Preisdruck

Furcht vor Hyperinflation: In welcher Inflationsphase befinden wir uns derzeit?

12.05.23 06:20 Uhr

Hyperinflation: In welcher Phase befinden wir uns? | finanzen.net

Hohe Inflationsraten treiben Verbrauchern und Unternehmen gleichermaßen Sorgenfalten auf die Stirn. Doch auch wenn der Preisdruck derzeit bereits verhältnismäßig hoch ist, ist bis zu einer Hyperinflation aber noch viel Luft nach oben.

Werte in diesem Artikel
Devisen

1,0320 USD 0,0047 USD 0,46%

0,9688 EUR -0,0046 EUR -0,47%

• Inflationsrate in Deutschland über 10 Prozent
• Verschiedene Formen je nach Geschwindigkeit
• Auch Deflation kann Probleme verursachen

Wer­bung


Preisdruck in Deutschland nimmt zu

Auch in Deutschland hat der Preisdruck die Zehn-Prozent-Marke übersprungen. Im April beträgt die Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahresmonat laut Statistischem Bundesamt gemäß der vorläufigen Schätzung 7,2 Prozent.

Mit steigenden Preisen nimmt auch die Belastung für Verbraucher zu: Nicht nur ist das höhere Preisniveau bereits jetzt finanziell spürbar, auch herrscht die Angst vor einer weiteren Verschlimmerung der Lage. Es wird befürchtet, dass sich die derzeitige Inflation zur Hyperinflation entwickelt, wie sie 1923 herrschte. Zwar kennen die meisten Menschen dieses Szenario nur noch aus den Geschichtsbüchern, aber dennoch hat sich dieses Bild eingebrannt. Je nach Stärke und Geschwindigkeit der Inflation unterscheidet man aber zwischen verschiedenen Formen.

Wer­bung

Schleichende Inflation

Eine schleichende Inflation bezeichnet ein Szenario, in dem die Preise zunehmen, aber in einem langsamen, kaum merklichen Tempo. Solange auch die Löhne und Gehälter sowie das Wirtschaftswachstum mit dem Preisniveau zunehmen, spricht man von einer wirtschaftlichen Idealsituation. Meist beträgt die jährliche Inflationsrate in diesen Fällen weniger als fünf Prozent. Dementsprechend verfolgt auch die Europäische Zentralbank mit ihrem angestrebten Ziel von zwei Prozent eine schleichende Inflation. In den letzten Jahren war dies fast immer der Standardfall.

Trabende Inflation

Bei einer trabenden Inflation nimmt die Geschwindigkeit gemäß der Bezeichnung bereits zu. Bezüglich einer genauen Grenze scheiden sich die Geister, wie die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) schreibt, meist geht man aber von Inflationsraten zwischen zehn und 20 Prozent aus. Einige Experten attestieren aber auch bei einer Teuerung von mehr als fünf Prozent eine trabende Inflation. In diesem Szenario ist der Preisdruck deutlich spürbar und belastet sowohl Verbraucher als auch Unternehmen. "Ob sie aus dem Ruder läuft oder eingedämmt werden kann, das kommt auf die Ursachen und die Gegenmaßnahmen an", erklärte Wirtschaftsexpertin Christine Bergmann vom Bayerischen Rundfunk. "Gerade hier ist es wichtig zu wissen, was die Inflation verursacht hat." In der Vergangenheit konnten trabende Inflationen in Deutschland immer wieder mit einer Anpassung der Geldpolitik abgefedert werden.

Wer­bung

Galoppierende Inflation

Weiter an Geschwindigkeit gewinnt der Preisdruck bei einer galoppierenden Inflation. Hier herrschen Inflationsraten von mehr als 20 Prozent. In Deutschland war dies etwa in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg der Fall, bevor die galoppierende Inflation durch die Hyperinflation abgelöst wurde. Damit ist eine galoppierende Inflation also als deutliches Warnsignal zu verstehen.

Hyperinflation

Als "Inflation mit gigantischen Preissteigerungen" definiert die bpb eine Hyperinflation. Hier können Inflationsraten von mindestens 50 Prozent beobachtet werden. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes nimmt dauerhaft zu, da Verbraucher dieses möglichst schnell für Güter ausgeben, um weiteren Preiserhöhungen vorzugreifen. Damit nimmt auch die Nachfrage immer weiter zu, bis die Bevölkerung irgendwann vollkommen das Vertrauen in die Landeswährung verloren hat. Typisch ist der Aufbau eines Schwarzmarktes, auf dem mit stabileren Währungen aus dem Ausland oder kaum verfügbaren Sachgütern als Ersatz für die inländische Währung bezahlt wird. Als einziger Ausweg gilt in einer solchen Situation eine Währungsreform.

So geschehen auch bei der Hyperinflation 1923: Da sich die Preise für Produkte des täglichen Bedarfs im Tagesverlauf verzehn- oder verhundertfachen konnten, zahlten einige Arbeitgeber Löhne auch mehrmals am Tag aus. Im Oktober 1923 reagierte die Reichsregierung schließlich mit der Herausgabe der Rentenmark, die als Übergangslösung verwendet wurde, so Dr. Arnulf Scriba vom Deutschen Historischen Museum in Berlin. 1924 wurde die Rentenmarkt dann von der Reichsmark abgelöst, was im Dawes-Plan, einem Finanzierungsplan eines internationalen Sachverständigenausschusses unter Leitung von Charles Dawes, festgehalten wurde.

Zurückgestaute Inflation

Darüber hinaus gibt es noch einen Sonderfall: die zurückgestaute Inflation, auch versteckte Inflation, verdeckte Inflation oder Kassenhaltungsinflation genannt. Dieser Fall ist für die Bevölkerung oft nicht deutlich erkennbar, weil staatliche Eingriffe das Preisniveau stabil halten sollen. Dies kann durch Rationierungen von lebensnotwenigen Gütern geschehen, etwa durch die Ausgabe von Bezugsscheinen. Dennoch führt dies meist ebenfalls zur Bildung von Schwarzmärkten, so die bpb. In Deutschland war dies etwa nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der Fall, erklärte Bergmann. So wurden Löhne und Preise eingefroren, um eine weitere Hyperinflation zu verhindern. "Die Inflation war offiziell nicht zu spüren, doch zu den festgesetzten Preisen gab es nichts zu kaufen", so die Expertin. Auch hier konnte nur eine Währungsreform Abhilfe schaffen. In den drei Westzonen Deutschlands wurde die Reichsmark 1948 durch die Deutsche Markt abgelöst, die bis zur Einführung des Euros am 1. Januar 2002 die offizielle Währung von Deutschland darstellte.

Deflation

Auch wenn dieses Problem mittlerweile aus der Welt zu sein scheint, hatte die EZB in den vergangenen Jahren oftmals Schwierigkeiten, die Inflationsrate über dem Zwei-Prozent-Ziel zu halten. Eine Deflation, also eine Phase stetiger Preissenkungen, hat nämlich auch ihre Tücken. Der Gütermenge steht eine zu geringe Geldmenge gegenüber, wodurch die Nachfrage unter dem wirtschaftlichen Angebot steht. Hier besteht die Gefahr eines wirtschaftlichen Abwärtsstrudels, denn mit sinkenden Preisen passen Unternehmen ihre Gewinnerwartungen an und investieren weniger. Eine daraus resultierende Senkung der Produktion kann zu Standortschließungen und einer erhöhten Arbeitslosigkeit führen. Gleichzeitig schieben die Verbraucher Konsumausgaben auf, da mit weiteren Preisverfällen zu rechnen ist. Einkommensverluste schieben den Nachfrageeinbruch weiter an.

Frage nach Inflationsursachen

Generell sollten bei der Betrachtung der Inflationssituation immer auch die Ursachen betrachtet werden, so Bergmann. So hängen Preissteigerungen in der Regel mit einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zusammen, was verschiedene Gründe haben kann. Man unterscheidet hier zwischen angebotsbedingter und nachfragebedingter Inflation. Angebotsfaktoren können gestiegene Kosten für Unternehmen, etwa durch höhere Preise für Rohstoffe oder Arbeitskräfte, aber auch höhere Unternehmensgewinne sein. Daher wird bei angebotsbedingter Inflation zwischen Kosteninflation und Gewinninflation unterschieden. Bei letzterer können Unternehmen die Preise für ihre angebotenen Güter aufgrund ihrer oligopolistischen Marktstellung nach oben drücken. Nachfragebedingte Inflation entsteht hingegen, wenn die Preise aufgrund einer hohen Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen angehoben werden. Wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt und gleichzeitig Vollbeschäftigung herrscht, wodurch die Produktionskapazitäten nicht vorübergehend angehoben werden können, kommt es zur Nachfragesoginflation. Die erhöhte Nachfrage wird in einer Konsuminflation durch private Haushalte ausgelöst, in einer Investitionsinflation durch Staat und Unternehmen. Steigt die Nachfrage aus dem Ausland, spricht man hingegen von einer importierten Inflation.

Je nachdem welche Ursachen die Erhöhung des Preisniveaus hat, muss also direkt an dieser Stelle angesetzt und nachjustiert werden.

Redaktion finanzen.net

Bildquellen: B Calkins / Shutterstock.com, nito / Shutterstock.com