Risikofaktor Shanghai
Der Aktienmarkt in China gehört zu den weltweit schlechtesten in diesem Jahr. Anleger haben Angst vor weiteren Verlusten, und dass dies DAX und Dow mit nach unten zieht.
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(Ich habe die Gedanken, die wir uns seit Wochen hier zu China machen noch einmal zusammengefasst – aus der €uro am Sonntag vom 30./31.5.)
Mitte Mai hat der US-Künstler Arturo Di Modica eine überlebensgroße Replik des berühmten „Charging Bull“ der Wall Street an Shanghais Ufermeile Bund aufgestellt. Das Symbol florierender Börsen – laut Di Modica wegen der Bronzeausführung „röter und stärker“ als das US-Pendant – zeigt dem historischen Finanzviertel sein Hinterteil und blickt über den Fluss auf das neue Finanzzentrum auf der Pudong-Seite. Fehlen eigentlich nur noch Anzeigetafeln für die aktuellen Börsenkurse. Die kommen in Kürze, versichert die Stadtverwaltung. Überlebensgroß und von allen Seiten lesbar.
Der Zeitpunkt für derlei Pomp scheint allerdings schlecht gewählt: Chinas wichtigstes Börsenbarometer, der Aktienindex Shanghai Composite, ist seit Jahresbeginn um 20 Prozent gefallen – auf das niedrigste Niveau seit über einem Jahr. Ein böses Omen für die ihrerseits seit Anfang Mai ins Schlingern geratenen Börsen in Europa und Nordamerika? Schon 2008 hat Shanghai vorzeitig einen Trendwechsel an den globalen Märkten signalisiert. Damals zum Guten: Während der Shanghai-Index schon im November 2008 wieder nach oben drehte, dauerte die Konsolidierung an der Wall Street und Europas Börsen bis März 2009. Jetzt das umgekehrte Vorzeichen: Chinas Börse drehte schon im November 2009 nach unten, während Dow, DAX, Nikkei und Co bis Ende April von Rekord zu Rekord eilten.
Aber warum fallen die Kurse in China? Die Wachstumsstory scheint auf den ersten Blick doch intakt. Mehr als zwölf Prozent legte die Konjunktur im ersten Quartal des Jahres zu. „Chinas Börse zeigt aber, dass etwas nicht stimmt“, findet der bekannte Investor Marc Faber. „Chinas Anleger schauen offensichtlich skeptisch in die Zukunft. Die Wirtschaft steht vor einem Abschwung. Wenn es dumm läuft, könnte daraus in den kommenden zwölf Monaten gar ein Absturz werden“, so Faber weiter. Er erwartet, dass das Wachstum ab der zweiten Jahreshälfte schwächer ausfallen wird als bisher, ebenso die Unternehmensgewinne.
Chinas aktuelles Problem, so scheint es, ist seine bisherige Stärke: Ausgehend von der staatlich dirigierten und kontrollierten Notenbank, gab es über die meist staatlich dirigierten und kontrollierten Geschäftsbanken bislang Unmengen an Liquidität in Form billigster Kredite. Zusätzlich zu einem Konjunkturpaket in Höhe von 400 Milliarden Euro hat Beijing im vergangenen Jahr eine erhöhte Kreditvergabe verfügt – insgesamt 9,6 Billionen Yuan, das sind 1,1 Billionen Euro, so viel wie nie zuvor. So hält man eine Wirtschaft am Laufen, auch wenn die Welt wie in den vergangenen zwei Jahren durch eine schwerwiegende Rezession steuert.
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