Kleinen müssen wir vielleicht auch in dieser Debatte als Erste Klartext reden."

Ich bin im selben Sammelband mit dem Beitrag "Je größer die Mythen vom Netz, desto kleiner die Menschen" vertreten.

Noch im Jahr 2000 konnte sich Europa mit Nokia (WKN: 870737), Ericsson (WKN: 85001), SAP (WKN: 716460) und den jungen Internet-Startups Hoffnungen machen, im IT-Sektor maßgeblich mitzuspielen. Heute ist davon wenig übrig. Die Musik spielt in den USA und zunehmend auch in China. Europa wird mehr und mehr zu einem Markt für die ausländischen Anbieter. Was, wenn Google mit dem autonomen Fahren - das irgendwann sicher kommen wird - Erfolg hat? Dann geht die Wertschöpfung im Automobilsektor zunehmend an die IT-Konzerne. Deutschlands Autobauer sind schlecht gerüstet.

Sollte ich deshalb als Anleger die Finger von Google lassen? Ich meine, nein. Ich halte es für ziemlich falsch, zu glauben, dass wir hier als Anleger eine Chance haben. Wir müssen unsere Meinung äußern - und die Politik muss handeln. Google hält sich an die Gesetze und den Rahmen, den die europäische Politik erlaubt. Wenn Google die Zukunft gestaltet, will ich dabei sein. Und hoffen, dass die europäische Politik noch einmal erwacht. Derzeit sieht es nicht danach aus.

Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Gründer der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Das Institut analysiert nach der von ihm entwickelten Strategie der Königsanalyse © börsennotierte Unternehmen und setzt sich dafür ein, mit transparenten Informationen Privatanleger bei der Entwicklung nachhaltiger und langfristig ausgerichteter Aktienstrategien zu unterstützen. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

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