Biden nimmt Nominierung an - Herausforderer Trumps im November
Zum Abschluss des Parteitags der US-Demokraten hat Joe Biden die Nominierung als Präsidentschaftskandidat angenommen und den Wählern "das Ende dieses Kapitels der amerikanischen Finsternis" versprochen.
"Vereint können und werden wir die Zeit der Dunkelheit in Amerika überwinden", sagte der 77-jährige Ex-Vizepräsident am Donnerstagabend (Ortszeit) in der bislang wichtigsten Rede seiner jahrzehntelangen politischen Karriere. Biden zieht im November gegen den republikanischen Amtsinhaber Donald Trump (74) in die Wahl.
Biden versprach, sich für alle Amerikaner einzusetzen. "Während ich ein Kandidat der Demokraten sein werde, werde ich ein amerikanischer Präsident sein", betonte er. "Ich werde für diejenigen, die mich nicht unterstützt haben, genauso hart arbeiten wie für diejenigen, die mich unterstützt haben." Die Amerikaner rief er zur Überwindung der tiefen Gräben im Land auf.
"Der gegenwärtige Präsident hat Amerika viel zu lange in Dunkelheit gehüllt", sagte Biden. "Zu viel Wut. Zu viel Angst. Zu viel Spaltung." Der frisch gekürte demokratische Herausforderer griff den Amtsinhaber scharf an. "Der Präsident übernimmt keine Verantwortung, weigert sich zu führen, gibt anderen die Schuld, schmeichelt sich bei Diktatoren ein und schürt die Flammen des Hasses und der Spaltung."
Biden sagte zu, "am ersten Tag" seiner Amtszeit einen Plan zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie vorzustellen. Dafür solle es auch eine landesweite Pflicht geben, Masken über Mund und Nase zu Tragen, um Infektionen zu verhindern. Das solle keine Last sein, sondern dem Schutz anderer dienen. "Es ist eine patriotische Pflicht." Ohne die Eindämmung des Virus könne sich auch die Wirtschaft nicht wieder erholen, betonte Biden. Das habe Trump immer noch nicht verstanden.
Biden versprach außerdem, die von der Corona-Krise gebeutelte Wirtschaft wieder anzukurbeln und dabei Millionen neue Jobs zu schaffen. Er sagte auch zu, sich der "existenziellen Bedrohung" des Klimawandels zu stellen. Nötige Investitionen könnten finanziert werden, indem die von Trump durchgesetzten Steuersenkungen für Vermögende rückgängig gemacht würden. Biden verpflichtete sich dazu, den Gesundheitssektor und das Sozialversicherungssystem zu stärken. Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz will Biden sich zudem mit Nachdruck dafür einsetzen, den "strukturellen Rassismus" in den USA auszumerzen.
Trump warf Biden vor, den Wählern nur leere Versprechen zu machen. Unmittelbar nach dessen Rede schrieb Trump auf Twitter, Biden habe in seinen fast fünf Jahrzehnten als Politiker in Washington nichts von den Dingen gemacht, über die er jetzt als Kandidat rede. "Er wird sich nie ändern, nur Worte!", schrieb der Republikaner in der Nacht zum Freitag (Ortszeit) weiter. Trump hatte in einem Fernsehinterview unmittelbar zuvor gesagt, er werde sich Bidens Rede ansehen.
Biden beklagte die mehr als 170 000 Toten in der Corona-Pandemie in den USA und warf Trump vor, noch immer keinen Plan zu haben, wie er die Krise in den Griff bekommen wolle. "Unser derzeitiger Präsident hat in seiner grundlegendsten Pflicht gegenüber der Nation versagt. Er hat uns nicht beschützt. Er hat Amerika nicht beschützt", sagte Biden. "Das ist unverzeihlich." Als Präsident werde er den Amerikanern ein Versprechen geben: "Ich werde Amerika beschützen, ich werde uns gegen jede Attacke - sichtbar oder unsichtbar - verteidigen, immer, ohne Ausnahme, jedes Mal."
Biden sagte: "Möge die Geschichte sagen können, dass das Ende dieses Kapitels der amerikanischen Finsternis heute Abend hier begann." Amerika sei an einer Wegscheide. "Eine Zeit wirklicher Gefahr, aber außerordentlicher Möglichkeiten. Wir können den Weg wählen, wütender, weniger hoffnungsvoll und noch gespaltener zu werden. Ein Weg des Schattens und des Misstrauens. Oder wir können einen anderen Weg wählen und zusammen die Chance wahrnehmen, neu zu beginnen, zu einen. Ein Weg der Hoffnung und des Lichtes. Diese Wahl wird Leben verändern und Amerikas Zukunft für eine sehr lange Zeit bestimmen."
Biden, der zum moderaten Flügel der Partei gehört, zieht mit der Senatorin Kamala Harris als Vize-Kandidatin in die Wahl. Im Falle eines Sieges wäre die 55-Jährige die erste Frau und Schwarze auf dem Vizepräsidentenposten. Harris hatte am Mittwoch in ihrer sehr persönlichen Rede nach ihrer Nominierung gesagt: "Joe wird uns zusammenbringen, um der Rassenungerechtigkeit direkt ins Auge zu sehen und sie niederzureißen."
Biden hielt seine Rede in seinem Wohnort Wilmington (Delaware). Der Parteitag fand wegen der Corona-Pandemie in stark komprimierter Form und weitgehend virtuell statt. Biden, der von 2009 bis 2017 Vize des damaligen Präsidenten Barack Obama war, liegt in landesweiten Umfragen vor Trump. Die Erhebungen haben aber wegen des komplizierten Wahlsystems nur begrenzte Aussagekraft.
Bei dem Parteitag gelang es den Demokraten anders als 2016, Einheit zu demonstrieren. Als besonders wichtig galt dabei der Appell des linken Senators Bernie Sanders an seine Anhänger, Biden zu unterstützen. "Bei dieser Wahl geht es um den Erhalt unserer Demokratie", sagte Sanders zum Auftakt des Parteitags.
Ursprünglich sollte der Parteitag - normalerweise ein Mega-Event im Wahlkampf, das in die heiße Phase vor der Wahl führt - mit Zehntausenden Delegierten, Gästen und Journalisten in Milwaukee (Wisconsin) stattfinden. Übrig blieb ein jeweils zweistündiges Programm an vier Abenden, das im Fernsehen und online zu sehen war.
Politiker und Bürger prangerten Missstände unter Trump an, kritisierten seinen Umgang mit der Corona-Krise, ließen Opfer von Waffengewalt zu Wort kommen und adressierten den Klimawandel. Vielfalt und Einwanderung betonten sie als Stärke. Der Parteitag zielte zudem darauf ab, enttäuschte Trump-Wähler oder Wechselwähler anzusprechen. Mehrere Republikaner riefen zur Wahl von Biden auf.
Die drei demokratischen Ex-Präsidenten Obama (59), Bill Clinton (74) und der älteste unter ihnen, Jimmy Carter (95), warben für die Wahl von Biden. Obama, dessen Stimme noch immer viel Gewicht hat, legte unter den früheren Amtsinhabern den spektakulärsten Auftritt hin: In seiner Rede am Mittwoch stellte er Trump als Gefahr für die Demokratie dar und warf ihm Versagen und Machtmissbrauch vor. Es war nicht nur eine unübliche Abrechnung mit seinem direkten Nachfolger, sondern auch eine düstere Warnung an die Wähler.
Trump, der kommende Woche beim Parteitag der Republikaner erneut zum Präsidentschaftskandidaten nominiert werden soll, bestritt während des Parteitags der Demokraten mehrere Wahlkampfauftritte. Am Donnerstag griff er die Demokraten unweit des Geburtsortes von Biden in Pennsylvania heftig an. Sie würden bei einem Wahlsieg im November die Wirtschaft ruinieren, die Polizei abschaffen und das Land in Anarchie stürzen, warnte Trump in Old Forge. Sie seien "komplett wahnsinnig". Der Republikaner wiederholte auch seine Warnung, dass die Demokraten die Steuern drastisch erhöhen würden. "Es geht bei dieser Wahl um das Überleben der Nation", sagte Trump.
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WASHINGTON (dpa-AFX)
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