DAX-Konzerne: Wo weniger einfach mehr wäre
Viele Konzerne verschenken durch komplexe Strukturen Börsenwert. Wo im DAX versteckte Werte liegen, wer Angriffe aktiver Investoren fürchten muss.
Werte in diesem Artikel
von S. Bauer und S. Parplies, Euro am Sonntag
Medikamente, Saatgut, Kunststoffe - im Grunde ist das alles dasselbe. "Da geht es immer um Moleküle, die für verschiedene Anwendungen entwickelt werden", erklärt Vorstandschef Marijn Dekkers das Prinzip, nach dem Bayer seit mehr als 150 Jahre gute Geschäfte macht. Jetzt steht der DAX-Konzern vor einem markanten Einschnitt: Bayer soll sich auf Medikamente und Pflanzenschutz konzentrieren. Die Kunststoffsparte Material Science soll als eigenständiges Unternehmen ausgegliedert und an die Börse gebracht werden.
Getrieben wird der Schritt von der Logik der Finanzmärkte: Das Geschäft mit Kunststoffen schwankt stark mit den Wellenbewegungen der Konjunktur. Die Margen sind gering. In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres blieben operativ nur sechs Prozent des Umsatzes als Gewinn übrig - die beiden anderen Sparten schafften über 20 Prozent. Auch der Umsatz des Konzerns wird ohne Kunststoff schneller wachsen. Unter dem Strich wird Bayer also kleiner, dafür werden wichtige Kennziffern aufpoliert. Das erklärt die Begeisterung der Börse für Dekkers’ Pläne. Als Bayer Mitte September die Ausgliederung der Kunststoffsparte ankündigte, schoss der Kurs der Aktie um mehr als sechs Prozent nach oben.
Auch wenn Konzerne immer wieder mit spektakulären Übernahmen für Schlagzeilen sorgen - manchmal ist weniger einfach mehr. Vor allem aus Sicht der Aktionäre. "Die Kapitalmärkte belohnen Unternehmen, die ihr Beteiligungsportfolio bereinigen", so die Boston Consulting Group.
Die Unternehmensberatung hat in einer Studie weltweit mehr als 8.300 Ausgliederungen der vergangenen 24 Jahre analysiert. Ergebnis: "In Erwartung einer operativen Verbesserung und einer höheren Konzentration des Unternehmens und des Managements begrüßen Investoren die Ankündigung einer Desinvestition in der Mehrzahl der Fälle mit einem Kursaufschlag."
Auch bei Siemens setzt sich diese Erkenntnis offenbar durch. Der Münchner Industriekonzern ist eins der größten Konglomerate Deutschlands - und nach Ansicht der Kritiker ein bürokratisches Ungetüm.
Das lässt bereits die Zahl der Mitarbeiter erahnen. Weltweit arbeiten rund 360.000 Menschen für Siemens. Wäre der Konzern eine Stadt, er würde nach Einwohnern zu den 20 größten in Deutschland zählen. Der Jahresumsatz verteilt sich über die vier großen Themenfelder Energie, Industrie, Infrastruktur und Medizintechnik. Jedes für sich wäre groß genug, um als Unternehmen einen Platz im DAX zu ergattern.
2013 hat Siemens seine Lichttechniksparte Osram als Abspaltung - oder Spin-off - an die Börse gebracht. Nächster Kandidat könnte die Medizintechnik sein. Siemens-Chef Joe Kaeser drängt auf mehr Eigenständigkeit des Geschäfts. Einzelne Landesgesellschaften sollen jetzt rechtlich verselbstständigt werden - auch die in Deutschland. Ist dieser Schritt erfolgt, ist die komplette Ausgliederung rasch möglich. "Das wäre zeitlich schnell zu bewältigen", sagte Finanzchef Ralf Thomas am Rande der Bilanzpressekonferenz in Berlin gegenüber €uro am Sonntag.
"2016 wäre ein potenzieller Zeitpunkt für ein Spin-off", kalkuliert Andreas Willi von der Investmentbank JP Morgan. Auf dem Papier hat Willi den Siemens-Konzern bereits in seine Einzelteile zerlegt. Demnach sind die vier großen Konzernteile in der Summe fast 100 Milliarden Euro wert. Die Marktkapitalisierung hingegen liegt gegenwärtig bei 80 Milliarden. Das verdeutlicht, wie stark die komplexen Strukturen des Konzerns auf der Aktie lasten.
Die Fahrstuhlrechnung
Die Differenz zwischen dem theoretischen Wert der Einzelteile und dem tatsächlichen Börsenwert eines Unternehmens wird als Konglomeratsabschlag bezeichnet. Nach Hochrechnung von Boston Consultung liegt er im Schnitt bei 14 Prozent. Investoren gehen also davon aus, dass in einem komplexen Konzern die Ressourcen nicht optimal genutzt werden, etwa weil kleine Einheiten vom Management vernachlässigt werden.
Bayer-Chef Dekkers begründet die Ausgliederung der Kunststoffsparte unter anderem damit, dass "Material Science" beim internen Ringen um Ressourcen stets in Konkurrenz zu den beiden größeren und damit mächtigeren Sparten stehe. Nach der Ausgliederung würden diese Reibungen wegfallen und im Idealfall neue Kräfte freisetzen.
Bewegung könnte es bald auch bei ThyssenKrupp geben. Der Stahlkonzern dürfte im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr erstmals seit vier Jahren Nettogewinne erzielt haben. Doch auch über die Turnaround-Story hinaus ist der Konzern interessant: Konzernchef Heinrich Hiesinger liebäugelt mit dem Ausbau der margenstarken Technologiesparten, darunter das Aufzuggeschäft. Dort sind zweistellige operative Renditen drin, zumal mit weitaus weniger Auf und Ab zu rechnen ist als im schwierigen Stahlgeschäft. Die Aufzugsparte allein ist nach Schätzung von JP Morgan gut zehn Milliarden Euro wert - das entspricht fast dem kompletten Börsenwert des Konzerns. Die Stahlaktivitäten gibt es derzeit also quasi zum Nulltarif.
Nicht bei allen Konzernen ist eine Zerschlagung sinnvoll. Größe ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil, etwa beim Einkauf von Material oder im Vertrieb. Volkswagen beispielsweise, mit einem Jahresumsatz von rund 200 Milliarden Euro und knapp 600.000 Mitarbeitern der Gigant im DAX, kann durch Größe die Kosten in der Produktion drücken.
Auch kleinere Konzerne können zu groß sein. Adidas ist so ein Fall. Der Sportartikelkonzern hat im Jahr 2005 den Konkurrenten Reebok aufgekauft, um seine Marktmacht in den USA zu stärken. Aufgegangen ist der Plan nicht. Die Adidas-Gruppe, zu der auch die kleineren Marken Taylor Made, Rockport und CCH Hockey gehören, weist zwar keine Gewinn- und Verlustrechnung für die einzelnen Marken aus, Analysten gehen aber davon aus, dass Reebok fast durchgehend Geld verbrannt hat.
Das ramponierte Ansehen von Reebok unter Börsianern verdeutlicht eine Rechnung der französischen Bank BNP Paribas. Analyst Andreas Inderst taxiert den fairen Wert der Marke Adidas abzüglich der Kosten für Verwaltung und eine Aufspaltung des Konzerns auf 69,50 Euro je Aktie. Das liegt rund 15 Prozent über dem aktuellen Börsenwert. "Investoren, die heute die Adidas-Aktie kaufen, bekommen Reebok, Taylor Made, Rockport und CCH Hockey im Grunde gratis dazu", folgert Inderst.
Konzernchef Herbert Hainer glaubt, dass Reebok am Anfang eines Aufschwungs steht, der Zeitpunkt für einen Verkauf daher ungünstig sei. Zudem sei Reebok fest in die Strukturen der Gruppe integriert. Ohne schützenden Großaktionär aber ist Adidas ein einfaches Ziel für aktive Investoren. Angeblich gibt es eine Investorengruppe, die Reebok kaufen will. "Kein Kommentar", heißt es dazu bei Adidas.
Eine zweite Chance
Auch bei anderen Unternehmen sträubt sich das Management gegen eine Zerlegung - obwohl sie aus Sicht eines Anlegers durchaus sinnvoll sein könnte. Merck ist einer der letzten Konzerne in Europa, die Chemie und Pharma unter einem Dach vereinen, Henkel ist ein Hersteller von Konsumgütern und Klebstoff. Bei Beiersdorf sieht es ähnlich aus. Dank der Rückendeckung durch Großaktionäre muss das Management bei Merck, Henkel und Beiersdorf den Druck von außen aber nicht fürchten.
Ein Spezialfall ist die Deutsche Telekom. Die Bonner haben ihre US-Mobilfunktochter bereits an die Börse gebracht, besitzen aber noch immer zwei Drittel der Aktien. Neben den Preisvorstellungen erschwert die Wettbewerbssituation in den USA den Verkauf des Pakets.
Während die Börse die Ausgliederung großer Konzernteile meist feiert, erhebt sich innerhalb der Unternehmen oft Widerstand - vor allem bei den Arbeitnehmern. Die große Sorge ist, dass kurz nach einer Ausgliederung Arbeitsplätze gestrichen werden, schließlich trennen sich Konzerne meist von schlechter laufenden Unternehmensteilen.
Bayer musste den Angestellten seiner Kunststoffsparte feste Zusagen machen. Bis 2020 sind die 17.000 Arbeitsplätze dort garantiert. Dabei hat Bayer selbst ein Beispiel geliefert, wie eine Ausgliederung neue Impulse geben kann. Als die Leverkusener im Jahr 2005 ihr Spezialchemiegeschäft unter dem Namen Lanxess ausgliederten, wurde das neue Unternehmen erst als Resterampe verspottet. Inzwischen ist die einstige Bayer-Sparte selbst DAX-Mitglied. Ein Ziel, das auch "Material Science" bei einem von Analysten geschätzten Wert von zehn Milliarden Euro erreichen könnte.
Investor-Info
Lexikon
Drei Wege, ein Ziel
Der einfachste Weg, einen Unternehmensbereich abzustoßen, ist der direkte Verkauf an einen Wettbewerber oder Finanzinvestor. Bei einem Spin-off wird der Geschäftsbereich als eigenständiges Unternehmen ausgegliedert. Aktionäre des Mutterkonzerns erhalten dabei Gratisaktien des Spin-off. Der Mutterkonzern bekommt, anders als beim direkten Verkauf, kein Geld in die Kasse, profitiert aber durch einen Kurssprung seiner Aktien bei Bekanntgabe des Verkaufs. Ein Carve-out funktioniert ähnlich, der Mutterkonzern behält aber einen Teil der Aktien.
Steuern
Was es zu beachten gilt
Die steuerlichen Konsequenzen eines Spin-off veranschaulicht das Beispiel Osram. 2012 erhielten die Siemens-Aktionäre für jedes Papier gratis zehn Osram-Aktien. Diese Abspaltung war zunächst steuerfrei. Um die Steuerlast beim Verkauf der Aktien zu berechnen, wurden die Anschaffungskosten der Siemens-Aktie im Verhältnis zehn zu eins auf die alten Siemens- und die neuen Osram-Aktien verteilt. Beispiel: Ein Anleger hat 2011 zehn Siemens-Aktien zu je 66 Euro gekauft. Für jede Osram-Aktie wird nun ein Elftel der Anschaffungskosten von 660 Euro angesetzt, also 60 Euro. Wenn der Anleger seine Osram-Papiere heute verkauft, würde er beim aktuellen Kursniveau einen Verlust realisieren. Umgekehrt fiele beim Verkauf der Siemens-Aktien der Kursgewinn höher aus, da sich deren Anschaffungskosten entsprechend verringert haben. Siemens-Aktionäre, die ihre Papiere vor 2009 gekauft haben, können auch Osram steuerfrei veräußern.
Deutsche Telekom
Mühsamer Rückzug
Dreimal stand die Deutsche Telekom vor dem Verkauf ihres US-Mobilfunkgeschäfts, jedes Mal platzte der Deal. Als nächster Interessent wird der Satelliten-TV-Betreiber Dish gehandelt. Da T-Mobile US neue Kunden gewinnt, kann sich der Mutterkonzern Geduld leisten. Ein Verkauf der Sparte, die rund ein Drittel des Konzernumsatzes erwirtschaftet, würde der schwerfälligen Aktie einen Schub geben.
Bayer
Fokus auf Pharma
Bayer konzentriert sich stärker auf das Geschäft mit Medikamenten. Auch wenn das Spin-off der margenschwachen Kunststoffsparte den Kurs bereits angeschoben hat, sehen wir weiter Chancen. Das große Potenzial der Pharmapipeline sollte im kommenden Jahr für einige gute Nachrichten sorgen und eine höhere Bewertung der Aktie rechtfertigen.
Ausgewählte Hebelprodukte auf Bayer
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Der Hebel muss zwischen 2 und 20 liegen
Name | Hebel | KO | Emittent |
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Bildquellen: KenDrysdale / Shutterstock.com, Sebastian Kaulitzki / Shutterstock.com
Nachrichten zu Volkswagen (VW) AG Vz.
Analysen zu Volkswagen (VW) AG Vz.
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23.12.2024 | Volkswagen (VW) vz Buy | Jefferies & Company Inc. | |
23.12.2024 | Volkswagen (VW) vz Sell | UBS AG | |
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03.12.2024 | Volkswagen (VW) vz Overweight | Barclays Capital |
Datum | Rating | Analyst | |
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23.12.2024 | Volkswagen (VW) vz Buy | Jefferies & Company Inc. | |
03.12.2024 | Volkswagen (VW) vz Overweight | Barclays Capital | |
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11.11.2024 | Volkswagen (VW) vz Buy | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) | |
01.11.2024 | Volkswagen (VW) vz Buy | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) |
Datum | Rating | Analyst | |
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23.12.2024 | Volkswagen (VW) vz Neutral | JP Morgan Chase & Co. | |
06.12.2024 | Volkswagen (VW) vz Market-Perform | Bernstein Research | |
29.11.2024 | Volkswagen (VW) vz Market-Perform | Bernstein Research | |
29.11.2024 | Volkswagen (VW) vz Market-Perform | Bernstein Research | |
27.11.2024 | Volkswagen (VW) vz Neutral | JP Morgan Chase & Co. |
Datum | Rating | Analyst | |
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23.12.2024 | Volkswagen (VW) vz Sell | UBS AG | |
03.12.2024 | Volkswagen (VW) vz Sell | UBS AG | |
30.10.2024 | Volkswagen (VW) vz Sell | UBS AG | |
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30.09.2024 | Volkswagen (VW) vz Sell | UBS AG |
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